Laut einer Studie der technischen Universität München hat die Coronakirse Auswirkungen auf die Zunahme von häuslicher Gewalt. Mehr als 6 Prozent der Frauen in Deutschland wurden während der Ausgangssperre Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt. Die Gewalt richtet sich ebenfalls zunehmend gegen Kinder. Gerade in Zeiten der Quarantäne oder finanzieller Notlagen waren die Zahlen am höchsten.
Auch das Gewaltrisiko gegen ältere und pflegebedürftige Menschen hat sich durch die Pandemie erhöht. Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein hat in einer Pressemitteilung auf diese gefährliche Entwicklung hingewiesen und zunehmende Unterstützung für Pflegende und Pflegebedürftige gefordert.
Gewalt in der Pflege äußert sich auf verschiedene Arten und Weisen: Anschreien, Beschimpfungen, sowie grobes Anfassen oder Vernachlässigung sind dazu zu zählen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass knapp jeder sechste Mensch über 60 Jahre im letzten Jahr eine Form von Gewalt in der Pflege erleben musste.
Pflegende Angehörige häufig involviert
Häufig sei die Überlastung der Pflegekräfte Auslöser für die zunehmende Gewaltbereitschaft, viele fühlen sich mit ihrer Arbeit allein gelassen, erklärte die Kammer Schleswig-Holstein in ihrer Pressemitteilung. Gerade in familialen Pflegebeziehungen neigen die pflegenden Angehörigen leicht zu psychischer Gewalt gegen ältere Menschen. Genaue Zahlen zur Anhäufung von Gewalt in pflegerischen Beziehungen gebe es nicht. Da die Gewalt stets im Verborgenen stattfindet, gehe man von einer hohen Dunkelziffer aus, so Marco Sander, Vorstandsmitglied der Kammer sowie Altenpfleger und Wissenschaftler.
Die Coronapandemie habe das Problem nach Angaben von Experten aus der Praxis zudem noch weiter zugespitzt. Begründet wird dies durch den Ausfall zahlreicher Unterstützungsangebote, die wegen des Infektionsschutzes auf Eis gelegt wurden. Außerdem wurden Angebote der Tagespflege stark eingeschränkt oder auch die ambulante Pflege pausiert. Viele ausländische Pflegekräfte seien während der Pandemie zurück in ihr Heimatland gereist.
Die Folge: Pflegende Angehörige vermissen zunehmend die Unterstützung bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen. Das dauerhafte 24-Stunden-Aufpassen wandle sich schnell in Überforderung und Gereiztheit um, wodurch das Gewaltpotenzial verstärkt werde. Um dem entgegenzuwirken müsse man für psychische Entlastung der Pflegenden sorgen, damit diese und deren Angehörige vor Gewaltausbrüchen bewahrt werden.
Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein wies daraufhin, dass die dortigen Tagespflegeeinrichtungen zumindest unter Schutzauflagen wieder geöffnet haben. Außerdem sollen sich Betroffene über Nottelefone oder pflegerische Experten und Expertinnen Hilfe und Beratung holen. Es sei wichtig, dass die Gewalt in der Pflege kein Tabuthema darstelle, so Sander.
Tipp: Die Stiftung ZQP setzt sich schon lange gegen Gewalt in der Pflege ein. Auf deren Homepage finden Sie zahlreiche Studien zur Gewalt in der Pflege, sowie Arbeitsmaterial zur Konfliktlösung.
Missstände in Celler Pflegeheim: Staatsanwaltschaft ermittelt
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, sollen in einem Pflegeheim in Celle mehrere Senioren misshandelt worden sein. Bildaufnahmen zeigen Patienten, die sich teilweise stundenlang fixiert in ihren Ausscheidungen wundgelegen haben. Toilettengänge wurden von den Pflegekräften verweigert und Wunden unfachmännisch versorgt.
Markus Mai, Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, bezeichnete die Zustände dort als „Folter“.
Das betroffene Pflegeheim gehört zur Unternehmensgruppe Muus, die in der Umgebung mehrere Einrichtungen besitzt. Auch Geschäftsführerin Claudia Muus seien die Umstände bekannt. Drei Pflegekräfte wurden daraufhin entlassen. Gegen alle drei wurde Strafanzeige von Muus erstattet. Seitdem haben sich nach Angaben von Muus keine derartigen Missstände mehr ereignet. Leider seien solche Vorfälle nur schwer zu verhindern, so Muus.
Die niedersächsische Pflegekammer reagierte mit Empörung auf die Vorfälle. Nadya Klarmann, Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, betonte, dass die Kammerversammlung mit Hochdruck an Präventionsmaßnahmen gegen derartige Misshandlung arbeiten werde. Klarmann wies auch noch einmal darauf hin, unter welchen Belastungen Pflegekräfte täglich ihre Arbeit verrichten. Die daraus resultierenden und bekannten Folgen, Berufsausstiege oder eben Gewalt, müsse man umgehend unterbinden. Solche Missstände, wie die in Celle, dürfen nicht weiter vorkommen.
Eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Probleme spielen dabei laut Klarmann die Heimaufsichtsbehörden und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung. Die Begehung von Heimen müsse standardmäßig unter Begleitung von Pflegefachpersonen erfolgen, um die Patientensicherheit und Pflegequalität zu gewähren. Dies geschehe momentan noch zu selten. Außerdem brauche es eine neutrale Anlaufstelle, die bei der Meldung von Missständen zusammen mit den genannten Instanzen prüft, ob und wo die Pflegequalität gefährdet ist, um anschließend mit den Einrichtungen nach konstruktiven Lösungen zu suchen.
Quelle: Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein, Pflegekammer Niedersachsen, Süddeutsche, TUM