Haftungsfragen
Praxis­ori­en­tierte Handlungs­emp­feh­lun­gen für die Erwach­se­nen­bil­dung mit demen­zi­ell erkrank­ten Perso­nen

Im Rahmen eines von Prof. Dr. Großkopf erarbei­te­ten Rechts­gut­ach­tens, das im Auftrag der Katho­li­schen Erwach­se­nen­bil­dung Hessen e.V. und mit Mitteln des Hessi­schen Kultus­mi­nis­te­ri­ums im DeBiT-Projekt „Demenz – Bildung durch Teilhabe“ geför­dert wurde, wird nachfol­gend ein Auszug vorge­stellt, der einen Überblick über die wichtigs­ten recht­li­chen Aspekte im Spannungs­feld von Bildung, Betreu­ung und Haftung bei demen­zi­ell erkrank­ten Menschen bietet.

Grund­prin­zi­pien der Haftung

Zivil­recht­lich sind die vertrag­li­che und die delikt­i­sche Haftung zu unter­schei­den. Über den Teilnahme- oder Bildungs­ver­trag haftet die Bildungs­ein­rich­tung für Schäden aus Pflicht­ver­let­zun­gen gemäß §§ 280 ff. BGB, sofern sie die Sorgfalts­pflicht­ver­let­zung zu vertre­ten hat. Ergän­zend kommt eine delikt­i­sche Haftung nach § 823 BGB in Betracht, wenn beispiels­weise eine Verlet­zung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht zu einem Schaden führen sollte oder der fehler­haft handelnde Dozent unmit­tel­bar in Anspruch genom­men werden soll.

In den Allge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB) der Bildungs­ein­rich­tung können Haftungs­be­schrän­kun­gen aufge­nom­men werden. Aller­dings dürfen sie die Teilneh­men­den nicht unange­mes­sen benach­tei­li­gen. Für Vorsatz oder grobe Fahrläs­sig­keit ist ein Haftungs­aus­schluss generell unwirk­sam, und auch bei Verlet­zun­gen von Leben, Körper oder Gesund­heit gelten beson­dere Schutz­re­geln.

Beson­dere Pflich­ten bei Demenz­er­kran­kun­gen

In der Erwach­se­nen­bil­dung besteht in der Regel keine Aufsichts­pflicht wie in Schulen. Dennoch kann sich ein höheres Maß an Organi­sa­ti­ons- und Verkehrs­si­che­rungs­pflich­ten ergeben, wenn bekannt ist, dass eine demen­zi­ell erkrankte Person zu Stürzen, Weglauf­ten­den­zen oder aggres­si­vem Verhal­ten neigt. In diesem Fall muss die Bildungs­ein­rich­tung Maßnah­men ergrei­fen, um Gefah­ren sowohl für den Betrof­fe­nen als auch für andere Kursteil­neh­mende zu minimie­ren oder besten­falls auszu­schlie­ßen.

Für mehr Sicher­heit der demen­zi­el­len Teilneh­mer sollten Veran­stal­ter auf eine barrie­re­freie und übersicht­li­che Gestal­tung der Räume achten, um die Orien­tie­rung zu erleich­tern und poten­zi­elle Gefah­ren­quel­len zu minimie­ren. Bei erhöh­tem Betreu­ungs­be­darf – etwa bei starker Desori­en­tie­rung – können kürzere Kurszei­ten, zusätz­li­che Betreu­ungs­kräfte oder die Anwesen­heit eines Angehö­ri­gen bzw. gesetz­li­chen Vertre­ters sinnvoll sein. Versäumt es die Bildungs­ein­rich­tung, angemes­sene Vorkeh­run­gen zu treffen und kommt es zu einem Schaden, könnte hieraus eine Schadens­er­satz­pflicht resul­tie­ren.

Rolle und Haftung der Dozen­ten

Die Haftung von Dozen­ten hängt zunächst davon ab, ob sie angestellt oder freibe­ruf­lich tätig sind.

  • Angestellte Dozen­ten: Hier haftet zunächst die Bildungs­ein­rich­tung als Arbeit­ge­ber für Pflicht­ver­let­zun­gen ihrer „Erfül­lungs­ge­hil­fen“ gemäß § 278 BGB. Bei grob fahrläs­si­gem oder vorsätz­li­chem Fehlver­hal­ten des angestell­ten Dozen­ten kann dieser ggf. über § 823 BGB unmit­tel­bar oder im Rahmen des Innen­re­gres­ses gemäß § 426 Abs. 2 BGB in Anspruch genom­men werden.
  • Freibe­ruf­li­che Dozen­ten: Je nach Vertrag kann die Haftung ganz oder teilweise auf den Auftrag­neh­mer – sprich auf den Dozen­ten – überge­hen. Entschei­dend ist, welche Verant­wor­tung der Dozent konkret übernimmt – reine Vermitt­lung von Kursin­hal­ten oder auch organi­sa­to­ri­sche Pflich­ten. Voraus­set­zung ist ferner, dass die fehler­hafte Handlung des Dozen­ten ursäch­lich für den einge­tre­te­nen Schaden ist.

