Zeitarbeit in der Pflege
Laut einer Studie würde ein Verbot der Zeitar­beit in der Pflege den Fachkräf­te­man­gel weiter verschär­fen. Bild: RDNE Stock project/Pexels

In der Pflege ist der Einsatz von Zeitar­beits­kräf­ten oft der einzige Weg, den Perso­nal­man­gel in den Einrich­tun­gen in den Griff zu bekom­men. Das soll sich demnächst ändern: Seit einiger Zeit werden Forde­run­gen der Klini­ken laut, die Leihar­beit zu regle­men­tie­ren oder zu verbie­ten. Die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG) hatte im Februar dieses Jahres einen entspre­chen­den Appell an die Politik gerich­tet, da die Leihar­beit in den Kranken­häu­sern sich „von der Ausnahme zum Regel­fall“ entwi­ckelt habe, was die Beleg­schaft spalte. Auch seien die dadurch entste­hen­den höheren Kosten nicht mehr tragbar.

Das Insti­tut der deutschen Wirtschaft hat nun eine Befra­gung von Zeitar­beits­kräf­ten im Pflege­be­reich veröf­fent­licht, die einige grund­sätz­li­che Annah­men zum Thema Zeitar­beit in der Pflege wider­legt.

Pflege­kräfte verlas­sen Einrich­tun­gen aus eigenem Antrieb

In vielen Berich­ten über Leihar­beit in der Pflege entsteht der Eindruck, Zeitar­beits­fir­men würden Pflege­kräfte gezielt aus den Einrich­tun­gen abwer­ben. Das konnte die Studie nicht bestä­ti­gen: Mehr als ein Drittel aller Zeitar­beits­kräfte, die zuvor in einer Einrich­tung beschäf­tigt waren, nannten Hinweise von Bekann­ten als Grund für den Wechsel, für ein Fünftel war eine Stellen­aus­schrei­bung das Motiv. Eine Abwer­bung durch die Zeitar­beits­fir­men hat weniger als drei Prozent der Pflege­kräfte zu einem Wechsel in die Leihar­beit motiviert. Aller­dings erhiel­ten über 50 Prozent der Leihar­beits­kräfte schon einmal ein Übernah­me­an­ge­bot einer Einrich­tung, bei Leitungs­kräf­ten sogar über 70 Prozent.

Faire Bezah­lung und mehr Einfluss auf die Arbeits­zei­ten

Wenig überra­schend: Der meist­ge­nannte Grund für die Zeitar­beit ist die leistungs­ge­rechte Vergü­tung. Auch mehr Einfluss auf den Dienst­plan (63,5 Prozent) bezie­hungs­weise die Verläss­lich­keit der Dienst­pläne (29,3 Prozent) spielen eine große Rolle. Darüber hinaus fühlen sich mehr als die Hälfte der Befrag­ten in der Leihar­beit mehr wertge­schätzt.

Überra­schend ist aller­dings, dass immer­hin 16,3 Prozent der Teilneh­mer angaben, in der Zeitar­beit mehr Einfluss auf ihren Einsatz­ort zu haben – überra­schend deshalb, weil Zeitar­beits­kräfte selten über ihren Einsatz­ort entschei­den können. Der Wechsel in andere Einrich­tun­gen – auch gegen den Willen der Mitar­bei­ter – scheint mögli­cher­weise auch bei Festan­ge­stell­ten regel­mä­ßig vorzu­kom­men.

Verbot der Zeitar­beit in der Pflege bringt Fachkräfte nicht zurück

Befür­wor­ter eines Verbots – oder einer stren­gen Regulie­rung – der Zeitar­beit argumen­tie­ren oft, dass dadurch der Fachkräf­te­man­gel in der Pflege verstärkt werde. Wenn diese Arbeits­plätze wegfal­len bezie­hungs­weise die gleichen Arbeits­be­din­gun­gen bieten wie eine Festan­stel­lung, würden die Pflegen­den – so die Annahme – wieder in die Einrich­tun­gen zurück­keh­ren.

Diese Idee wird aller­dings von der Studie wider­legt: Nur 18,2 Prozent der Befrag­ten zieht diese Alter­na­tive in Erwägung. Über die Hälfte gab an, in diesem Fall in einen anderen Tätig­keits­be­reich wechseln zu wollen. Immer­hin 11,6 Prozent würden auch eine Aufgabe des Berufs in Erwägung ziehen. Natür­lich kann es sein, dass diese Entschei­dun­gen im Ernst­fall etwas mehr im Sinne der Klini­ken ausfal­len würden. Aber eine massive Rückkehr der Fachkräfte lässt sich aus diesen Daten beim besten Willen nicht ablei­ten.

Kommen­tar: Schnelle Lösung nicht in Sicht

Zur Zeit scheint die Diskus­sion festge­fah­ren: Laut einem Bericht des Redak­ti­ons­netz­werks Deutsch­land soll den Einrich­tun­gen mit der Gesund­heits­re­form die Finan­zie­rung für die Zeitar­beits­kräfte teilweise entzo­gen werden: Pflege­einrichtungen dürften die Mehrkos­ten für den Einsatz von Zeitar­beits­kräf­ten nicht den Pflege­kas­sen in Rechnung stellen, sondern nur noch Kosten analog zu den in der Branche üblichen Tarif­löh­nen abrech­nen. Vermittlungs­gebühren für die Zeitar­beits­fir­men dürften ebenfalls nicht weiter­ge­reicht werden. So wird der Druck auf die Einrich­tun­gen erhöht, auf Leihar­beit zu verzich­ten – was langfris­tig zu einem Wegfall von Arbeits­plät­zen bei Zeitar­beits­fir­men führen könnte. Und so hätte man de facto eine Reduk­tion der Leihar­beit, ohne das so klar ausspre­chen zu müssen. Ob das aller­dings den Patien­ten hilft, ist fraglich.

Erstaun­lich ist generell, mit welcher Selbst­ver­ständ­lich­keit darüber disku­tiert wird, Menschen unter Druck zu setzen, damit sie ihre Arbeit zu schlech­te­ren Bedin­gun­gen machen. Eine Verbes­se­rung der beruf­li­chen Situa­tion durch den Wechsel des Arbeits­plat­zes ist für viele Menschen absolut selbst­ver­ständ­lich – soll aber für die Pflegen­den durch gesetz­li­che Regelun­gen erschwert werden. Man darf sich nicht wundern, dass viele Pflegende über mangelnde Wertschät­zung klagen.

Hinter­grund: Für die Studie „Zeitar­bei­ter­be­fra­gung: Zeitar­beit in der Pflege­bran­che“ wurden von Mitte Januar bis Ende Februar 2023 rund 4.000 Zeitar­beits­kräfte im Gesund­heits- und Pflege­be­reich befragt. Die Studie entstand im Auftrag des Bundes­ar­beit­ge­ber­ver­bands der Perso­nal­dienst­leis­ter und des Inter­es­sen­ver­bands Deutscher Zeitar­beits­un­ter­neh­men.