Demente Heimbewohner und Heimbewohnerinnen stellen für so manche Pflegeheime durchaus eine Herausforderung dar. Oft erweisen sich die Patienten und Patientinnen als verhaltensauffällig und es bedarf einer individuell auf die Situation der erkrankten Person abgestimmte Pflege und Versorgung.
Dies gelingt jedoch nicht immer reibungslos. Bei einer an Demenz erkrankten Dame zog das Seniorenheim in Osnabrück im September 2018 mit der Kündigung des Heimvertrags die Reißleine.
Doch ist eine solche Kündigung überhaupt rechtens? Schauen wir uns den Fall einmal genauer an:
Demente Bewohnerin soll Heimfrieden gestört haben
Die ältere Dame war 2015 in die Demenzabteilung des Heims gezogen. Nach einem Krankenhausaufenthalt wurde sie medikamentös neu eingestellt. Seitdem habe sie sich jedoch deutlich unruhiger verhalten als noch zuvor.
Nach Angaben des Heims habe die Seniorin den Heimfrieden erheblich gestört. Sie laufe ständig herum und spaziere ungefragt in die Zimmer anderer Patienten. Dort öffne sie Türen und Fenster und schaue auch bei der Intimpflege zu.
Des Weiteren erhob die Einrichtung den Vorwurf, die Bewohnerin sei aggressiv und gewalttätig. Sie boxe Pflegekräfte, stelle ihnen und anderen Bewohnern das Bein und fahre sie mit dem Rollator an.
Weil sie zudem auch nicht mehr richtig esse und trinke, stelle die demente Bewohnerin eine Gefahr für sich und andere dar. Das Heim forderte den Auszug der Dame und kündigte den Heimvertrag.
Wann kann der Heimvertrag gekündigt werden?
In § 12 Absatz 1 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) heißt es: „Der Unternehmer kann den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen.“
Wichtige Gründe zur Kündigung des Heimvertrags können laut § 12 WBVG folgende sein:
- Einstellung oder Einschränkung des Pflegebetriebs
- Nichterbringung von Pflegeleistungen, wenn:
- Der Verbraucher nötige Anpassungen der Pflegeleistungen nach § 8 Absatz 1 WBGV ablehnt
- Der Betreiber eine Anpassung der Leistung bei geändertem Pflegebedarf nach § 8 Absatz 4 WBGV nicht anbietet
- Grobe Verletzung der Vertragspflichten durch den Verbraucher
- Verzug bei der Entrichtung des Entgelts über zwei oder mehr Termine
Kündigung unrechtmäßig
Bei dem Räumungsprozess im Fall der dementen Seniorin fand das Oberlandesgericht Oldenburg keinen wichtigen Grund für eine Kündigung des Heimvertrags vor.
Es sei generell abzuwägen zwischen dem Interesse des Patienten, einen Umzug und die damit einhergehenden Schwierigkeiten zu vermeiden und dem Interesse des Heims, den Vertrag aufzulösen.
Die Verhaltensauffälligkeiten der dementen Bewohnerin seien für das Heim jedoch hinzunehmen. Die Demenzerkrankung der Bewohnerin sei der Einrichtung im Vorfeld schon bekannt gewesen. Das Heim legte außerdem keine Erläuterungen vor, bereits Maßnahmen gegen das Verhalten der Patientin vorgenommen zu haben.
Es sei ebenfalls nicht ersichtlich, dass die demente Bewohnerin tatsächlich Sach- oder Körperschäden bei anderen Personen verursacht hätte. Wäre dem so gewesen, hätte das Gericht auch durchaus anders entscheiden können.
Nach Abwägung der Interessen wies das Landgericht Osnabrück die Räumungsklage des Heims ab. Der Senat des Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte diese Entscheidung.
Das behauptete Verhalten der Dame bewege sich in einem duldbaren Rahmen und müsse vom Betreiber der Demenzabteilung hingenommen werden. Die Kündigung des Heimvertrags ist somit ungültig, die Dame darf ihr Zimmer demnach behalten. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg vom 28.5.2020 (Az.: 1 U 156/19)