Müdigkeit, Nervosität und Konzentrationsschwächen sind allseits bekannte Nebenwirkungen des Schichtdienstes. Kann eine Pflegekraft ihren Einsatz im Nachtdienst verweigern, wenn sie aufgrund ihres schichtdienstlichen Einsatzes an gesundheitlichen Störungen leidet?
Nachtdienst schädlich, aber notwendig
In der Tat gibt es zahlreiche epidemiologische Studien, die hinreichende Anhaltspunkte für eine ursächliche Beteiligung von Schichtarbeit an Kreislauferkrankungen und psychische Erkrankungen geben. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat im Jahr 2007 Schichtarbeit mit zirkadianer Disruption beziehungsweise Chronodisruption sogar als wahrscheinliches Humankarzinogen eingestuft.[1]
Einige Jahre zuvor hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Nachtarbeit ist grundsätzlich für jeden Menschen schädlich. Sie führt zu Schlaflosigkeit, Appetitstörungen, Störungen des Magen-Darm-Traktes, erhöhter Nervosität und Reizbarkeit sowie zur Herabsetzung der Leistungsfähigkeit“ (Az.: 1 BvR 1025/82).
Dennoch ist und bleibt der Nacht- und Schichtdienst im Gesundheitsdienst unverzichtbar, da diese speziellen Dienstleistungen rund um die Uhr abrufbar sein müssen. Die Nachtdiensttätigkeit ist nach einhelliger Meinung aus den pflegerischen Berufsbildern nicht wegzudenken, ohne sie ist die geforderte Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Patienten nicht sicherzustellen. Ein pauschal-individuelles Recht der Arbeitsverweigerung wird daher dem einzelnen Arbeitnehmer nicht zugebilligt. Der Gesetzgeber hat allerdings die Balance zwischen der Notwendigkeit der Patientenversorgung und dem Schutz der betroffenen Arbeitnehmer auch für den Gesundheitsdienst im Arbeitszeitgesetz zu regulieren versucht.
Wann ist eine Umsetzung in den Tagdienst begründet?
Gemäß § 6 Absatz 1 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeiten in der Nachtzeitspanne zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. In diesem Sinne sind Nachtarbeitnehmer gemäß § 6 Absatz 3 ArbZG berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Abständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch auf ihre Nachdiensttauglichkeit untersuchen zu lassen. Ob dem betroffenen Arbeitnehmer dann ein sogenannter „Umsetzungsanspruch“ auf einen geeigneten Tagesarbeitsplatz zusteht, richtet sich an § 6 Absatz 4 ArbZG aus.
Diese Vorschrift zählt drei Fallgestaltungen auf, nach denen eine Umsetzung in den Tagdienst begründet sein kann. In Betracht kommt die Verpflichtung des Arbeitgebers, wenn die weitere Verrichtung der Nachtarbeit den Arbeitnehmer konkret in seiner Gesundheit gefährdet. Daneben kann ein Nachtarbeitnehmer einen Tagesarbeitsplatz verlangen, wenn in seinem Haushalt ein Kind von unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann. Schließlich kann ein Umsetzungsverlangen auch darauf gestützt werden, wenn ein schwer-pflegebedürftiger Angehöriger im Haushalt versorgt werden muss.
Die Pflicht des Arbeitgebers kann allerdings dann entfallen, wenn aus dringenden betrieblichen Erfordernissen kein geeigneter Tagesarbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Mit dem Blick auf das Kriterium der Gesundheitsbeeinträchtigung hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 einer nachtdienstuntauglichen Krankenschwester den Beschäftigungsanspruch im Tagdienst zuerkannt (Az.: 10 AZR 637/13). Das Krankenhaus konnte sich nicht darauf berufen, dass seine übrigen Arbeitnehmer allesamt im Schichtdienst tätig sind, weshalb auch grundsätzlich von den Pflegekräften Schichtdienst‑, insbesondere Nachtdiensttauglichkeit abverlangt werden würde. Vielmehr musste das Krankenhaus sein Weisungsrecht so ausüben, dass für die betreffende Krankenschwester keine Nachtdienste anfallen.
Redaktionstipp: Müde im Nachtdienst? Wir haben einige interessante Tipps und Tricks herausgearbeitet, mit denen man fit und ausgeruht durch die Nachtschichten kommen kann.
Quellen:
- Erren T, Falaturi P, Morfeld P, Knauth P, Reiter RJ, Piekarski C (2010): „Schichtarbeit und Krebs – Hintergründe und Herausforderungen.“ In: Dtsch Arztebl Int 107(38), S. 657–662.