Eine intraoperative Nierenentfernung.
Die linke Niere des achtjäh­ri­gen Jungen hatte noch eine Funkti­ons­fä­hig­keit von 22 %. Bild: Adam Ciesielski/Freeimages.com

Sachver­halt

Bei dem Kläger handelt es sich um einen im Jahr 2004 in Essen gebore­nen Kläger, der an multi­plen Nieren­ge­webs­de­fek­ten sowie an einem erwei­ter­ten Nieren­be­cken­kelch­sys­tem litt. Seine Niere hatte nur noch eine Funkti­ons­fä­hig­keit von 22 %. In einem Klini­kum in Essen ließen ihn die Eltern nach Vorun­ter­su­chun­gen, Aufklä­rungs­ge­spräch und Bedenk­zeit im Jahr 2013 operie­ren.

Geplant war, eine neue Verbin­dung zwischen Nieren­be­cken und Harnlei­ter herzu­stel­len, sodass die Abfluss­ver­hält­nisse der linken Niere auf diese Weise verbes­sert werden. Während der Opera­tion zeigte sich jedoch, dass dies aufgrund von unvor­her­seh­ba­ren anato­mi­schen Gegeben­hei­ten nicht möglich war. Die Opera­tion wurde unter­bro­chen, um mit den Eltern die weitere Vorge­hens­weise zu bespre­chen. In diesem Gespräch wurde die neue Situa­tion geschil­dert und die sofor­tige Entfer­nung der Niere empfoh­len. Nach Zustim­mung der Eltern wurde genau dies so umgesetzt.

Dennoch hat der Kläger nach der Opera­tion einen Aufklä­rungs­man­gel beanstan­det und einen Schadens­er­satz in Höhe von 25.000 Euro verlangt.

Entschei­dung

Da sich während der Opera­tion eine neue Situa­tion ergeben hat, musste die Opera­tion unter­bro­chen werden, um mit den Eltern ein Aufklä­rungs­ge­spräch über die weitere Vorge­hens­weise zu führen. Dies ist so auch gesche­hen, aller­dings nicht ordnungs­ge­mäß. Die Ärztin habe die Nieren­ent­fer­nung als alter­na­tiv­los darge­stellt.

Der 3. Zivil­se­nat des Oberlan­des­ge­richts Hamm hat einen medizi­ni­schen Sachver­stän­di­gen hinzu­ge­zo­gen, demzu­folge es nicht zwingend erfor­der­lich gewesen wäre, die Niere sofort zu entfer­nen. Vorerst hätte die Opera­tion beendet werden können, um einen eventu­elle weitere Opera­tion in Ruhe mit den Eltern bespre­chen zu können. Zudem sei grund­sätz­lich auch eine nieren­er­hal­tende Opera­tion möglich gewesen, um die Restfunk­tion der Niere zu wahren – wenngleich dies die risiko­rei­chere Variante gewesen wäre.

Diese Alter­na­tive hätte den Eltern mitge­teilt werden müssen. Hinzu kommt, dass sie sich bereits in vergan­ge­nen Gesprä­chen generell gegen eine Nieren­ent­fer­nung ausge­spro­chen hatten, sodass nicht von einer hypothe­ti­schen Entschei­dung für diesen opera­ti­ven Schritt ausge­gan­gen werden kann. Viel wahrschein­li­cher ist es, dass sie sich bei Kennt­niss beider Alter­na­ti­ven sogar in einem echten Entschei­dungs­kon­flikt befun­den hätten.

Der 3. Zivil­se­nat der Oberlan­des­ge­richts Hamm hat daher in zweiter Instanz in einem rechts­kräf­ti­gen Urteil (Az.: 3 U 122/15) vom 07.12.2016 entschie­den, dass dem Kläger aufgrund eines Aufklä­rungs­man­gels ein Schmer­zens­geld in Höhe von 12.500 Euro zusteht. Somit wurde das erste Urteil des Landge­richts Essen abgeän­dert.

Quelle: OLG Hamm