Dozen­ten sollten mithin die fakti­sche Aufsichts­pflicht im Blick haben: Wenn ein demen­zi­ell erkrank­ter Teilneh­mer erkenn­bar eine Gefahr für sich oder andere darstellt, erhöht sich das Maß an Sorgfalts­pflicht. Das frühzei­tige Eingrei­fen oder das Hinzu­zie­hen einer Betreu­ungs­per­son kann hier zur Schadens­ver­mei­dung entschei­dend und unerläss­lich sein.

Bedeu­tung der Gesund­heits­ein­rich­tun­gen

Gesund­heits­ein­rich­tun­gen, die demen­zi­ell erkrankte Perso­nen zu Fort- oder Weiter­bil­dun­gen schicken, tragen ebenfalls eine Verant­wor­tung. Sie sollten prüfen, ob die Teilnahme medizi­nisch vertret­bar ist und relevante Infor­ma­tio­nen an die Bildungs­ein­rich­tung weiter­ge­ben wurden. Unter­bleibt zum Beispiel die Weiter­gabe wesent­li­cher Infor­ma­tio­nen über den Zustand des demen­zi­ell erkrank­ten Kursteil­neh­mers, kann dies zur Mithaf­tung oder gar zur allei­ni­gen Haftung der Gesund­heits­ein­rich­tung führen.

Erbringt die Gesund­heits­ein­rich­tung im Rahmen der Fortbil­dung selbst medizi­ni­sche oder thera­peu­ti­sche Leistun­gen , greifen die üblichen Regeln zur Haftung bei Behand­lungs­feh­lern oder Verlet­zung fachli­cher Sorgfalts­pflich­ten. Empfeh­lens­wert sind daher klare vertrag­li­che Regelun­gen, in der insbe­son­dere Zustän­dig­kei­ten und daraus resul­tie­rende Haftungs­fra­gen präzise festge­legt sind.

Praxis­tipps zur Haftungs­mi­ni­mie­rung

  • Trans­pa­rente Teilnah­me­be­din­gun­gen: Etwaige Risiken und Pflich­ten sollten frühzei­tig kommu­ni­ziert und schrift­lich festge­hal­ten werden.
  • Frühzei­tige Abspra­che: Bei erkenn­ba­ren kogni­ti­ven Einschrän­kun­gen ist es ratsam, die Gesund­heits­ein­rich­tung, Angehö­rige oder gesetz­li­che Vertre­ter über notwen­dige Vorkeh­run­gen zu infor­mie­ren und falls notwen­dig Betreu­ungs­per­so­nen in die Fortbil­dung mit einzu­be­zie­hen.
  • Barrie­re­freie Infra­struk­tur: Rutsch­feste Beläge, Handläufe, ausrei­chend Beleuch­tung und übersicht­li­che Wege können Unfall­ri­si­ken verrin­gern.
  • Dokumen­ta­tion: Jegli­che Vorkeh­run­gen oder Abspra­chen sollten dokumen­tiert werden, um im Ernst­fall belegen zu können, dass alle notwen­di­gen Maßnah­men ergrif­fen wurden und im klarzu­stel­len „Wer, welche Verant­wor­tung trägt“.
  • Haftungs­be­schrän­kun­gen: Recht­lich zuläs­sige Klauseln in AGB oder Verträ­gen können das Risiko für die Bildungs­ein­rich­tung verrin­gern. Dennoch darf eine solche Beschrän­kung weder gegen gesetz­li­che Vorschrif­ten versto­ßen noch grobes fahrläs­si­ges oder vorsätz­li­ches Verhal­ten ausschlie­ßen .

Durch voraus­schau­ende Planung, klare Abspra­chen und gezielte Gefah­ren­prä­ven­tion können Bildungs­ein­rich­tun­gen, Dozen­ten und Gesund­heits­ein­rich­tun­gen gemein­sam ein siche­res und unter­stüt­zen­des Umfeld für demen­zi­ell erkrankte Teilneh­mer schaf­fen. Hierdurch leisten sie nicht nur einen entschei­den­den Beitrag zur Teilhabe demen­zi­ell erkrank­ter Menschen am gesell­schaft­li­chen Leben, sondern tragen zugleich zur Reduzie­rung von Schadens­ri­si­ken und den daraus resul­tie­ren­den Haftungs­sze­na­rien bei.