Heimbewohnerin. (Symbolbild)
Heimbe­woh­ne­rin. (Symbol­bild) Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Demente Heimbe­woh­ner und Heimbe­woh­ne­rin­nen stellen für so manche Pflege­heime durch­aus eine Heraus­for­de­rung dar. Oft erwei­sen sich die Patien­ten und Patien­tin­nen als verhal­tens­auf­fäl­lig und es bedarf einer indivi­du­ell auf die Situa­tion der erkrank­ten Person abgestimmte Pflege und Versor­gung.

Dies gelingt jedoch nicht immer reibungs­los. Bei einer an Demenz erkrank­ten Dame zog das Senio­ren­heim in Osnabrück im Septem­ber 2018 mit der Kündi­gung des Heimver­trags die Reißleine.

Doch ist eine solche Kündi­gung überhaupt rechtens? Schauen wir uns den Fall einmal genauer an:

Demente Bewoh­ne­rin soll Heimfrie­den gestört haben

Die ältere Dame war 2015 in die Demenz­ab­tei­lung des Heims gezogen. Nach einem Kranken­haus­auf­ent­halt wurde sie medika­men­tös neu einge­stellt. Seitdem habe sie sich jedoch deutlich unruhi­ger verhal­ten als noch zuvor.

Nach Angaben des Heims habe die Senio­rin den Heimfrie­den erheb­lich gestört. Sie laufe ständig herum und spaziere ungefragt in die Zimmer anderer Patien­ten. Dort öffne sie Türen und Fenster und schaue auch bei der Intim­pflege zu.

Des Weite­ren erhob die Einrich­tung den Vorwurf, die Bewoh­ne­rin sei aggres­siv und gewalt­tä­tig. Sie boxe Pflege­kräfte, stelle ihnen und anderen Bewoh­nern das Bein und fahre sie mit dem Rolla­tor an.

Weil sie zudem auch nicht mehr richtig esse und trinke, stelle die demente Bewoh­ne­rin eine Gefahr für sich und andere dar. Das Heim forderte den Auszug der Dame und kündigte den Heimver­trag.

Wann kann der Heimver­trag gekün­digt werden?

In § 12 Absatz 1 des Wohn- und Betreu­ungs­ver­trags­ge­set­zes (WBVG) heißt es: „Der Unter­neh­mer kann den Vertrag nur aus wichti­gem Grund kündi­gen.“

Wichtige Gründe zur Kündi­gung des Heimver­trags können laut § 12 WBVG folgende sein:

  • Einstel­lung oder Einschrän­kung des Pflege­be­triebs
  • Nicht­er­brin­gung von Pflege­leis­tun­gen, wenn:
    1. Der Verbrau­cher nötige Anpas­sun­gen der Pflege­leis­tun­gen nach § 8 Absatz 1 WBGV ablehnt
    2. Der Betrei­ber eine Anpas­sung der Leistung bei geänder­tem Pflege­be­darf nach § 8 Absatz 4 WBGV nicht anbie­tet
  • Grobe Verlet­zung der Vertrags­pflich­ten durch den Verbrau­cher
  • Verzug bei der Entrich­tung des Entgelts über zwei oder mehr Termine

Kündi­gung unrecht­mä­ßig

Bei dem Räumungs­pro­zess im Fall der demen­ten Senio­rin fand das Oberlan­des­ge­richt Olden­burg keinen wichti­gen Grund für eine Kündi­gung des Heimver­trags vor.

Es sei generell abzuwä­gen zwischen dem Inter­esse des Patien­ten, einen Umzug und die damit einher­ge­hen­den Schwie­rig­kei­ten zu vermei­den und dem Inter­esse des Heims, den Vertrag aufzu­lö­sen.

Die Verhal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten der demen­ten Bewoh­ne­rin seien für das Heim jedoch hinzu­neh­men. Die Demenz­er­kran­kung der Bewoh­ne­rin sei der Einrich­tung im Vorfeld schon bekannt gewesen. Das Heim legte außer­dem keine Erläu­te­run­gen vor, bereits Maßnah­men gegen das Verhal­ten der Patien­tin vorge­nom­men zu haben.

Es sei ebenfalls nicht ersicht­lich, dass die demente Bewoh­ne­rin tatsäch­lich Sach- oder Körper­schä­den bei anderen Perso­nen verur­sacht hätte. Wäre dem so gewesen, hätte das Gericht auch durch­aus anders entschei­den können.

Nach Abwägung der Inter­es­sen wies das Landge­richt Osnabrück die Räumungs­klage des Heims ab. Der Senat des Oberlan­des­ge­richt Olden­burg bestä­tigte diese Entschei­dung.

Das behaup­tete Verhal­ten der Dame bewege sich in einem duldba­ren Rahmen und müsse vom Betrei­ber der Demenz­ab­tei­lung hinge­nom­men werden. Die Kündi­gung des Heimver­trags ist somit ungül­tig, die Dame darf ihr Zimmer demnach behal­ten. Die Entschei­dung ist rechts­kräf­tig.

Quelle: Oberlan­des­ge­richt Olden­burg vom 28.5.2020 (Az.: 1 U 156/19)