Krankenhaus-Report
Ältere Patien­tin­nen und Patien­ten bedeu­ten für Klini­ken meist einen beson­ders hohen Versor­gungs­auf­wand. Das Problem: viele Kranken­haus­fälle können auch vermie­den werden. Bild: © Nyul | Dreamstime.com

Kranken­haus-Report: Anteil der über 80-Jähri­gen steigt rasant

Immer mehr Patien­tin­nen und Patien­ten in Deutsch­lands Kranken­häu­sern sind älter als 80 Jahre. Zu dem Ergeb­nis kommt der aktuelle Kranken­haus-Report des Wissen­schaft­li­chen Insti­tuts der AOK. Demnach hat der Anteil der über 80-Jähri­gen an allen Kranken­haus­fäl­len im Jahr 2023 22 Prozent betra­gen – 2005 waren es noch 13 Prozent.

Inner­halb von 20 Jahren hat sich der Anteil also fast verdop­pelt und ist dabei Jahr für Jahr konti­nu­ier­lich gestie­gen. Angesichts des demogra­fi­schen Wandels in Deutsch­land dürfte der Trend auch zukünf­tig fortbe­stehen.

Versor­gung Hochalt­ri­ger beson­ders teuer

Das Problem an dieser Entwick­lung: Gerade diese Patien­ten­gruppe sorgt in den Kranken­häu­sern für erheb­li­chen Behand­lungs­auf­wand, der entspre­chend viel Geld kostet. Laut Bericht beträgt die Kranken­haus-Verweil­dauer von über 80-Jähri­gen durch­schnitt­lich 8,1 Tage, was fast doppelt so viel ist wie bei Menschen unter 60. Das führt auch zu erheb­li­chen Kosten.

So betru­gen die durch­schnitt­li­chen Kranken­haus-Kosten bei Patien­tin­nen und Patien­ten über 80 Jahren im Jahr 2023 rund 3.400 Euro. Demge­gen­über stehen nur rund 470 Euro für unter 60-Jährige. Wenn in den kommen­den Jahren die gebur­ten­star­ken Jahrgänge ins Renten­al­ter gelan­gen, könnten die ökono­mi­schen Belas­tun­gen noch weiter steigen, warnt AOK-Chefin Carola Reinmann bei der Vorstel­lung des Reports.

Kompli­ka­tio­nen bei der Behand­lung älterer Patien­ten

Der Grund für die erheb­li­chen Versor­gungs­kos­ten liegt häufig in der komple­xen Gesund­heits­lage älterer Patien­tin­nen und Patien­ten. Weil bei ihnen meist mehrere Erkran­kun­gen gleich­zei­tig vorlie­gen und sie zudem stark gebrech­lich sind, muss für sie ein hoher medizi­ni­scher Behand­lungs­auf­wand geleis­tet werden.

„Insge­samt sehen wir bei diesen Patien­tin­nen und Patien­ten ein hohes Risiko für Kompli­ka­tio­nen, Versor­gungs­lü­cken oder Brüche in der Versor­gung“, erklärt Reimann. Eine Situa­tion, auf die die Klini­ken laut Report nur unzurei­chend vorbe­rei­tet seien.

1,4 Million unnötige Kranken­haus­auf­ent­halte

Als mögli­che Lösun­gen für die Probleme nennt der Kranken­haus-Report vor allem eine verbes­serte ambulante Versor­gung. Allein durch diese Maßnahme könnten rund 1,4 Millio­nen Kranken­haus-Aufent­halte pro Jahr vermie­den werden. Angedacht ist, dass sogenannte „pflege­sen­si­tive Fälle“ eher in Arztpra­xen, Pflege­hei­men oder zu Hause behan­delt werden könnten. Hierbei handelt es sich um Krank­heits­fälle, die eigent­lich nur pflege­ri­scher Maßnah­men bedür­fen und dennoch im Kranken­haus durch­ge­führt werden. Solche Fälle werden laut Report aller­dings idealer­weise von einem nieder­ge­las­se­nen Arzt oder im Pflege­set­ting versorgt.

„Bis zum Jahr 2050 wird die Anzahl der Hochalt­ri­gen um mehr als 50 Prozent anwach­sen. Gleich­zei­tig sinkt die Anzahl der Menschen im erwerbs­fä­hi­gen Alter deutlich“, so Reimann. Eine Überlas­tung der Klini­ken könnten jedoch nicht nur durch die Ambulan­ti­sie­rung der Versor­gung hochbe­tag­ter Menschen erreicht werden. Auch Steuer­re­for­men und eine umfas­sen­dere vor- und nachkli­ni­sche Versor­gung könnten helfen, die Zahl der Kranken­haus­fälle und die damit verbun­de­nen Kosten zu verrin­gern.

Sind die Klini­ken vorbe­rei­tet?

Während der Kranken­haus-Report davon ausgeht, dass die Klini­ken in Deutsch­land nicht ausrei­chend auf die steigende Doppel­be­las­tung durch über 80-Jährige vorbe­rei­tet seien, blickt die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG) optimis­ti­scher in die Zukunft. Zwar nehme auch die DKG die Versor­gung Hochalt­ri­ger als heraus­for­dernd war, entge­gen der Einschät­zung der AOK sieht sie die Kranken­häu­ser selbst in aller Regel gut vorbe­rei­tet. Trotz aller Maßnah­men könnten die Klini­ken jedoch nicht die Versäu­minsse in der ambulan­ten Versor­gung dauer­haft kompen­sie­ren.

DKG-Chef Gerald Gaß warnt zudem vor einer verkürz­ten Sicht auf das vermeint­lich hohe Vermei­dungs­po­ten­zial: „Wenn Pflege­be­dürf­tige ins Kranken­haus kommen, dann meist aus gutem Grund – oft, weil ambulante Struk­tu­ren nicht verfüg­bar oder überfor­dert sind. Wer Kranken­haus­auf­ent­halte reduzie­ren will, muss zuerst für flächen­de­ckend erreich­bare, gut finan­zierte und perso­nell ausge­stat­tete Alter­na­ti­ven sorgen“. Laut Gaß könnten unter anderem geria­tri­sche Rehabi­li­ta­tion und koordi­nierte Kurzzeit­pflege helfen, die Versor­gungs­lü­cken zu schlie­ßen.

Die Deutsche Gesell­schaft für Geria­trie (DGG) äußert sich ebenfalls besorgt und fordert einen Ausbau ambulan­ter geria­tri­scher Struk­tu­ren. „Im Vergleich zu anderen Ländern behan­deln wir noch immer zu viele ältere Menschen in Kranken­häu­sern, die zu Hause besser behan­delt werden könnten“, erklärt DGG-Experte und Mitau­tor des Kranken­haus-Reports Clemens Becker. Dadurch sei das aktuelle System ineffi­zi­ent und teuer, was zudem auch unnötig viel Perso­nal binde.

Quelle: AOK, DKG, DGG