Fast 3,3 Millionen Euro soll der Pflegedienst zwischen 2012 und 2019 unrechtmäßig von Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialhilfeträgern eingestrichen haben. Am Mittwoch, 14. April, ist vor dem Landgericht Augsburg der Prozess gegen den ambulanten Pflegedienst „Fenix“ gestartet. Fünf Personen müssen sich wegen des mutmaßlichen Betrugs in Millionenhöhe verantworten. Zwei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Für den Prozess sind 64 Verhandlungstage angesetzt. Im Fall einer Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs sind bis zu zehn Jahre Haft möglich.
Angeblicher Pflegefall arbeitete als Schweißer
Die Verhandlung ist die erste in einer Reihe von räumlich, zeitlich und vom Tatprinzip her ähnlich gelagerten Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft München I seit 2019 ermittelt hatte. Allein in Augsburg und München gibt es zwei weitere angeklagte mobile Pflegedienste, die ähnlich vorgegangen sein sollen wie Fenix. Gegen insgesamt acht Dienste mit 129 Beschuldigten liefen Ermittlungen, so die Staatsanwälte.
Die Masche des Unternehmens war ganz einfach. Um hohe Erstattungen von Kostenträgern einzuheimsen, hat der Pflegedienst ganz offenbar nicht notwendige Leistungen abgerechnet, sowie den Gesundheitszustand der Betreuten gezielt dramatisiert. Vor einer MDK-Prüfung, berichtet der Bayerische Rundfunk, hätten die in Wirklichkeit körperlich recht fitten Patienten eigens Rollatoren gestellt bekommen, um vor den Prüfern „schauspielern“ zu können. Unter den Betreuten soll sich sogar ein scheinbar gehbehinderter Mann befunden haben, der jedoch in Wirklichkeit körperlich hart als Schweißer arbeitete. Allein in diesem Fall soll der Dienst bis zu 70.000 Euro unrechtmäßig für Leistungen wie Körperpflege in Rechnung gestellt haben. Eine andere Patientin hatten die Pflegekräfte mit Beruhigungsmitteln behandelt, damit diese bei der Prüfung apathisch wirkt.
Ein „Bonussystem“ für Betreute und Angehörige
Das zu Unrecht kassierte Geld teilte sich der Pflegedienst offenbar mit den Betreuten, beziehungsweise deren Angehörigen. So bekamen diese nicht nur Geldleistungen, sondern nicht abrechenbare Dienstleistungen wie Fahrdienste oder Haushaltshilfen gestellt – bis hin zu einem morgendlichen Semmel-Lieferservice samt Zeitung. Auch hier laufen Ermittlungen gegen weitere Beschuldigte. Der Geschäftsführer des Dienstes sei ein Strohmann gewesen: ein Student, der in Spanien lebte. Denn die eigentliche Leiterin des Dienstes war bereits wegen Pflegebetrugs verurteilt, und schied deshalb als Geschäftsführerin aus.
Die Machenschaften kamen bei einer Großrazzia im Oktober 2019 ans Licht, bei denen Ermittler mehrere Pflegedienste in der Region Augsburg/München durchsucht hatten. Im Zuge des spektakulären Einsatzes nahmen die Einsatzkräfte bei diversen Pflegediensten mehrere Verdächtige in Haft.