Gleichzeitig haben sich in den Krankenhäusern, besonders auf den Intensivstationen und in den Alten- und Pflegeeinrichtungen, die Arbeitsanfälle stark verdichtet. Diese Doppelbelastung erschwert den Sicherstellungsauftrag der Arbeitgeber. Regelmäßige Überstunden, Urlaubssperren oder Rückrufe aus dem Urlaub zählen mitunter zu den arbeitgeberseitigen Maßnahmen, um die Behandlungsabläufe mit dem zur Verfügung stehenden Personalstamm sicherstellen zu können. Dabei setzt das Arbeitsrecht jedoch eindeutige Schranken.
Überstunden
In Sachen Überstunden-Anordnung gilt grundsätzlich: Der Arbeitnehmer schuldet den Umfang der Arbeit, der vertraglich vereinbart worden ist. Überstunden werden dann geleistet, wenn über den für das Beschäftigtenverhältnis vereinbarten Zeitrahmen hinaus gearbeitet wird. Ausgehend von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes gilt daher diejenige Arbeitszeit als Überstunde, die die für das Arbeitsverhältnis geltende regelmäßige tarifliche, betriebliche oder einzelvertragliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschreitet.
Der Arbeitgeber ist allerdings nicht alleine aufgrund seines Weisungsrechts berechtigt, den Arbeitnehmer zu Überstunden heranzuziehen. Könnte er dies, wäre es ihm ohne Weiteres möglich, die Arbeitszeit als wesentlichen Bestandteil des Arbeitsvertrages nach seinen Vorstellungen zu verändern. Die Verpflichtung zur Erbringung von Überstunden muss daher, sofern keine kollektivrechtlichen Regelungen vorliegen, im Arbeitsvertrag wirksam vereinbart worden sein. Derartige Überstunden-Absprachen sind für die meisten Arbeitsverhältnisse in den Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen oder Individualverträgen für die Gesundheitsberufe getroffen.
Leistung von Überstunden als arbeitsvertragliche Nebenpflicht in Notfallsituationen
Sollte ausnahmsweise eine solche Regelung nicht vorhanden sein, kann im Fall der COVID-19-Sondersituation die Leistung von Überstunden aber auch als arbeitsvertragliche Nebenpflicht abgeleitet werden, weil dem Arbeitgeber (und den Patienten) durch die Personalengpässe ein Schaden droht, der auf andere Weise als durch Überstunden nicht abgewendet werden kann. In Einrichtungen mit einer Personalvertretung, ist diese bei der Anordnung von Überstunden zu beteiligen. Mit dem Blick auf den Umfang der Arbeitszeit plus Überstunden sind grundsätzlich die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Die Tageshöchstarbeitszeit beträgt in der Regel 10 Stunden (vgl. § 3 ArbZG), die Grenzen der Ruhezeiten liegen regelmäßig bei 11 Stunden täglich (vgl. § 5 Absatz 1 ArbZG).
Allerdings eröffnet § 14 ArbZG in Notfällen und anderen außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen des Arbeitgebers eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, vorübergehend Abweichungsmöglichkeiten. Eine Pandemie stellt für die Gesundheitseinrichtungen einen solchen Notfall dar, sodass zunächst die Grenze von 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten für die betroffenen Arbeitnehmer gilt.
Überdies eröffnet § 14 Absatz 4 ArbZG dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (ohne Zustimmung des Bundesrates) in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) die Möglichkeit, für Tätigkeiten die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder der Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sind, weitergehende Abweichungen von der Höchstarbeitszeitgrenze, wenn diese im öffentlichen Interesse dringend nötig werden (beachte: § 15 Absatz 2 ArbZG).
Sperre und Rückruf aus dem Urlaub
In einer vergleichbaren Wertung wirkt die epidemiologische Notlage auch auf die Fragestellungen rund um den Urlaub ein. Soweit die Ebenen der Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen keine relevanten Regelungen vorsehen (vgl. § 13 Bundesurlaubsgesetz BUrlG), sind die urlaubsrechtlichen Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zu beurteilen. Bezogen auf die (mitbestimmungspflichtige) Urlaubssperre rechtfertigen gemäß § 7 Absatz 1 BUrlG dringende betriebliche Gründe die Verweigerung der Genehmigung von Urlaubstagen vorübergehend. Wurde der Urlaub bereits genehmigt, kann dies ebenfalls nur in Notfällen rückgängig gemacht werden, und nur wenn keine andere Möglichkeit besteht, den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Die Rückholung eines Mitarbeiters aus dem bereits angetretenen Urlaub ist prinzipiell nicht zulässig – außer der Arbeitnehmer folgt der Bitte des Vorgesetzten freiwillig. Etwaig anfallende Kosten für die Rückreise und das Storno von Hotelübernachtungen oder Flügen können sowohl bei dem Widerruf bereits genehmigten Urlaubs als auch bei dem Rückruf aus dem Urlaub dem Arbeitgeber zur Last fallen.
In allen drei Fällen müssen die Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Allerdings erfährt die Interessenlage der Arbeitgeber im Gesundheitswesen in den Zeiten der Corona-Krise tendenziell eine Aufwertung gegenüber den Individualinteressen der Arbeitnehmer im Gesundheitsdienst.