Prof. Dr. Volker Großkopf: Die HKP-Richtlinie bringt signifikante Änderungen
Prof. Dr. Volker Großkopf: Die HKP-Richt­li­nie und die Rahmen­emp­feh­lung gemäß § 132a Absatz 1 SGB V führen signi­fi­kante Änderun­gen herbei.

Die Änderun­gen in der HKP-Richt­li­nie sowie der Rahmen­emp­feh­lun­gen gemäß § 132a Absatz 1 SGB V spiegeln den wachsen­den Bedarf an spezia­li­sier­ten Pflege­leis­tun­gen wider und adres­sie­ren gleich­zei­tig die Notwen­dig­keit, Pflege­fach­kräf­ten die erfor­der­li­chen Instru­mente und Kennt­nisse an die Hand zu geben, um eine quali­ta­tiv hochwer­tige Versor­gung sicher­zu­stel­len. Beson­dere Beach­tung finden die Defini­tion von Verband­mit­teln und die Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen an das Pflege­per­so­nal.

Die Verband­mit­tel­de­fi­ni­tion – Eine never ending Story

Eine der signi­fi­kan­tes­ten Anpas­sun­gen ist die erwei­terte und präzi­sierte Defini­tion von Verband­mit­teln. Gemäß § 31 Absatz 1a SGB V sind weiter­hin physi­ka­lisch wirkende Verband­mit­tel gegen­über der GKV abrechen­bar, wenn deren Haupt­wir­kung abdeckend und aufsau­gend ist.

Die Eigen­schaft als Verband­mit­tel entfällt auch dann nicht, wenn zu den Haupt­wir­kun­gen des Verband­mit­tels weitere Eigen­schaf­ten hinzu­tre­ten: Hierzu zählen feucht­hal­tende, reini­gende, geruchs­bin­dende oder antimi­kro­bielle Eigen­schaf­ten.

Das Verband­mit­tel kann ferner auch metall­be­schich­tet sein. Diese Art der Verband­mit­tel wird insbe­son­dere bei Brand­wun­den zum Einsatz gebracht.

Diese Neuerung trägt dem techno­lo­gi­schen Fortschritt und den vielfäl­ti­gen Anfor­de­run­gen moder­ner Wundver­sor­gung Rechnung. Indem die Defini­tion nun expli­zit moderne Wundauf­la­gen und Spezi­al­ver­bände einschließt, eröff­nen sich neue Wege in der Behand­lung von Patien­tin­nen und Patien­ten mit komple­xen Wundhei­lungs­stö­run­gen.

Diese Anpas­sung ermög­licht eine flexi­blere Auswahl von Verband­ma­te­ria­lien, die auf die indivi­du­el­len Bedürf­nisse der Betrof­fe­nen abgestimmt ist und somit eine effizi­en­tere und effek­ti­vere Wundhei­lung unter­stützt.

Evidenz­ba­sie­rung „Nicht-physi­ka­lisch“ wirken­der Verband­mit­tel

Ein spezi­fi­scher Aspekt der Neuerun­gen in der Wundver­sor­gung, der eine beson­dere Aufmerk­sam­keit verdient, betrifft die nicht-physi­ka­lisch wirken­den Verband­mit­tel, also Verband­mit­tel welche eine pharma­ko­lo­gi­sche, immuno­lo­gi­sche oder metabo­li­sche Wirkung entfal­ten.

Da diese Verband­mit­tel einem Arznei­mit­tel ähnlich sind, wurde im Rahmen der Überar­bei­tun­gen klarge­stellt, dass für diese Katego­rie von Verband­mit­teln ein Nachweis über deren Evidenz­ba­sie­rung erfor­der­lich ist, um weiter­hin im Rahmen der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung erstat­tungs­fä­hig zu sein. Der Gesetz­ge­ber führt hierzu in seiner Geset­zes­be­grün­dung aus, dass diese Maßnahme darauf abzielt, die Effek­ti­vi­tät und Sicher­heit der verwen­de­ten Produkte zu gewähr­leis­ten und gleich­zei­tig die Wirtschaft­lich­keit der Versor­gung zu sichern.

