Etwa 17 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in Schichtarbeit, davon rund 3,5 Millionen in regelmäßiger Nachtarbeit.
Etwa 17 Millio­nen Menschen in Deutsch­land arbei­ten in Schicht­ar­beit, davon rund 3,5 Millio­nen in regel­mä­ßi­ger Nacht­ar­beit. Bild: Elnur/Dreamstime.com

Es ist sieben Uhr in der Frühe, wir wachen mit der langsam aufge­hen­den Sonne und Tages­licht auf, etwa einein­halb Stunden später begeben wir uns auf unsere Arbeit, verbrin­gen dort im Durch­schnitt acht Stunden, anschlie­ßend wird man in den Feier­abend entlas­sen und hat Zeit für alltäg­li­che Erledi­gun­gen, Freizeit und Familie. So in etwa sieht der Alltag vieler Arbei­ten­den in Deutsch­land aus, und das schon seit 100 Jahren. Denn 1918 wurde erstmals und offizi­ell der Achtstun­den­tag hierzu­lande einge­führt. Dieser geht zurück auf die Devise „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und Erholung und acht Stunden Schlaf“ des walisi­schen Unter­neh­mers und Sozial­re­for­mers Robert Owen.

Anders sieht es hinge­gen bei einer Vielzahl von Menschen aus, die im Schicht­dienst arbei­ten, wie etwa Pflege­kräfte oder andere Fachkräfte aus dem Gesund­heits­we­sen. Es ist sechs Uhr morgens, die Frühschicht hat begon­nen. Gegen 14:00 Uhr endet die Schicht, während andere gerade ihre Mittags­pause machen werden Frühschicht­ar­bei­ter in den Feier­abend entlas­sen. Nach Robert Owen hätte man nun bis 22:00 Uhr Freizeit, würde anschlie­ßend schla­fen und am nächs­ten Tag beginnt das gleiche Spiel. Doch hier liegt der Haken an der Schicht­ar­beit, denn durch einen ständi­gen Wechsel von Früh‑, Spät- und Nacht­schich­ten entsteht kein einheit­li­cher Rhyth­mus.

Gerade bei Nacht­schich­ten arbei­tet man extrem entge­gen der inneren Uhr und entge­gen dem Tag-Nacht-Rhyth­mus – dabei ist gerade das Tages­licht eines der wichtigs­ten Taktge­ber für unsere Wach- und Schlaf­pha­sen. Man nennt es den biolo­gi­schen zirka­dia­nen Rhyth­mus, durch den unser Körper sich inner­halb von einer 24-Stunden-Periode an die jewei­lige Tages­zeit anpasst.

3,5 Millio­nen Menschen arbei­ten regel­mä­ßig in Nacht­ar­beit

Etwa 17 Millio­nen Menschen in Deutsch­land arbei­ten in Schicht­diens­ten, davon 3,5 Millio­nen in regel­mä­ßi­ger Nacht­ar­beit, so die Angaben auf der Seite der Arbeits­ge­mein­schaft der Wissen­schaft­li­chen Medizi­ni­schen Fachge­sell­schaf­ten (AWMF). Ob der Mensch sich an ständig wechselnde Schich­ten in Gänze anpas­sen kann, wird von Wissen­schaft­lern unter­schied­lich einge­schätzt. Einige gehen davon aus, dass es etwa drei Jahre zur Anpas­sung an den unregel­mä­ßi­gen Schlaf- und Wachrhyth­mus dauert.

Andere wiederum sagen, dass sich der Körper niemals daran gewöh­nen wird. Heißt das nun, dass all diese Menschen sich niemals an die ständig wechseln­den Arbeits­schich­ten gewöh­nen werden, mit einem „gestör­ten“ Biorhyth­mus und Schlaf­pro­ble­men leben müssen? – Nicht ganz, denn schließ­lich gibt es eine Reihe von nützli­chen Ratschlä­gen und hilfrei­chen Tipps, die das Arbei­ten in Schich­ten erleich­tern und sich positiv auf das Schlaf­ver­hal­ten auswir­ken.

Grund­sätz­lich sollte sich jeder Schicht­ar­bei­tende mit Maßnah­men zur Optimie­rung und Anpas­sung des eigenen Schlaf­ver­hal­tens befas­sen, um zum einen die gewünschte Leistungs­fä­hig­keit aufbrin­gen zu können und um zum anderen der eigenen Gesund­heit einen Gefal­len zu tun.

Wie gelingt es mir, die Schicht­ar­beit in meinem Leben erfolg­reich zu integrie­ren?

