CIRS
Passiert selten, kommt aber vor: Die Verwechs­lung von Patien­ten. Bild: © Gstockstudio1 | Dreamstime.com

Patien­ten-Dokumente verwech­selt

Weil ein Patient in einem Berli­ner Klini­kum mit einem anderen Mann verwech­selt wurde, der letzt­lich jedoch nicht im Kranken­haus erschie­nen war, kam der Betrof­fene auf der somati­schen Normal­sta­tion statt auf einer Station mit Inten­siv­über­wa­chung unter. In der Folge hätte er falsche Medika­mente bekom­men, sowie ein Folge­er­eig­nis erlei­den können, das unbemerkt geblie­ben wäre. Hiervon berich­tet das Dokumen­ta­ti­ons- und Lernnetz­werk CIRS (Criti­cal Incident Report­ing System) Berlin.

Was war im konkre­ten Fall genau passiert? Der Fehler mit Schadens­po­ten­zial hatte seinen Ursprung im Spätdienst des Kranken­hau­ses des Vortags: Die Rettungs­stelle hatte dem Kranken­haus einen Patien­ten in Aussicht gestellt, der auf dem somati­schen Bereich des Klini­kums aufge­nom­men werden sollte. Im darauf folgen­den Nacht­dienst wurde jedoch ein weite­rer Patient angekün­digt, der ebenfalls über die Rettungs­stelle kam und aufgrund seines kriti­sche­ren Zustands auf der Abtei­lung mit Inten­siv­über­wa­chung aufge­nom­men werden sollte.

Die Unter­la­gen des ersten Patien­ten – dem für den somati­schen Bereich Bestimm­ten – waren der Station bereits von der Rettungs­stelle übermit­telt worden und lagen vor. Als im Laufe des Nacht­diens­tes ein Patient vom Patien­ten­be­gleit­ser­vice auf Station gebracht wurde, der jedoch keine Unter­la­gen dabei hatte, hielt ihn die Beleg­schaft für den ersten (in der Spätschicht angekün­dig­ten) Patien­ten und brachte ihn auf der Normal­sta­tion unter. Der Patient, von dem die Unter­la­gen stamm­ten, ließ sich im Kranken­haus jedoch letzt­end­lich gar nicht blicken: Dieser hatte sich, gegen ausdrück­li­chen ärztli­chen Rat, selbst entlas­sen, ohne dass dies jedoch der Station bekannt wurde. Erst dem Frühdienst fiel einem Mitglied der Beleg­schaft die Verwechs­lung auf.

Kommu­ni­ka­ti­on­s­pan­nen auf sämtli­chen Ebenen

Laut Einschät­zung der CIRS Berlin lag die Patien­ten­ver­wechs­lung an einer Kommu­ni­ka­ti­on­s­panne, verbun­den mit Unacht­sam­keit. „Keiner der pflege­ri­schen Kolle­gen, die mit dem Patien­ten Kontakt hatten, hatte expli­zit nach seinem Namen gefragt“, hieß es. Auch wurde das Identi­fi­ka­ti­ons-Armband, das der Patient trug, zum einen falsch gelesen und zum anderen nicht beach­tet.

Damit nicht genug: „Der ärztli­che Kollege aus der Rettungs­stelle hat versäumt, den Kolle­gin­nen auf Station mitzu­tei­len, dass der Patient für die somati­sche Station sich gegen ärztli­chen Rat selbst entlas­sen hat.“ Schluss­end­lich hätten die Kolle­gen von der Pflege sowie die ärztli­chen Kolle­gen sich nicht darüber infor­miert, wo einer der zwei erwar­te­ten Patien­ten geblie­ben ist.

Erster Fall seiner Art

Bei der vorlie­gen­den Patien­ten-Verwechs­lung habe es sich um den ersten Fall seiner Art gehan­delt, der dem CIRS-Netzwerk bekannt wurde. „Der vorlie­gende Bericht zeigt einmal mehr die Risiken, die mit unvoll­stän­di­ger Kommu­ni­ka­tion an Schnitt­stel­len einher­ge­hen“, analy­sierte das Anwen­der-Forum des CIRS. „Ein weite­rer fehler­be­güns­ti­gen­der Faktor ist im Schicht­wech­sel zu vermu­ten. Zusätz­lich hat ein Erwar­tungs­feh­ler die Situa­tion begüns­tigt als der Patient, der für die Inten­siv­über­wa­chung vorge­se­hen war, im somati­schen Bereich erschien und für den Patien­ten gehal­ten wurde, dessen Unter­la­gen bereits vorla­gen.“

Um einem solchen Fall vorzu­beu­gen, empfiehlt das Forum, Standards für die Übergabe von Patien­tin­nen und Patien­ten zwischen Rettungs­stelle und Station zu etablie­ren. Dabei sollte klar geregelt sein, wer mit wem spricht und welche Infor­ma­tio­nen dabei mindes­tens übermit­telt werden. Nach der Selbst­ent­las­sung des ersten Patien­ten hätte die Rettungs­stelle die Station infor­mie­ren sollen; umgekehrt hätte auch die aufneh­mende Station nachfra­gen können, wo die erwar­tete Person bleibt.

Außer­dem sei zu ermit­teln, warum der Patient, der für die Inten­siv­über­wa­chung vorge­se­hen war, vom Patien­ten­be­gleit­ser­vice auf die Normal­sta­tion gebracht wurde. Anders als im beschrie­be­nen Fall gehand­habt, sollten die Patien­ten­ak­ten beim Patien­ten verblei­ben und nicht getrennt von ihm verschickt werden. Sowie, ganz banal: Der auf Station eintref­fende Patient hätte nach Namen und Geburts­da­tum gefragt, und diese Daten mit dem Patien­ten­arm­band abgegli­chen werden sollen. „Machen Sie sich immer bewusst, dass in der Reali­tät nicht unbedingt das Erwar­tete eintritt“, so der abschlie­ßende Rat.

Netzwerk, um vonein­an­der zu lernen

Am CIRS Berlin nehmen Kranken­häu­ser in Berlin sowie im umgeben­den Bundes­land Branden­burg teil. Im Jahr 2008 hatten Ärzte­kam­mer Berlin (ÄKB) und das Ärztli­che Zentrum für Quali­tät in der Medizin (ÄZQ) gemein­sam das Netzwerk etabliert. Seit Juli 2020 hat die Bundes­ärz­te­kam­mer (BÄK) die Aufga­ben des ÄZQ im Netzwerk übernom­men.

Alle beim CIRS einge­stell­ten Berichte, die Beinahe-Schäden und abgeschlos­sene vermeid­bare unerwünschte Ereig­nisse dokumen­tie­ren, sind hinsicht­lich der Betrof­fe­nen und der Einrich­tung anony­mi­siert. Denn Ziel des Netzwerks ist es nicht, medizi­ni­sche oder pflege­ri­sche Kolle­gen „anzupran­gern“, sondern offen von Fehlern zu berich­ten, damit auch andere Einrich­tun­gen von ihnen lernen können. „Wir müssen nicht jeden Fehler selbst machen, um daraus zu lernen“, lautet dabei das schöne Motto des CIRS Berlin.