Rechtsdepesche: Einer aktuellen Studie des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu Folge ist eine enorme Schadenteuerung bei schweren Personenschäden im Heilwesen zu verzeichnen. Woran kann man dies festmachen?
Manfred Klocke: Ich kann diese Studie nicht kritisieren. Das Ergebnis deckt sich mit unseren Wahrnehmungen aus circa 950 Haftpflichtpolicen im Krankenhausbereich. Eine repräsentative Untersuchung unserer Versicherungsbestände hat ergeben, dass ein Vergleich der Aufwendungen in den Jahren 1997–2004 und 2004–2010 einen 61 Prozent höheren Aufwand in der zweiten Periode ergeben hat. Die Anzahl der begründeten Ansprüche ist im gleichen Zeitraum allerdings nur um elf Prozent gestiegen.
Das heißt es passieren nicht mehr Fehler, aber der finanzielle Aufwand zur Regulierung der einzelnen Fälle ist deutlich teurer geworden. Dies ist auf eine patientenfreundliche Rechtsprechung, unseren staatlichen Fürsorgeanspruch, die Dimension der Schmerzensgelder, die Pflegeversorgung rund-um-die-Uhr, die zum Teil gravierenden Verdienstausfälle und die gestiegene Lebenserwartung der Geschädigten zurückzuführen. Das alles ist in Ordnung, aber wir müssen uns darüber klar werden, dass dies auch bezahlt werden muss.
Rechtsdepesche: Gibt es Überlegungen den sich anbahnenden Versicherungsnotstand zu beheben?
Klocke: Ich hoffe, dass wir keinen Versicherungsnotstand bekommen und wünsche mir, dass sich wieder ein Wettbewerb auf hohem Niveau einstellt. Ich gehe davon aus, dass in Deutschland auch wieder ein solider Markt von deutschen Versicherungsunternehmen entsteht. Ich setze mich deshalb auch dafür ein, dass wir hierzulande das Occurence-Prinzip beibehalten, das heißt mit der Police werden sämtliche Schäden abgedeckt, die in dem Versicherungsjahr eingetreten sind, egal wann der Anspruch angemeldet wird. Ausländische Versicherer interessieren sich zwar auch für den bundesdeutschen Markt, diese setzen aber weitgehend auf das Anspruchserhebungsprinizip („claims-made“), das heißt der Anspruch muss während der Vertragslaufzeit erhoben werden. Dies kann im Fall eines Versicherungswechsels problematisch werden, wenn sich keine Versicherung für diese Lücke stark macht. Tatsächlich ist diese Situation untypisch für Deutschland. Sie erschwert die Prämienkalkulation erheblich und schlägt sich letztlich ungünstig auf die Prämien nieder.
Rechtsdepesche: Mit welchen Prämiensteigerungen ist zu rechnen?
Klocke: Es kommt natürlich auf die individuellen Schadensverläufe der Häuser an. Wir rechnen mit Prämiensteigerungen zwischen 25 und 80 Prozent, im Einzelfall sogar mehr. Ich habe der Politik rückgekoppelt, dass dies zwischen 8,- und 16,- Euro pro Behandlungsfall zusätzlich bedeuten.
Rechtsdepesche: Sind bereits Auswirkungen dieses Problems in der Krankenhauslandschaft zu beobachten?
Klocke: Man muss die Relation zu den Gesamtkosten sehen. Nur wegen den steigenden Prämien wird kein Haus schließen müssen. Aber: Die Krankenhäuser haben natürlich Schwierigkeiten nach dem starren Krankenhausfinanzierungssystem solche außerordentlichen Vorgänge in den Finanzplänen abzubilden. Da sind die Politik und die Krankenkassen gefragt.
Rechtsdepesche: Der GDV ist von seiner Empfehlung abgerückt, die Anzahl der Betten bei der Prämienberechnung zu berücksichtigen. Stattdessen werden die Berechnung nach Fallzahlen oder die Veranlagung entlang des Umsatzes diskutiert. Welchen Ansatz bevorzugen Sie?
Klocke: Wir präferieren die Berechnung der Prämien nach DRGs, denn diese bilden die Risiken besser ab. Das Riskmanagement kann dementsprechend präziser gesteuert werden. Es wäre wünschenswert, wenn die Risikokosten in die DRGs einkalkuliert werden würden.
Rechtsdepesche: Wie schätzen Sie die Versicherbarkeit der Krankenhäuser für das kommende Jahr ein?
Klocke: Im Augenblick haben noch nicht alle Krankenhäuser eine neue Deckung. Ich gehe aber davon aus, dass bis zum Ende des Jahres alle Krankenhäuser versichert sein werden.
Das Interview führte Michael Schanz.