Der 46. Deutsche Krankenhaustag in Düsseldorf stand unter dem Motto „Zeitenwende für Krankenhäuser.“ Zentrales Thema war die finanzielle Situation der Kliniken. Zum Auftakt der Veranstaltung warnten Klinikvertreter vor einem Jahr des Krankenhaussterbens: Die Kombination aus Investitionsstau, Personalmangel und hoher Inflation gefährde die flächendeckende Versorgung von Patienten.
Auch das im Oktober vom Bundestag beschlossene Krankenhaustransparenzgesetz, nach dem Informationen zu Fallzahlen, Personal, Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe und Zuordnung zu Versorgungsstufen für jede Klinik erhoben werden sollen, wurde stark kritisiert.
Herausforderungen durch Demografie, Personalmangel und Finanznöte
Kongresspräsident Michael Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und ‑ärzte (VLK), appellierte direkt zu Beginn der Veranstaltung an die Politik. Die Kliniken seien mit großen Herausforderungen durch Demografie, Personalmangel und Finanznöte konfrontiert. Dies erfordere die Schaffung von effizienten Strukturen in der stationären Versorgung. Er betonte: „Für die nötigen Schritte besteht eine hohe Veränderungsbereitschaft bei den Kliniken.“
Die Politik sei gefragt, um Perspektiven aufzuzeigen und den Transformationsprozess zu unterstützen. Statt dessen werde die geleistete Arbeit der Kliniken immer wieder schlecht dargestellt. Ein Vorschaltgesetz sei dringend nötig, genauso wie ein Referentenentwurf für das Krankenhausstrukturgesetz. An die Adresse des Bundesgesundheitsminister richtete Weber eine klare Warnung: „Sie sehen sich am Vorabend eines Krankenhaussterbens, aber Sie handeln nicht.“
Kritik am Transparenzgesetz
Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), sah die Lage ähnlich. Die finanzielle Situation sei bei 60 Prozent der deutschen Kliniken so schlecht, dass sie selbst Weihnachtsgelder nicht mehr ohne Unterstützung zahlen könnten. Das im Oktober beschlossene Transparenzgesetz sei keine Hilfe: „Das Transparenzgesetz wird die Bürokratie steigern und zu Höchstständen bringen.“ Es würde faktisch dazu führen, dass die Kompetenz- und Planungshoheit der Länder ausgehebelt werde.
Kritik am Transparenzgesetz kam auch von Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands. Das Gesetz sei vom Bundestag entgegen aller gut begründeten Kritik beschlossen worden und nütze den Patienten kaum. Nötig seien ein Vorschaltgesetz sowie die genaue Ermittlung der Kosten einer Klinikreform.
Auch die Entbürokratisierung und die Bekämpfung des Personalmangels müssten priorisiert werden. Er wies darauf hin, dass man schon seit 2019 ein zukunftsfähiges Konzept für die deutsche Kliniklandschaft gefordert habe – bisher sei aber wenig davon im Gesetz angekommen. Durch Coronapandemie, hohe Inflationsraten, Tariferhöhungen und der seit Jahrzehnten viel zu niedrigen Förderung von Investitionen gehe es vielen Kliniken wirtschaftlich sehr schlecht.
NRW-Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann wies auf den Kostenschub durch Lohnerhöhungen hin. Dieser müsse durch die Träger der Kliniken refinanziert werden, erst dann könne man über eine Neustrukturierung sprechen. Das Transparenzgesetz sei nicht hilfreich und erschwere im Gegenteil die Arbeit der Länder. Er werde deshalb dem Gesetz nicht zustimmen.
Mehr Eigenständigkeit für die Pflege
Sabine Berninger, Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), forderte mehr Eigenständigkeit für die Pflege. Die Leitung von Primärversorgungszentren müsse auch für qualifizierte Pflegefachpersonen möglich sein. Die deutsche Pflege müsse dringend zu internationalen Standards aufschließen – das geplante Pflegestudiumsstärkungsgesetz sei ein erster Schritt.
Ein zentraler Punkt für das Gelingen der deutschen Krankenhausreform sei die Vernetzung von ambulanter und stationärer Pflege ebenso wie Reha und Langzeitpflege.
Lauerbach auf den Krankenhaustag nur zugeschaltet
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der der Veranstaltung aus dem Bundesgesundheitsministerium in Berlin zugeschaltet war, wehrte die Befürchtungen der Branche ab. Man sei bei der Reform der Kliniken immer noch im ursprünglichen Zeitplan: „Es bleibt dabei, dass wir das Gesetz in der ersten Hälfte 2024 mit den Ländern gemeinsam beschließen werden.“
2025 und 2026 würden die Bundesländer den Kliniken ihre Leistungsgruppen zuweisen, 2029 sei die Reform dann zu 100 Prozent umgesetzt. Auch die Ziele der Reform seien immer noch die gleichen: „Der ökonomische Druck muss genommen werden. Wir werden stark entbürokratisieren, wir wollen die Qualität verbessern.“ Mit diesem Ansatz könnten die Krankenhäuser als Arbeitsplatz wieder interessant werden.
Lauterbach: „Müssen für die Krankenhäuser kämpfen, die wir benötigen“
Bezüglich der finanziellen Situation wies Lauterbach darauf hin, dass der Bund bis zum Frühjahr 2024 3,2 Milliarden Euro an Energiehilfen bereitstellen werde. Außerdem würden den Krankenhäusern laut den Planungen sechs Milliarden Euro für die Pflege zusätzlich zufließen. Die Gesamtsumme beläuft sich damit laut Ministerium auf mehr als neun Milliarden Euro. Durch die Vorhaltepauschalen hätten die Kliniken außerdem eine Existenzgarantie.
Lauterbach wies Vorwürfe zurück, das Kliniksterben bewusst in Kauf zu nehmen: „Ich habe schon lange gesagt, dass uns ein Krankenhaussterben bevorsteht, aber ich habe es immer mit Bedauern gesagt.“ Auch wenn durch die Krankenhausreform einige Einrichtungen wegfallen würden, sei sie notwendig, um ein ungeordnetes Kliniksterben abzuwehren. „Wir müssen für die Krankenhäuser kämpfen, die wir benötigen.“
Im europäischen Vergleich sei Deutschland noch nicht am Ziel: „Deutschland gibt mehr für die Krankenhäuser aus als jedes andere EU-Land.“ Doch das spiegele sich aktuell noch nicht in der Qualität wieder. Es fehle an Spezialisierung, Ausstattung und Personal. Diese Strukturdefizite müssten aufgeholt werden, um mit Reformen an die europäische Spitze zu kommen.