Rechtsdepesche: Herr Westerfellhaus, sie waren Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung und sind seit dem 3. Januar 2022 nicht mehr im Amt. Sie sind offiziell gekündigt worden vom neuen Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Wie geht es Ihnen damit und wer wird ihr Nachfolger?
Andreas Westerfellhaus: Ich habe in den letzten Monaten ja kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich gerne diese Position weiter bekleidet hätte, weil ich weiß, dass das Thema Pflege sehr komplex ist. Ich habe in vier Jahren Tätigkeit gemerkt, wie tief man sich einarbeiten muss und ich glaubte, dieses Ziel auch erreicht zu haben.
Deshalb habe ich dem Bundesgesundheitsminister Lauterbach auch angeboten, dieses Amt weiter zu bekleiden, weil ich glaube, es kommt hier nicht so sehr auf das Parteibuch an, sondern auf die Kompetenz. Ich habe in der großen Koalition in der Zusammenarbeit mit der SPD immer klar gemacht, dass es mir um die Sache geht und dieses Angebot der Loyalität habe ich auch der neuen Regierung gemacht.
Pflegebevollmächtigter: Kontinuität gefährdet
Wie es mir geht? Ja – ich kann keinen Hehl daraus machen, dass mich diese Nachricht vom 3. Januar sehr getroffen, sehr schockiert hat. Diese Entscheidung zeigt letztendlich auch, dass das vielleicht als ein falsches Signal für die Profession Pflege gedeutet werden kann. Das hat nichts mit meiner Person zu tun, sondern es geht darum, dass bei einem Wechsel klar sein muss, dass die Kontinuität damit möglicherweise gefährdet ist.
Rechtsdepesche: Inwieweit können Sie etwas zu Ihrem Nachfolger oder Nachfolgerin sagen? Stichwort: Kontinuität. Können Sie etwas dazu sagen, ob die Stelle des Pflegebevollmächtigen der Bundesregierung unter Umständen ganz gestrichen werden wird?
Westerfellhaus: Da befinden wir uns im Bereich der Vermutungen. Ich weiß, dass das Personaltableau der Ampelregierung mittlerweile 37 Staatssekretäre beträgt. Wo auch die Sorge geäußert wird, ob da vieleicht ein Staatssekretär für die Pflege hinten runter fallen könnte. Das wäre dann Nummer 38. Da hat man Hinweise, hier geht es einfach um simple Personalfragen und die Anzahl der Stellen. Ja – ich habe große Sorge, dass das Amt was ich bis jetzt bekleidet habe – das eine Vollzeitstelle war – vielleicht jemandem übertragen werden wird, der das dann als „Add-On“, als Bundestagsabgeordneter so nebenbei macht. Und das möglicherweise noch mit einem reduzierten Personalstamm. Die Sorge ist da. Die Antwort, wer es wird, kann ich nicht liefern.
Ich hoffe, dass der Bundesgesundheitsminister hier bald Klarheit schafft. Ich hätte mir gewünscht, dass es eine offizielle Stabübergabe gibt, indem man sagt: Wir beenden das gute Verhältnis und die Zusammenarbeit mit Herrn Westerfellhaus auf der einen Seite und stellen gleichzeitig seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger vor. So wie man es auch mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem Nachfolger Professor Lauterbach gemacht hat. Ich denke, das hat auch etwas mit Wertschätzung der bisher geleisteten Arbeit zu tun. Und das gibt den beteiligten Personen auch die Möglichkeit, Aufgaben vertrauensvoll zu übertragen.
„Vakuum ist schon da“
Rechtsdepesche: Das Signal an die Pflegefachkräfte im Land ist doch – wenn jetzt ein Vakuum entstehen sollte – ein fatales, oder?
Westerfellhaus: Naja, das Vakuum ist ja eigentlich schon da. Wir müssen einfach mal überlegen, dass ich nach den Wahlen ja weiter im Amt war, und zwar nicht geschäftsführend. Ich bin bestellt durch das Kabinett der letzten Bundesregierung und als Staatssekretär ist es dann so, dass man auch durch das Kabinett einer neuen Bundesregierung dann abberufen wird. Einen solchen Kabinettsbeschluss kenne ich nicht.
