Sommerzeit ist Badezeit – aber immer häufiger kommt es dabei zu Unfällen. Nach Zahlen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sind im vergangenen Jahr in Deutschland mindestens 355 Menschen ertrunken, die meisten davon in Seen oder Flüssen. Damit ist die Zahl der Todesfälle durch Ertrinken fast 19 Prozent höher als im Vorjahr.
Badeunfälle nehmen zu
Besonders an unbewachten Badestellen können Unfälle im Wasser schnell tödlich enden. Denn wird ein Mensch leblos aus dem Wasser gezogen, reagieren andere Badegäste oft mit verständlicher Panik. Aber gerade in dieser Situation ist es entscheidend, dass jeder Einzelne weiß, welche Maßnahmen notwendig sind, damit die Überlebenschancen möglichst hoch sind.
Dr. Jan Wnent, Notarzt und Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI), nennt die zentralen Punkte, auf die es ankommt:
„In jedem Fall prüft man zunächst, ob der Patient oder die Patientin bei Bewusstsein ist und, sollte dies nicht der Fall sein, ob er oder sie atmet. Dazu dreht man die Person auf den Rücken und überstreckt ihren Kopf, indem man ihn leicht in den Nacken legt. Dann beugt man sich mit dem eigenen Gesicht nahe an ihr Gesicht und blickt dabei selbst in Richtung ihrer Füße. So kann man zum einen hören, ob der Verunglückte atmet, zum anderen erkennen, ob sich der Brustkorb hebt und senkt.
Außerdem fühlt man durch die Nähe zum Gesicht auch den Atemstoß an der eigenen Wange. Atmet der Patient normal, so sollten die Atemstöße regelmäßig und relativ tief sein.
Dann legt man ihn in die stabile Seitenlage. Nicht normal ist hingegen eine ganz flache, oberflächliche und unregelmäßige Atmung, die sogenannte Schnappatmung – diese ist im Zusammenhang mit Bewusstlosigkeit ein Zeichen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Dann beginnt man sofort mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. Das gilt ebenso, wenn der Patient oder die Patientin gar nicht atmet und nicht bei Bewusstsein ist.“
Herzdruckmassage allein bei Badeunfällen nicht ausreichend
Gerade an Wiederbelebungsmaßnahmen – also Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung – trauen sich Laien oft nicht heran. Zu groß ist die Angst, unfreiwillig Schaden anzurichten. Dr. Wnent rät, die Person in Rückenlage auf eine harte Unterlage zu legen: „Dann platziert man selbst den Handballen der einen Hand auf dem Brustbein des Patienten in der Mitte des Brustkorbes.
Die andere Hand ist über der ersten Hand. Man drückt dann den Brustkorb fünf bis sechs Zentimeter nach unten. Die Frequenz sollte dabei bei 100 bis 120 liegen. Was man beachten muss: Badeunfälle gehen häufig mit einem akuten Sauerstoffmangel einher. Wenn man es sich zutraut, sollte man denjenigen daher auch beatmen.“
Ganz wichtig: Oft heißt es beim Thema Reanimation, die reine Herzdruckmassage sei ausreichend. Laut Dr. Wnent trifft das bei Ertrinkenden nicht zu: „Das stimmt für andere Fälle. Aber durch den Sauerstoffmangel ist eine Beatmung in diesem Fall wirklich wichtig. Auch hierbei überstreckt man wieder den Kopf, legt eine Hand auf die Stirn und kann mit dieser gleichzeitig mit Daumen und Zeigefinger die Nase des Bewusstlosen zuhalten.
Die andere Hand liegt unter dem Kinn. Bei der Mund-zu-Mund-Beatmung sollte man so viel an Luft abgeben, wie man selbst ausatmen würde. Das heißt, wenn man aus dem Augenwinkel sieht, dass sich der Brustkorb des Patienten hebt, ist das vollkommen ausreichend.
Jeweils zwei Beatmungen wechseln sich dann immer mit 30 Herzdruckmassagen ab. Und das muss man so lange machen, bis der Rettungsdienst eintrifft. Besser ist es, wenn mehrere Personen anwesend sind, dann kann man sich regelmäßig abwechseln.
Bei Kindern bis zum Jugendlichen-Alter fängt man immer mit fünf Initialbeatmungen an. Je nach Körperbau führt man die Herzdruckmassage außerdem nur mit einer Hand durch. Die Eindrucktiefe sollte ungefähr ein Drittel des Durchmessers des Brustkorbes sein. Das Verhältnis von Herzdruckmassagen zu Beatmungen ist in diesem Fall 15:2. Das heißt, 15 Mal drücken, dann zwei Mal beatmen.“
So können Badeunfälle vermieden werden
Zahlen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) aus dem Januar 2023 sprechen eine deutliche Sprache: 20 Prozent aller Kinder zwischen sechs und zehn Jahren konnten laut Auskunft ihrer Eltern nicht schwimmen (Stand 2022) – das sind zehn Prozent mehr als bei der letzten Datenerhebung 2017. Dazu kommt, dass viele Eltern irrtümlich glauben, dass ihr Kind schwimmen kann, wenn es das Seepferdchen hat. Dieses vermittelt allerdings nur Grundlagen: Erst mit dem Freischwimmer ist ein Kind im Schwimmen wirklich sicher.
Auch unter den Erwachsenen bezeichnete sich nur die Hälfte als gute oder sehr gute Schwimmer. Gefährlich wird das, wenn Menschen unerwartet ins Wasser geraten – zum Beispiel, indem sie beim Stand-Up-Paddling ins Wasser fallen. Denn, so Dr. Wnent: „Wenn man direkt aus der Hitze in kaltes Wasser springt, kann das gerade bei Personen, die Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen haben, sehr gefährlich sein, weil dann der Blutdruck absacken und man kurzzeitig das Bewusstsein verlieren kann.“
Die DLRG gibt folgende Tipps, um Badeunfälle zu vermeiden:
- Möglichst immer an bewachten Badestellen schwimmen gehen
- Ausgeschriebene Warnhinweise beachten
- Kleine Kinder am und im Wasser nie aus den Augen lassen
- Die eigene Leistungsfähigkeit kritisch einschätzen
- Am und im Wasser auf Alkohol verzichten
- Kopfsprünge im Ufer- und Flachwasserbereich und allgemein in unbekannten Gewässern vermeiden
Natürliche Gewässer bergen oft Risiken, die von außen nicht erkennbar sind: Im Frühsommer sind besonders Baggerseen oft noch kalt, Unterkühlung und Krämpfe können die Folge sein. In Flüssen gibt es oft starke Strömungen, auch Brückenpfeiler, Unterwasserhindernisse oder auch Fahrrinnen mit Freizeit- und Berufsschifffahrt sind gefährlich für Badende.
Achtung beim Badeurlaub am Meer: Gezeiten und nicht erkennbare Strömungen sowie starke ablandige Winde können auch gute Schwimmer in Gefahr bringen.
Quelle: DLRG, DGAI