Evidenz­ba­sie­rung: Frist bis Dezem­ber 2024

Die Forde­rung nach evidenz­ba­sier­ten Nachwei­sen unter­streicht die Bedeu­tung von wissen­schaft­lich fundier­ten Behand­lungs­me­tho­den in der moder­nen Medizin. Für Herstel­ler von nicht-physi­ka­lisch wirken­den Verband­mit­teln bedeu­tet dies, dass sie bis zum Stich­tag, dem 2. Dezem­ber 2024, entspre­chende Studien und Forschungs­er­geb­nisse vorle­gen müssen, die die Wirksam­keit ihrer Produkte belegen.

Der Ablauf der Frist setzt Herstel­ler unter Zugzwang und fordert von ihnen eine proak­tive Ausein­an­der­set­zung mit den wissen­schaft­li­chen Grund­la­gen ihrer Produkte. Proble­ma­tisch in diesem Zusam­men­hang ist jedoch, dass das IQWIG das Studi­en­de­sign erst im nächs­ten Jahr veröf­fent­li­chen wird. Ferner ist noch nicht abschlie­ßend entschie­den wie der Endpunkt – sprich das zu erwar­tende Ergeb­nis – zu definie­ren ist. Hier sollte abhän­gig von der einge­setz­ten Techno­lo­gie nicht ausschließ­lich der Wundver­schluss sondern auch Zwischen­er­geb­nisse – wie zum Beispiel eine signi­fi­kante und nachweis­bare Keimre­du­zie­rung – als Endpunkt eines Wirksam­keits­nach­wei­ses möglich sein.

Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen: Hebung des Versor­gungs­ni­veaus

Paral­lel zu den Neuerun­gen bei den Verband­mit­teln wurden auch die Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen für Pflege­fach­kräfte im Bereich der Wundver­sor­gung angeho­ben. Diese Anpas­sun­gen zielen darauf ab, die Fachkom­pe­tenz des Pflege­per­so­nals zu stärken und eine hochqua­li­ta­tive Wundbe­hand­lung zu gewähr­leis­ten.

Fort- und Weiter­bil­dun­gen im Bereich der moder­nen Wundver­sor­gung sind nun verpflich­tend für jene Pflege­fach­kräfte, die in der häusli­chen Wundpflege tätig sind. Diese Maßnahme stellt sicher, dass das Pflege­per­so­nal mit den neues­ten Metho­den und Erkennt­nis­sen vertraut ist und diese kompe­tent in der Praxis anwen­den kann. Die neuen Quali­täts­an­for­de­run­gen ergeben sich aus § 6 der Rahmen­emp­feh­lung gemäß § 132a Absatz 1 SGB V.

Häusliche Versorgung
Die Quali­täts­an­for­de­run­gen an die häusli­che Versor­gung werden durch die HKP-Richt­li­nie und der Rahmen­emp­feh­lung angeho­ben. Bild: Ginasanders/Dreamstime.com

Die Kombi­na­tion aus erwei­ter­ten Möglich­kei­ten in der Verband­mit­tel­wahl und erhöh­ten Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen an Pflege­fach­kräfte verspricht eine signi­fi­kante Verbes­se­rung der Wundver­sor­gung im häusli­chen Bereich.

Patien­tin­nen und Patien­ten profi­tie­ren von einer indivi­du­el­le­ren und bedarfs­ori­en­tier­te­ren Pflege, die nicht nur die Heilungs­chan­cen verbes­sert, sondern auch die Lebens­qua­li­tät der Betrof­fe­nen erhöht. Darüber hinaus trägt eine quali­fi­zierte Wundver­sor­gung maßgeb­lich zur Präven­tion von Kompli­ka­tio­nen bei, was wiederum die Patien­ten­si­cher­heit stärkt.

