(v.l.n.r.): Björn Jäger, Wundexperte und Pfleger in der Justizvollzugsanstalt im emsländischen Lingen; Anita Mysor, freiberufliche, akademische Wundmanagerin und Dozentin; Prof. Dr. Joachim Dissemond, Professor für Dermatologie und Venerologie am Uniklinikum Essen und Vorstandsmitglied der Initiative Chronische Wunden (ICW)
(v.l.n.r.): Björn Jäger, Wundex­perte und Pfleger in der Justiz­voll­zugs­an­stalt im emslän­di­schen Lingen; Anita Mysor, freibe­ruf­li­che, akade­mi­sche Wundma­na­ge­rin und Dozen­tin; Prof. Dr. Joachim Disse­mond, Profes­sor für Derma­to­lo­gie und Venero­lo­gie am Unikli­ni­kum Essen und Vorstands­mit­glied der Initia­tive Chroni­sche Wunden (ICW) Bild: Stefan Kuhn

Wie erkennt man eine infekt­ge­fähr­dete bzw. infizierte Wunde, welchen Heraus­for­de­run­gen stellt sich eine ambulante Wundver­sor­ge­rin in ihrem Alltag und ist es möglich, Menschen mit chroni­schen Wunden ein Stück Lebens­qua­li­tät zurück­zu­ge­ben? Spannen­den Vorträ­gen rund um diese Fragen durften Teilneh­mer des vergan­ge­nen Inter­dis­zi­pli­nä­ren WundCon­gres­ses (IWC) 2018 in dem Sympo­sium des Medizin­pro­dukte­her­stel­lers Lohmann & Rauscher (L&R) mit dem program­ma­ti­schen Titel „Aus der Praxis für die Praxis – es geht weiter“ lauschen.

Nicht umsonst war der Vortrags­raum bis auf den letzten Stuhl besetzt, denn die Teilneh­mer wissen um die Proble­ma­ti­ken, die sich bei der Behand­lung von chroni­schen Wunden und der Entschei­dung für die richtige Wundthe­ra­pie ergeben. Eine grund­le­gende Frage, die sich dabei stellt: Ist die Wunde infekt­ge­fähr­det bzw. infiziert? Häufig ist zu schnell eine Antibio­ti­ka­the­ra­pie erstes Mittel der Wahl bei vermeint­lich infekt­ge­fähr­de­ten Wunden. Zwar gibt es dabei nicht immer ein „schwarz oder weiß“, dennoch ist eine diffe­ren­zierte Analyse von Wunden und Risiko­wun­den durch­aus möglich.

Wie man eine infekt­ge­fähr­dete bzw. infizierte Wunde erkennt, hat deshalb Prof. Dr. Joachim Disse­mond, Profes­sor für Derma­to­lo­gie und Venero­lo­gie am Unikli­ni­kum Essen und Vorstands­mit­glied der Initia­tive Chroni­sche Wunden (ICW), den Teilneh­mern des Satel­li­ten-Sympo­si­ums näher gebracht und ihnen dazu den sogenann­ten W.A.R. Score an die Hang gegeben. Um eine Wunde als „W.A.R.“ (Wound At Risk), also als infekt­ge­fähr­det einzu­stu­fen, fehlte es an objek­ti­ven Krite­rien. Der Score versteht sich als praxis­ori­en­tierte Exper­ten­emp­feh­lung und soll helfen, eine solche Wunde zu identi­fi­zie­ren und dementspre­chend einen zielge­rich­te­ten Einsatz antimi­kro­biel­ler Thera­pien zu ermög­li­chen. Aufge­baut ist er wie ein Frage­bo­gen, bei dem die indivi­du­elle Wundsi­tua­tion des Patien­ten aufge­nom­men und mittels eines Punkte­sys­tems bewer­tet wird – ab drei Punkten besteht eine Indika­tion für eine antimi­kro­bielle Thera­pie. Entwi­ckelt wurde der W.A.R. Score von einem Exper­ten­gre­mium aus insge­samt sechs Ländern.

Vom Alltag einer Wundma­na­ge­rin und eines Pflegers in der Justiz­voll­zugs­an­stalt

Wie schwie­rig es jedes Mal ist, zu entschei­den, welche Wundthe­ra­pie die richtige für den jewei­li­gen Patien­ten ist, weiß auch Anita Mysor. Die freibe­ruf­li­che, akade­mi­sche Wundma­na­ge­rin und Dozen­tin am Nieder­rhein sowie in Berlin und Umgebung hat den Sympo­sium-Teilneh­mern unver­blümt und greif­bar von ihren Heraus­for­de­run­gen im Alltag der ambulan­ten Wundver­sor­gung berich­tet. Oftmals erhalte sie von ärztli­cher Seite zu schlichte Infor­ma­tio­nen zur Wundsi­tua­tion der Patien­ten. Dabei benötige sie eine eindeu­tige Diagnose, um für eine adäquate Wundbe­hand­lung sorgen zu können. Die Wundma­na­ge­rin ist hierbei oftmals auf sich allein gestellt, obwohl die Beurtei­lung von Ursache und Ausmaß der Wunde eigent­lich nicht primär in ihrem Verant­wor­tungs­be­reich liegt.

Dabei ist die richtige Thera­pie­wahl bei chroni­schen Wunden enorm wichtig. Nicht nur für eine erfolg­rei­che Wundbe­hand­lung, sondern letzt­lich auch, um den Patien­ten ein Stück Lebens­qua­li­tät wieder­ge­ben zu können, ist Björn Jäger, Wundex­perte und Pfleger in der Justiz­voll­zugs­an­stalt im emslän­di­schen Lingen, überzeugt. Gerade Menschen, die aufgrund von chronisch venöser Insuf­fi­zi­enz an Unter­schen­kel­ge­schwü­ren leiden, müssen viele Einbu­ßen in ihrer Lebens­qua­li­tät machen. Durch die Schmer­zen, die psychi­sche Belas­tung, die Neben­wir­kun­gen der Schmerz­mit­tel sowie durch den oft starken Geruch der offenen Wunde isolie­ren sich Betrof­fene oftmals zusehends aus dem aktiven Leben. Um das zu verhin­dern, ist bei Menschen mit einem Ulcus cruris venosum eine Kompres­si­ons­the­ra­pie unumgäng­lich, betonte Jäger in seinem Vortrag. Mithilfe der Kompres­si­ons­the­ra­pie ist es ihm schon häufig gelun­gen seinen Patien­ten Lebens­qua­li­tät zurück­zu­ge­ben – in seinem Fall als Pfleger in der Justiz­voll­zugs­an­stalt oftmals drogen­ab­hän­gige Menschen, die aufgrund des Drogen­kon­sums oder beispiels­weise wegen des Versuchs, ein Tattoo wegzu­krat­zen, unter entspre­chen­den offenen Wunden leiden.