Krankenhaustag diskutiert Kliniksterben
Auf dem Deutschen Kranken­haus­tag wurden Befürch­tun­gen laut, dass es in naher Zukunft zu einem flächen­de­cken­den Klinik­ster­ben kommen wird. Bild: Monikabaumbach/Dreamstime

Der 46. Deutsche Kranken­haus­tag in Düssel­dorf stand unter dem Motto „Zeiten­wende für Kranken­häu­ser.“ Zentra­les Thema war die finan­zi­elle Situa­tion der Klini­ken. Zum Auftakt der Veran­stal­tung warnten Klinik­ver­tre­ter vor einem Jahr des Kranken­haus­ster­bens: Die Kombi­na­tion aus Inves­ti­ti­ons­stau, Perso­nal­man­gel und hoher Infla­tion gefährde die flächen­de­ckende Versor­gung von Patien­ten.

Auch das im Oktober vom Bundes­tag beschlos­sene Kranken­haus­trans­pa­renz­ge­setz, nach dem Infor­ma­tio­nen zu Fallzah­len, Perso­nal, Kompli­ka­ti­ons­ra­ten für ausge­wählte Eingriffe und Zuord­nung zu Versor­gungs­stu­fen für jede Klinik erhoben werden sollen, wurde stark kriti­siert.

Heraus­for­de­run­gen durch Demogra­fie, Perso­nal­man­gel und Finanz­nöte

Kongress­prä­si­dent Michael Weber, Präsi­dent des Verban­des leiten­der Kranken­haus­ärz­tin­nen und ‑ärzte (VLK), appel­lierte direkt zu Beginn der Veran­stal­tung an die Politik. Die Klini­ken seien mit großen Heraus­for­de­run­gen durch Demogra­fie, Perso­nal­man­gel und Finanz­nöte konfron­tiert. Dies erfor­dere die Schaf­fung von effizi­en­ten Struk­tu­ren in der statio­nä­ren Versor­gung. Er betonte: „Für die nötigen Schritte besteht eine hohe Verän­de­rungs­be­reit­schaft bei den Klini­ken.“

Die Politik sei gefragt, um Perspek­ti­ven aufzu­zei­gen und den Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess zu unter­stüt­zen. Statt dessen werde die geleis­tete Arbeit der Klini­ken immer wieder schlecht darge­stellt. Ein Vorschalt­ge­setz sei dringend nötig, genauso wie ein Referen­ten­ent­wurf für das Kranken­haus­struk­tur­ge­setz. An die Adresse des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter richtete Weber eine klare Warnung: „Sie sehen sich am Vorabend eines Kranken­haus­ster­bens, aber Sie handeln nicht.“

Kritik am Trans­pa­renz­ge­setz

Ingo Morell, Präsi­dent der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG), sah die Lage ähnlich. Die finan­zi­elle Situa­tion sei bei 60 Prozent der deutschen Klini­ken so schlecht, dass sie selbst Weihnachts­gel­der nicht mehr ohne Unter­stüt­zung zahlen könnten. Das im Oktober beschlos­sene Trans­pa­renz­ge­setz sei keine Hilfe: „Das Trans­pa­renz­ge­setz wird die Bürokra­tie steigern und zu Höchst­stän­den bringen.“ Es würde faktisch dazu führen, dass die Kompe­tenz- und Planungs­ho­heit der Länder ausge­he­belt werde.

Kritik am Trans­pa­renz­ge­setz kam auch von Josef Düllings, Präsi­dent des Verban­des der Kranken­haus­di­rek­to­ren Deutsch­lands. Das Gesetz sei vom Bundes­tag entge­gen aller gut begrün­de­ten Kritik beschlos­sen worden und nütze den Patien­ten kaum. Nötig seien ein Vorschalt­ge­setz sowie die genaue Ermitt­lung der Kosten einer Klinik­re­form.

Auch die Entbü­ro­kra­ti­sie­rung und die Bekämp­fung des Perso­nal­man­gels müssten priori­siert werden. Er wies darauf hin, dass man schon seit 2019 ein zukunfts­fä­hi­ges Konzept für die deutsche Klinik­land­schaft gefor­dert habe – bisher sei aber wenig davon im Gesetz angekom­men. Durch Corona­pan­de­mie, hohe Infla­ti­ons­ra­ten, Tarif­er­hö­hun­gen und der seit Jahrzehn­ten viel zu niedri­gen Förde­rung von Inves­ti­tio­nen gehe es vielen Klini­ken wirtschaft­lich sehr schlecht.