Fazit: HKP-Richt­li­nie und Rahmen­emp­feh­lung bringen zukunft­wei­sende Entwick­lun­gen in die Wundver­sor­gung

Die jüngs­ten Aktua­li­sie­run­gen der HKP-Richt­li­nie und der Rahmen­emp­feh­lun­gen gemäß § 132a Absatz 1 SGB V markie­ren einen wichti­gen Schritt in Richtung einer verbes­ser­ten Wundver­sor­gung im häusli­chen Umfeld. Durch die Neuerun­gen in der Defini­tion von Verband­mit­teln und den erhöh­ten Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen an Pflege­fach­kräfte wird eine quali­ta­tiv hochwer­tige und patien­ten­ori­en­tierte Pflege geför­dert.

Diese Entwick­lun­gen sind essen­zi­ell, um den wachsen­den Ansprü­chen an die häusli­che Pflege gerecht zu werden und eine optimale Versor­gung von Patien­tin­nen und Patien­ten mit Wundhei­lungs­stö­run­gen sicher­zu­stel­len. Es ist zu hoffen, dass die guten Vorsätze der gestar­te­ten Quali­täts­in­itia­ti­ven beim Patien­ten auch tatsäch­lich ankom­men werden.

FAQ

Welche Änderung bringt die HKP-Richt­li­nie bezüg­lich der Verband­mit­tel mit sich?

Die neuen Anpas­sun­gen der HKP-Richt­li­nie erwei­tern die Defini­tion von Verband­mit­teln, sodass moderne Wundauf­la­gen und Spezi­al­ver­bände expli­zit einge­schlos­sen werden. Dies betrifft physi­ka­lisch wirkende Verband­mit­tel, die weiter­hin über die GKV abrechen­bar sind, wenn ihre Haupt­wir­kung abdeckend und aufsau­gend ist. Zusätz­lich können diese Verband­mit­tel nun auch feucht­hal­tende, reini­gende oder antimi­kro­bielle Eigen­schaf­ten aufwei­sen. Dies eröff­net neue Möglich­kei­ten in der Wundver­sor­gung und unter­stützt eine indivi­du­el­lere und effek­ti­vere Heilung bei Patien­tin­nen und Patien­ten.

Können nicht physi­ka­lisch wirkende Verband­mit­tel weiter­hin zu Lasten der GKV verschrie­ben werden?

Wenn ein Verband­mit­tel nicht physi­ka­lisch wirkt und mithin eine pharma­ko­lo­gi­sche, immuno­lo­gi­sche oder metabo­li­sche Wirkung entfal­tet, muss der Verband­mit­tel­her­stel­ler die Wirksam­keit des Verband­mit­tels durch einen evidenz­ba­sier­ten Nachweise belegen. Der Wirksam­keits­nach­weis muss inner­halb einer vom G‑BA festge­leg­ten Frist erfol­gen. Bis zum Ablauf dieser Frist kann das Verband­mit­tel weiter­hin zu Lasten der GKV seitens der Ärzte verord­net und verschrie­ben werden.

Welche Quali­fi­ka­tio­nen müssen in der Wundver­sor­gung tätige Pflege­fach­per­so­nen nach der HKP-Richt­li­nie erfül­len?

Pflege­fach­per­so­nen, die in der häusli­chen Wundver­sor­gung tätig sind, müssen sich nach den neuen Regelun­gen der HKP-Richt­li­nie und der Rahmen­emp­feh­lung gemäß § 132a Absatz 1 SGB V fort- und weiter­bil­den. Diese verpflich­ten­den Schulun­gen stellen sicher, dass das Pflege­per­so­nal die neues­ten Techni­ken und wissen­schaft­li­chen Erkennt­nisse in der Wundver­sor­gung anwen­den kann. Die Quali­fi­ka­ti­ons­an­for­de­run­gen zielen darauf ab, das Versor­gungs­ni­veau zu heben und die Sicher­heit sowie Heilungs­chan­cen der Patien­tin­nen und Patien­ten zu verbes­sern. Ist die Pflege­fach­per­son als spezia­li­sier­ter Leistungs­er­brin­ger in der Wundver­sor­gung tätig muss sie somit neben einem jährli­chen 10 stündi­gen Fortbil­dungs­nach­weis im Bereich der Wundpflege auch eine auf die Wundver­sor­gung spezia­li­sierte Ausbil­dung von 84 Unter­richts­ein­hei­ten absol­viert haben.