Einem gestern vorge­leg­ten Vorschlag der EU-Kommis­sion zufolge soll die HTA-Bewer­tung von Arznei­mit­teln und Medizin­pro­duk­ten künftig auf EU-Ebene erfol­gen. HTA (Health Techno­logy Assess­ment) bezeich­net den Prozess, durch welchen medizi­ni­sche Verfah­ren und Techno­lo­gien hinsicht­lich Nutzen, Risiken und Kosten unter Berück­sich­ti­gung recht­li­cher, gesund­heit­li­cher und ethischer Aspekte bewer­tet werden. Laut dem Regelungs­vor­schlag sieht die EU-Kommis­sion vor, diesen Prozess zu zentra­li­sie­ren, sodass eine Gruppe von HTA-Exper­ten aus den Mitglied­staa­ten den Zusatz­nut­zen von Arznei­mit­teln und Medizin­pro­duk­ten bewer­tet. Aller­dings sollen ethische Fragen und die Preis­ge­stal­tung nach wie vor auf jeweils natio­na­ler Ebene erfol­gen, ledig­lich die Prüfung der Wirksam­keit und Sicher­heit von Arznei­mit­teln soll zentra­li­siert werden.

Ziel ist es unter anderem, den Zugang zu neuen und innova­ti­ven Arznei­mit­teln zu beschleu­ni­gen. Laut EU-Kommis­sion werde bei der bishe­ri­gen Vorge­hens­weise teilweise doppelte Arbeit geleis­tet, es entstün­den höhere Kosten als nötig und durch die verschie­de­nen Bewer­tungs­pro­zesse sei keine Trans­pa­renz für Patien­ten gegeben. Wird der Vorschlag reali­siert, so wären die Ergeb­nisse der EU-Bewer­tung bindend für alle Mitglied­staa­ten, eigene klini­sche Bewer­tun­gen dürften dann nicht mehr durch­ge­führt werden.

GKV und G‑BA sehen Bewer­tungs­ni­veau gefähr­det

Der Regelungs­vor­schlag stieß aller­dings auf Kritik: Der GKV-Spitzen­ver­band sowie der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G‑BA) sehen darin eine Gefähr­dung des hohen Niveaus, das man in Deutsch­land an die Bewer­tung neuer Arznei­mit­tel habe. „Zusam­men­ar­beit der EU-Mitglie­der bei der wissen­schaft­li­chen Bewer­tung von neuen Arznei­mit­teln ja, aber eine Absen­kung des Niveaus durch Verein­heit­li­chung auf einem niedri­ge­ren Standard nein“, sagte Johann-Magnus v. Stackel­berg, stell­ver­tre­ten­der Vorstands­vor­sit­zen­der des GKV-Spitzen­ver­ban­des.

Auch Prof. Josef Hecken, unpar­tei­ischer Vorsit­zen­der des G‑BA, hält am bewähr­ten System fest: „In Deutsch­land haben wir zur Beurtei­lung des tatsäch­li­chen medizi­ni­schen Zusatz­nut­zen von neuen Arznei­mit­tel eine sehr gut funktio­nie­rende Zusam­men­ar­beit zwischen einer unabhän­gi­gen wissen­schaft­li­chen Bewer­tungs­in­sti­tu­tion, dem Insti­tut für Quali­tät und Wirtschaft­lich­keit im Gesund­heits­we­sen (IQWiG), und dem G‑BA als norma­ti­vem Entschei­dungs­trä­ger.“ Zudem würde eine einheit­li­che Bewer­tung der unter­schied­li­chen Ausrich­tung der Gesund­heits­sys­teme der jewei­li­gen Länder nicht gerecht werden.

vfa: Ein Schritt nach vorne

Dem Vorschlag positiv gegen­über steht hinge­gen Birgit Fischer, Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin des Verbands der forschen­den Pharma-Unter­neh­men (vfa): „Von der jetzt begin­nen­den Debatte über europäi­sche Standards in der Nutzen­be­wer­tung kann Deutsch­land profi­tie­ren. Vor allem die engere Verzah­nung von Zulas­sungs­be­hör­den und Nutzen­be­wer­tungs­in­stan­zen im Arznei­mit­tel­sek­tor wäre ein echter Schritt nach vorne. Ein Konsens, wie Arznei­mit­tel­mit­tel­stu­dien gestal­tet sein sollten, würde allen Betei­lig­ten bei der Umset­zung helfen.“

Über den Vorschlag müssen nun das Europäi­sche Parla­ment und der Minis­ter­rat der Mitglied­staa­ten entschei­den.

Quelle: G‑BA, GKV