In der Regel tritt zwischen zwei und fünf Uhr morgens die größte Müdig­keit ein und das ändert sich unter Umstän­den selbst nach jahre­lan­ger Gewöh­nung an Nacht­schich­ten nicht. Letzt­lich ist es aber immer eine Frage des Willens wie gut man mit dem Schicht­dienst zurecht kommt, denn der Mensch ist durch­aus in der Lage die innere Uhr zu ignorie­ren. Um die Schicht­ar­beit also erfolg­reich in sein Leben zu integrie­ren, ist es wichtig, dass man sie vollstän­dig akzep­tiert. Schließ­lich hat das Arbei­ten in Schich­ten auch Vorteile, wenn es beispiels­weise um die Wahrneh­mung von Arztter­mi­nen am Vormit­tag geht.

Morgen steht eine Nacht­schicht an. Worauf sollte ich beim Tagschlaf achten?

Steht Nacht­dienst bevor, muss der Schlaf gezwun­ge­ner­ma­ßen am Tag erfol­gen. Man sagt, dass sich der Tagschlaf gegen­über dem Nacht­schlaf um etwa zwei Stunden verkürzt. Zudem durch­läuft man weniger Tiefschlaf­pha­sen, die für die Erholung eigent­lich so wichtig sind. Daher gilt für den Tagschlaf, diesen so gut wie möglich wie den Nacht­schlaf zu gestal­ten – heißt: Der Schlaf­raum muss verdun­kelt, Alltags­lärm und sonstige Störge­räu­sche sollten vermie­den bzw. abgestellt und die Raumtem­pe­re­taur sollte niedrig gehal­ten werden, da es nachts schließ­lich auch tenden­zi­ell kühler ist. Wenn möglich, empfiehlt es sich also, einen zur Nordseite gelege­nen Raum als Schlaf­zim­mer auszu­wäh­len.

Ist es möglich, vor- bzw. nachzu­schla­fen?

Generell sollte versucht werden, einen geregel­ten und ungestör­ten Schlaf­rhyth­mus zu pflegen, sodass idealer­weise kein Vor- bzw. Nachschla­fen nötig ist. In der Reali­tät gelingt das aber natür­lich nicht immer. Daher ist es gut zu wissen, dass man zwar durch­aus Schlaf nachho­len kann, Schla­fen auf Reserve im Vorhin­ein funktio­niert hinge­gen nicht. Wenn also ein Schlaf­de­fi­zit nach mehre­ren Nacht­schich­ten aufge­baut wurde, kann bzw. sollte man im Anschluss ausrei­chend und erhol­sam Schlaf nachho­len.

Grund­sätz­lich sollte man jedoch versu­chen, feste Schlaf­zei­ten einzu­hal­ten. Falls mit einem selbst und seinem sozia­len Umfeld verein­bar, ist es für perma­nente Nacht­schicht­ar­bei­ter sogar ratsam, selbst an den freien Tagen den Tagschlaf-Rhyth­mus einzu­hal­ten.

Ein Tipp für Wechsel­schicht­ar­bei­ter: Verle­gen Sie Ihre Schlaf- und Wachpha­sen bereits in den letzten Tagen der jewei­li­gen Schicht um ein bis zwei Stunden, sodass sich der Körper allmäh­lich an die darauf folgende Schicht­phase einstel­len kann.

Verhel­fen „Power-Naps“ zu einer erhöh­ten Leistungs­fä­hig­keit oder ist das ein Mythos?

Zwar ist das Schla­fen am Stück gesün­der, trotz­dem verhel­fen „Power-Naps“, also kurze Nicker­chen für zehn bis 20 Minuten, zu einer Steige­rung der Leistungs­fä­hig­keit. Diese sollten aber nicht während, sondern ausschi­leß­lich vor der jewei­li­gen Schicht einge­legt werden, wenn der Schlaf zuvor nicht erhol­sam genug war. Etwa 15 Minuten bis eine Stunde nach einem „Power-Nap“ kann es passie­ren, dass der Körper träge wird und sich auf einen Ruhezu­stand einstellt.

Welche gesund­heit­li­chen und sicher­heits­be­zo­ge­nen Auswir­kun­gen hat Schicht­ar­beit?

Müdig­keit ist kein zu unter­schät­zen­der Zustand. Laut Studien erhöht sich das generelle Unfall­ri­siko in Spätschich­ten um 18 Prozent und in Nacht­schich­ten sogar um 30 Prozent gegen­über dem Unfall­ri­siko in Frühschich­ten. Auch im Straßen­ver­kehr ist Schläf­rig­keit die Ursache für eine Vielzahl von Unfäl­len. Bei Müdig­keit schwin­det die Konzen­tra­tion, die Leistungs­fä­hig­keit sinkt, ebenso wie die motori­schen Fähig­kei­ten und auch unsere Laune leidet nicht zu selten unter dem Schlaf­man­gel.

Im Inter­esse der eigenen Gesund­heit und dem Wohl anderer sollte also für einen gesun­den Schlaf trotz Schicht­dienst gesorgt werden. Generell gelten Menschen mit Schicht­diens­ten als krank­heits­an­fäl­li­ger als andere. Natür­lich kann sich aus einem gestör­ten Schlaf-Wach-Rhyth­mus auch eine chroni­sche Schlaf­stö­rung entwi­ckeln.