NRW-Landes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl-Josef Laumann wies auf den Kosten­schub durch Lohner­hö­hun­gen hin. Dieser müsse durch die Träger der Klini­ken refinan­ziert werden, erst dann könne man über eine Neustruk­tu­rie­rung sprechen. Das Trans­pa­renz­ge­setz sei nicht hilfreich und erschwere im Gegen­teil die Arbeit der Länder. Er werde deshalb dem Gesetz nicht zustim­men.

Mehr Eigen­stän­dig­keit für die Pflege

Sabine Bernin­ger, Vorsit­zende des Deutschen Berufs­ver­bands für Pflege­be­rufe (DBfK), forderte mehr Eigen­stän­dig­keit für die Pflege. Die Leitung von Primär­ver­sor­gungs­zen­tren müsse auch für quali­fi­zierte Pflege­fach­per­so­nen möglich sein. Die deutsche Pflege müsse dringend zu inter­na­tio­na­len Standards aufschlie­ßen – das geplante Pflege­stu­di­ums­stär­kungs­ge­setz sei ein erster Schritt.

Ein zentra­ler Punkt für das Gelin­gen der deutschen Kranken­haus­re­form sei die Vernet­zung von ambulan­ter und statio­nä­rer Pflege ebenso wie Reha und Langzeit­pflege.

Lauer­bach auf den Kranken­haus­tag nur zugeschal­tet

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD), der der Veran­stal­tung aus dem Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium in Berlin zugeschal­tet war, wehrte die Befürch­tun­gen der Branche ab. Man sei bei der Reform der Klini­ken immer noch im ursprüng­li­chen Zeitplan: „Es bleibt dabei, dass wir das Gesetz in der ersten Hälfte 2024 mit den Ländern gemein­sam beschlie­ßen werden.“

2025 und 2026 würden die Bundes­län­der den Klini­ken ihre Leistungs­grup­pen zuwei­sen, 2029 sei die Reform dann zu 100 Prozent umgesetzt. Auch die Ziele der Reform seien immer noch die gleichen: „Der ökono­mi­sche Druck muss genom­men werden. Wir werden stark entbü­ro­kra­ti­sie­ren, wir wollen die Quali­tät verbes­sern.“ Mit diesem Ansatz könnten die Kranken­häu­ser als Arbeits­platz wieder inter­es­sant werden.

Lauter­bach: „Müssen für die Kranken­häu­ser kämpfen, die wir benöti­gen“

Bezüg­lich der finan­zi­el­len Situa­tion wies Lauter­bach darauf hin, dass der Bund bis zum Frühjahr 2024 3,2 Milli­ar­den Euro an Energie­hil­fen bereit­stel­len werde. Außer­dem würden den Kranken­häu­sern laut den Planun­gen sechs Milli­ar­den Euro für die Pflege zusätz­lich zuflie­ßen. Die Gesamt­summe beläuft sich damit laut Minis­te­rium auf mehr als neun Milli­ar­den Euro. Durch die Vorhal­te­pau­scha­len hätten die Klini­ken außer­dem eine Existenz­ga­ran­tie.

Lauter­bach wies Vorwürfe zurück, das Klinik­ster­ben bewusst in Kauf zu nehmen: „Ich habe schon lange gesagt, dass uns ein Kranken­haus­ster­ben bevor­steht, aber ich habe es immer mit Bedau­ern gesagt.“ Auch wenn durch die Kranken­haus­re­form einige Einrich­tun­gen wegfal­len würden, sei sie notwen­dig, um ein ungeord­ne­tes Klinik­ster­ben abzuweh­ren. „Wir müssen für die Kranken­häu­ser kämpfen, die wir benöti­gen.“

Im europäi­schen Vergleich sei Deutsch­land noch nicht am Ziel: „Deutsch­land gibt mehr für die Kranken­häu­ser aus als jedes andere EU-Land.“ Doch das spiegele sich aktuell noch nicht in der Quali­tät wieder. Es fehle an Spezia­li­sie­rung, Ausstat­tung und Perso­nal. Diese Struk­tur­de­fi­zite müssten aufge­holt werden, um mit Refor­men an die europäi­sche Spitze zu kommen.