Ukraine
Svitlana Lutsiv aus der Ukraine ist 28 jahre alt, verhei­ra­tet und hat 2 Kinder

Rechts­de­pe­sche: Wie geht es Ihnen, wenn Sie sehen was in ihrer Heimat passiert?

Svitlana Lutsiv: Es tut sehr, sehr weh. Man kann nicht hinse­hen. Am Morgen des Kriegs­be­ginns (24. Februar, die Red.) kam mein Mann ins Schlaf­zim­mer und sagte: es geht los! Ich habe nicht geglaubt, dass das wirklich passie­ren könnte. Wir waren schockiert und haben gleich unsere Bekann­ten und Angehö­ri­gen angeru­fen und gefragt, was da passiert. Sie haben versucht, uns alles zu erklä­ren und dann wurde es von Tag zu Tag schlim­mer für sie. Zuerst hat Russland verspro­chen, Frauen und Kinder zu verscho­nen. Doch dann ging auch das los; sie schos­sen auf Frauen und Kinder.

„Russen beschies­sen Kranken­wa­gen mit Kindern“

Eine Szene konnten meine Verwand­ten in der Nähe von Kiew beobach­ten: ein Kranken­wa­gen hat verletzte Kinder abtrans­por­tiert. Der Wagen wurde von Russen beschos­sen und ging in Flammen auf. Alle waren tot. Stellen Sie sich vor: Die Russen schies­sen auf Kranken­wa­gen – das ist schreck­lich. Es ist sehr, sehr gefähr­lich dort. Frauen entbin­den in den Kellern, alte Leute können gar nicht raus, Wohnhäu­ser werden bombar­diert.

Der sieben­jäh­rige Sohn meiner Schwes­ter hat mich angeru­fen und gesagt, er könne nicht rennen, er sei starr vor Angst, weil er überall die Geräu­sche des Krieges hört. Alle dort sind in Panik. So etwas hat man zuletzt 1945 gesehen, aber nicht in unserer Zeit, damit hat keiner gerech­net. Die Leute heute haben doch eigent­lich alles, was man zum Leben braucht. Jetzt wollen alle einfach nur noch weg da.

Ukraine: „Wir sammeln Spenden“

Rechts­de­pe­sche: Haben Sie persön­li­chen Kontakt zu Menschen aus der Ukraine, die gerade auf der Flucht sind?

Lutsiv: Nein, ich nicht direkt. Aber unsere Organi­sa­tion (Deutsch-Ukrai­ni­scher-Pflege­ver­band e.V.) sammelt Spenden für Hilfs­be­dürf­tige und verschickt sie auch. Eine Bekannte hat mich aus der Ukraine angeru­fen und gefragt, ob wir ihren Eltern helfen könnten. Die harren in Kiew in einem Wohnge­bäude aus – im 4.Stock. Das Problem ist: sie kommen da nicht runter aus dem Stock­werk, sie sind zu gebrech­lich. Also haben wir versucht, Hilfe zu organi­sie­ren von hier aus. Dass die beiden nach Lwiw kommen oder in eine Gegend, wo es noch ruhiger ist.

Ukraine
Zerstör­tes Wohnhaus in der Haupt­stadt Kiew Bild: Palinchak/Dreamstime.com

Rechts­de­pe­sche: Was wünschen Sie sich von der deutschen Regie­rung und der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft, von Europa, der NATO – was sind Ihre Ideal­vor­stel­lun­gen, Wünsche, was sollte jetzt passie­ren?

Lutsiv: Wir sammeln hier vor Ort in Thürin­gen Spenden, die dann in die Ukraine gelie­fert werden. Geld- und Sachspen­den. Wir sammeln auch Medizin und Verbands­ma­te­rial für die verletz­ten Kämpfer in der Ukraine. In den Hospi­tä­lern herrscht Notstand, was medizi­ni­sche Versor­gung angeht – da können wir wenigs­tens etwas tun von hier. Auch Babynah­rung ist Mangel­ware, Schlaf­sä­cke, Thermos­kan­nen und Taschen­lam­pen. Wir müssen zuerst den Menschen vor Ort in der Ukraine helfen!

Svitlana Lutsiv
Svitlana Lutsiv bei der Arbeit in der Neander­kli­nik Ilfeld, Thürin­gen

„Ich befürchte eine Katastro­phe für die Welt“

Rechts­de­pe­sche: Glauben Sie, dass das ein fried­li­ches Ende nimmt? Oder glauben Sie eher an eine apoka­lyp­ti­sche Katastro­phe?

Lutsiv: Ich habe lange gedacht, der Putin wird so etwas nicht machen mit der Ukraine. Obwohl er seit Jahren davon gespro­chen hat. Er hat oft gedroht, wenn seine Forde­run­gen nicht erfüllt werden, dann wird es Krieg in der Ukraine geben. Das hat kaum einer gedacht und geglaubt. Deshalb befürchte ich jetzt eine Katastro­phe für Europa und die Welt. Es geht auch um die EU. Putin will nicht, dass die Ukraine dort hinein geht. Ich denke oft, das wird noch weiter gehen, wenn er die Ukraine besiegt – aber das wird nicht passie­ren, hoffe ich.

Sollte er gewin­nen, wird er weiter gehen. Der Mann ist krank, ein norma­ler Mensch kann so etwas nicht machen. Fragt man Russen, wie sie dazu stehen, höre ich: ich kann dazu nichts sagen, ich bekomme Ärger. Die Leute haben einfach Angst vor ihm. Putin will eine Dikta­tur.

Rechts­de­pe­sche: Viel Glück für die Zukunft und vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Svitlana Lutsiv ist in der ukrai­ni­schen Stadt Lwiw geboren und aufge­wach­sen. Sie ist 28 jahre alt und verhei­ra­tet mit Olksan­der Lutsiv. Die beiden haben zwei Kinder, die in Deutsch­land geboren sind. Seit 2014 ist das Paar in der Bundes­re­pu­blik. Svitlana arbei­tet als Kranken­schwes­ter in der Neander­kli­nik Ilfeld, Thürin­gen.