Bislang gehört Italien zu denjenigen europäischen Ländern, die das Thema Sterbehilfe eher restriktiv behandeln. Doch das wird sich wahrscheinlich bald ändern: Die Regierung plant, Beihilfe zum Suizid zu legalisieren.
Wie das Deutsche Ärzteblatt meldet, strebt Gesundheitsminister Roberto Speranza eine entsprechende Vereinbarung mit den 20 italienischen Regionen an, die sich ganz grob mit Bundesländern vergleichen lassen. Es sei das Ziel, Rechtssicherheit für Begleitpersonen von Sterbewilligen zu schaffen. „Ich persönlich bin seit langem von der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme in dieser Angelegenheit überzeugt“, wird der Politiker zitiert.
Für den Suizid in die Schweiz: Begleitperson wurde angeklagt – Kritik der Kirche an Neuregelung
Die aktuelle Initiative hat im Wesentlichen zwei Auslöser: Bereits im November 2019 erklärte das italienische Verfassungsgericht den Gesetzesparagrafen 580 des Strafgesetzbuches, der Suizid-Beihilfe kriminalisierte, für verfassungswidrig. Im konkreten Fall war es um Sterbehilfe für einen Mann gegangen, der 2014 bei einem Verkehrsunfall schwerste körperliche Behinderungen davongetragen hatte. Unter anderem konnte er nicht mehr selbstständig atmen, essen und ausscheiden. Jedoch war er weiterhin im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.
Nachdem sich sein Zustand über die Jahre weiter verschlechtert hatte, beschloss er, seinem Leben ein Ende zu setzen. Hierfür nahm er die Dienste eines Sterbehilfe-Vereins in der Schweiz in Anspruch, wo er Ende Februar 2017 Suizid beging. Daraufhin wurde die Begleitperson angeklagt, die ihn mit ihrem Auto ins Nachbarland transportiert hatte, um dessen Sterbewunsch zu ermöglichen. Diese reichte letztendlich Verfassungsbeschwerde ein.
Ein weiterer schlagzeilenträchtiger Fall ist jener eines 43-Jährigen Mannes, der vor rund zehn Jahren ebenfalls bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden war und seitdem bettlägerig ist. „Ich möchte in Würde sterben, bitte lassen Sie mich jetzt gehen“, schrieb er in einem Brief an den Gesundheitsminister. Seinen Antrag auf einen medizinisch assistierten Suizid hatte 2020 die lokale Gesundheitsbehörde abgewiesen. Vor einigen Monaten entscheid ein Gericht in Ancona jedoch, dass man den Antrag abermals prüfen müsse.
Die katholische Kirche protestiert gegen die Pläne des Ministers. Das Empfinden der Mehrheitsgesellschaft sei geprägt von einer „jugendlichen und gesunden Vorstellung, auf deren Grundlage alles, was nicht einem bestimmten Wohlbefinden und einer bestimmten Vorstellung von Gesundheit entspricht, ausgestoßen wird“, so Erzbischof Vincenco Paglia zu Radio Vatikan. Seiner Meinung nach drohe, dass sich Euthanasie verbreite, und – mit Blick auf nicht gesund zur Welt gekommene Neugeborene – sogar eine „neue Form der Eugenik“, betonte Paglia.
Stark unterschiedliche Rechtslage in Europa – Verschiedene Formen der Sterbehilfe
Neben der derzeit – nach dem Verfassungsgericht-Entscheid – unklaren Rechtslage in Italien ist die bloße Beihilfe zum Suizid derzeit in Dänemark, Norwegen, Irland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Portugal, Griechenland, Polen, Slowenien und Ungarn strafbar. In Deutschland hingegen ist sie erlaubt. Der 2015 neu gefasste Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs verbot bis Anfang 2020 lediglich „geschäftsmäßige Suizidbehilfe“ durch kommerzielle Anbieter.
Am 26. Februar 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass auch diese Regelung verfassungswidrig sei. Damit man lediglich von einer Beihilfe zum Suizid sprechen kann, ist es wichtig, dass Sterbewillige den letzten Schritt – etwa die Einnahme der letal wirkenden Substanz – selbstständig durchführen.
Neben der Beihilfe zum Suizid sind auch passive Sterbehilfe (Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen auf ausdrücklichen Patientenwunsch hin) sowie indirekte Sterbehilfe (palliativ-medizinische Maßnahmen etwa zur Schmerzlinderung, die sich lebensverkürzend auswirken können) in Deutschland erlaubt. Klar untersagt ist jedoch die aktive Sterbehilfe, also etwa das Verabreichen des Medikaments oder das Setzen der tödlichen Injektion. Dies wird laut Paragraf 216 des Strafgesetzbuchs als „Tötung auf Verlangen“ sanktioniert.
Auf der anderen Seite des Spektrums haben die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Spanien die liberalsten Regelungen zur Sterbehilfe in Europa. Dort ist auch aktive Sterbehilfe legalisiert. Voraussetzung ist jeweils eine ausdrückliche und klar dokumentierte Willenserklärung der sterbewilligen Person.