Ich habe den Verdacht unter ernsten Schlaf­stö­run­gen zu leiden – was kann ich tun?

Schlaf­stö­run­gen können in verschie­de­nen Form auftre­ten. So spricht man beispiels­weise von einer Insom­nie, wenn man unter chroni­schen Ein- und Durch­schlaf­stö­run­gen leidet oder von einer akuten Insom­nie, die etwa vor wichti­gen Termi­nen oder Ereig­nis­sen auftritt.

Umgekehrt gibt es auch das Phäno­men, dass man andau­ernd ein überdurch­schnitt­li­ches Bedürf­nis nach mehr Schlaf verspürt und unter ständi­ger Müdig­keit leidet (Hyper­som­nie). Nicht zu unter­schät­zen ist die sogenannte Schlaf­apnoe, durch welche bei Betrof­fe­nen Atemaus­set­zer während des Schla­fes auftre­ten, die sogar lebens­be­droh­lich werden können.

Als weitere Schlaf­stö­run­gen sind Narko­lep­sie („Schlaf­krank­heit“) und Paras­om­nien (Schlaf­wan­deln, Alpträume) zu nennen. Neben der Tatsa­che der Ein- bzw. Durch­schlaf­stö­rung können zusätz­li­che Antriebs­lo­sig­keit, Appetit­lo­sig­keit, Reizbar­keit sowie mangelnde Konzen­tra­ti­ons­fä­hig­keit Symptome für eine Schlaf­stö­rung sein. Bei Verdacht sollte in jedem Fall ein Arzt aufge­sucht werden. Vorsicht ist bei Schlaf­mit­teln geboten – der Einsatz sollte unbedingt ärztlich bespro­chen und auch nur dann zeitlich begrenzt in Erwägung gezogen werden.

Stimmt es, dass für Arbei­tende im Schicht­dienst ein erhöh­tes Krebs­ri­siko ausgeht?

Von der Inter­na­tio­na­len Agentur für Krebs­for­schung (IARC) wurde im Jahr 2007 Schicht­ar­beit, die zirka­diane Störun­gen herbei­führt, als „wahrschein­lich krebs­er­re­gend“ einge­stuft. Dies wird mitun­ter Thema der Leitli­nie „Gesund­heit­li­che Aspekte und Gestal­tung von Nacht- und Schicht­ar­beit“ der Deutschen Gesell­schaft für Arbeits­me­di­zin und Umwelt­me­di­zin (DGAUM) sein, die derzeit aktua­li­siert und voraus­sicht­lich Ende dieses Jahres fertig­ge­stellt wird.

Worauf ist bei der Schlaf­hy­giene zu achten?

Im Bett wird nur geschla­fen, fernse­hen oder arbei­ten sollte außer­halb des Bettes gesche­hen – diese goldene Regel sollte jeder beher­zi­gen, vor allem Menschen mit Einschlaf­pro­ble­men. Auf diese Weise „erzieht“ man den Körper in den Schlaf­mo­dus zu gehen, sobald man im Bett liegt. Zusätz­lich können kleine Schlaf­ri­tuale einge­führt werden, die dem Körper signa­li­sie­ren, dass bald die Schlaf­phase beginnt (beispiels­weise kurze Entspan­nungs­übun­gen).

Worauf sollte bei der Schicht­pla­nung geach­tet werden? Wie verhelfe ich meinen Mitar­bei­tern zu einer erhöh­ten Arbeits­zu­frie­den­heit trotz des Schicht­diens­tes?

Ein Zauber­re­zept für den perfek­ten Schicht­plan gibt es sicher­lich nicht. Ohnehin ist die Erstel­lung eines Schicht­pla­nes von vielen Fakto­ren abhän­gig und dem entspre­chend komplex. Grund­sätz­lich können jedoch einige Dinge berück­sich­tigt werden.

So bietet es sich an, den Wechsel der jewei­li­gen Schich­ten an dem zirka­dia­nen Rhyth­mus zu orien­tie­ren und im Uhrzei­ger­sinn verlau­fen zu lassen. Das heißt, im besten Fall findet ein Wechsel von der Frühschicht hin zur Spät- und Nacht­schicht statt. Darüber hinaus könnten indivi­du­elle Wünsche berück­sich­tigt werden, sodass auch Schicht­ar­bei­ter beispiels­weise Hobbys nachge­hen können, die immer am gleichen Tag zur gleichen Uhrzeit statt­fin­den. Gut ausge­stat­tete Pausen­räume und eine gezielte betrieb­li­che Gesund­heits­för­de­rung können zusätz­lich zu einer gestei­ger­ten Arbeits­zu­frie­den­heit beitra­gen.

Quelle: Patien­ten­rat­ge­ber der DGSM: „Schlaf­pro­bleme bei Schicht­ar­beit“, TK: Wann ist Schicht? Tipps und Empfeh­lun­gen für Beschäf­tigte, baua