Ich habe bis zu dieser Entscheidung meine Arbeit mit vollem Tempo und vollem Elan – was die Digitalisierung von Altenheimen aber auch ethische Fragen wie die Triage angeht – weiter gemacht. Damit eben ein Defizit nicht entsteht. Was ich jetzt wahrnehme ist, dass es vor gut einer Woche noch ein veröffentlichtes Organigramm des Bundesgesundheitsministeriums gegeben hat, in dem der Pflegebevollmächtigte aufgeführt war, der Drogenbeauftrage und auch der Patientenbeauftragte noch mit N.N. aufgeführt waren. Das hat eine andere Sprache gesprochen.
Das was ich jetzt erfahre in den sozialen Medien, nachdem ich meinen Status „außer Dienst“ klar gemacht habe, ist: Protest der Pflegenden, der mich trägt. Die Menschen fragen: Wie kann das sein, dass mit jemandem der uns in den letzten Jahren gut vertreten hat, allen ein Gesicht und Stimme gegeben hat, so umgegangen wird?
Auf der einen Seite bestätigt mich das und macht mich auch stolz. Auf der anderen Seite zeigt es nochmal, welch hohe Verantwortung meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger hat. Meine große Sorge ist, dass man gleichzeitig hier einem Abgeordneten eine Zusatzaufgabe gibt und es eben kein 40-Stunden-Vertrag mehr ist, wie ich ihn hatte. Und gleichzeitig den Mitarbeiterstab „zusammen dampft“. Es zeigt sich, dass das Pflegethema wieder einmal droht hinten runter zu fallen.
„Mit wem wollen wir nach Corona solche Arbeit leisten?“
Rechtsdepesche: Welchen Stellenwert hat denn das Thema Pflege bei Minister Lauterbach? Wird es gegenüber dem Vorgänger geringer geschätzt?
Westerfellhaus: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich nicht in den Kopf von Professor Lauterbach gucken kann. Ich nehme wahr, dass er sehr kompetent im Rahmen der Coronapandemie auftritt. Zum Thema Pflege, pflegerische Versorgung, der Bedeutung für die Zukunft – ob das nun Personalbemessungssysteme sind, wie kommen wir an mehr Personal, wie gewinnen wir mehr Kräfte, wie können wir Ausbildung weiter qualifizieren usw. – konnte ich mit ihm bislang nie reden. Von daher kann ich den Stellenwert nur sehr schwer beschreiben.
Für mich ist allerdings klar, dass pflegerische Tätigkeiten in allen möglichen Settings nicht gegen Corona stehen, oder ausserhalb, sondern gerade mit der breiten Thematik Corona direkt verknüpft sind. Denn uns treibt ja um: Mit wem wollen wir denn nach Corona und in der Zukunft solche Arbeit leisten?
Wenn man das nicht versteht, was die Entwicklung der Ausbildung, der Studiengänge, auch der Aufgabenteilung, wie man Settings miteinander mischen kann, wie man 24-Stunden-Kräfte legal einbinden kann, wie man deren Arbeitssituation verbessert – das alles habe ich im Mai in meinen Erwartungsformulierungen dargestellt. Wenn man das nicht auch schon in Corona-Zeiten parallel bedient – und das kann man ja mit einem Pflegebevollmächtigten in Vollzeit machen – dann macht das Fragezeichen bei mir.
Rechtsdepesche: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Andreas Westerfellhaus (CDU) absolvierte zunächst eine Ausbildung als Krankenpfleger und die Fachweiterbildung Intensivpflege und Anäshtesie, später ein Studium der Pädagogik für Gesundheitsberufe, das er mit dem Diplom abschloss. Außerdem studierte er berufsbegleitend Betriebswirtschaft. Westerfellhaus war seit 2018 Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege im Amt eines Staatssekretärs im Bundesministerium für Gesundheit. Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) entließ ihn am 3. Januar 2022. Zuvor war er langjähriger Präsident des Deutschen Pflegerates.