Pflegekammer trifft sich im Dezember erstmalig
Rechtsdepesche: Wann kommt die Pflegekammer in NRW und was wird eure Rolle dabei sein?
Eva Pütz: Zum Glück steht die Kammer endlich vor der Tür, es hat ja lange genug gedauert. Im Dezember wahrscheinlich trifft sich die gewählte Kammer dann das erste Mal. Wir beide kandidieren für die Kammerwahl auf der Liste für den Regierungsbezirk Köln. Das ist eine Liste für die interprofessionelle Pflege, d.h. sie deckt alle Fachbereiche der Pflege ab, ausgeklammt ist nur die Altenpflege, da gibt es nochmal spezielle Listen. Ich trete für die psychiatrische Pflege im Speziellen an, mein Fachbereich eben, der mir sehr am Herzen liegt.
Wir haben aber auch verschiedene Vertreter aus der Pflegewissenschaft, aus der Pflegepädagogik, wir beide sind ja aus der Pflegepraxis, aber auch aus dem Pflegemanagement. Es sind auch Gewerkschaftsvertreter dabei und wir vertreten ganz unterschiedliche Disziplinen der Fachmedizin.
Pädiatrie: „Die Kleinen brauchen eine laute Stimme!“
Lino Huitenga: Wir sind froh, dass die Wahl stattfindet, sie musste ja verschoben werden. Ich glaube, der Errichtungsausschuss hat gute Vorarbeit geleistet. Jetzt können wir das Ganze weiterführen, als Kammer dann. Was werden wir also in die Kammer einbringen? Es werden sicher nicht alle aus der Liste in die Kammer kommen, aber wir sind uns soweit einig, dass die Liste in ihrer Arbeit soweit bestehen bleibt. Soll heissen: keiner, der in die Kammer kommt, kann alle Themen bearbeiten.
Wir werden also als Team weiter zusammen arbeiten und uns gegenseitig mit unseren Fachexpertisen ergänzen und unterstützen. Die Pädiatrie ist bei uns sehr stark vertreten – gerade die Kleinen, die noch nicht selbst für sich sprechen können, brauchen eine laute Stimme!
Rechtsdepesche: Wofür ist die Pflegekammer gut, welche Vorteile habe ich, wenn eine Kammer in meinem Bundesland für mich wirkt?
Huitenga: Ich komme in meiner Funktion in der Arbeitnehmerüberlassung sehr viel rum in Krankenhäusern. Ich höre viel und was sehr oft durchkommt ist: Ich kann meine Arbeit nicht mehr machen! Die Leute sind oft sehr frustriert.
„Personalmangel ist Grund für fehlende Qualität“
Das ist das, was die Leute aktuell sehr stört: die mangelnde Qualität. Und der Grund dafür ist der Personalmangel. Die Menschen können ihre Arbeit nicht mehr so machen, wie sie sie gelernt haben. Die Arbeit ist nur noch mit Qualitätsabstrichen möglich. Was die Leute unglücklich macht ist die mangelnde Qualität ihrer Arbeit.
Eine Kammer ist dafür da, die Qualität zu sichern. Das Problem der Qualität können wir mit der Kammer lösen oder zumindest angehen. Die Besetzung auf den Stationen ist sicherlich ein gewerkschaftliches Thema, aber auch dafür ist eine Kammer da. Wenn ich nicht weiß, für welche Qualität ich eine Personalbemessung mache, dann fällt auch dementsprechend der Personalschlüssel aus.
Rechtsdepesche: Wie wollt ihr eure Politik für die Berufsgruppen denn greifbar machen? Vor allen Dingen für die jungen Pflegerinnen und Pfleger oder auch die älteren?
Pütz: Transparenz ist da ein ganz wichtiger Aspekt. Gerade in Zeiten des Internets. Wir haben unsere Liste sehr transparent gemacht, sind auf allen SocialMedia-Kanälen aktiv mit unseren persönlichen Profilen. Ich denke, wir sind eine greifbare Gruppe. Das wird uns auch in Zukunft weiter begleiten: dass wir die Dinge, die wir in der Kammerversammlung bearbeiten, dann auch wieder zurück bringen an die Basis.
Dass alle ein Feedback erhalten, was passiert. Unsere Vernetzung ist sehr groß, auch in die Fachbereiche. Das ist auch das, was die Menschen erwarten. Wir geben etwas zurück mit dieser Kammer.
Berufspolitik für die Ausbildung
Huitenga: Wir haben mit Dominik Stark auch einen Instagram-Influencer auf unserer Liste, der sich sehr stark für die jüngere Generation einsetzt. Es ist uns ein Anliegen, das Thema Berufspolitik für die Ausbildung voran zu bringen.
Rechtsdepesche: Zum Fachbereich Psychiatrie – welche Notwendigkeiten gibt es dort in den Versorgungsstrukturen? Was muss getan werden, die Psychiatrien im Land sind rappelvoll.
Pütz: Es gibt da sehr viel zu tun, ich will mich auf zwei wesentliche Punkte beschränken, die mich in der täglichen Arbeit sehr bewegen. Einerseits sind es die Weiterbildungsangebote, die ja aktuell nicht standardisiert sind. Die Inhalte, die vermittelt werden, sind zu unterschiedlich. Es fehlen wegweisende Konzepte, wie die MitarbeiterInnen nach der Fortbildung überhaupt eingesetzt werden können.
Das sind Dinge, die in einer Pflegekammer geregelt werden können. Eine Vereinheitlichung der Inhalte der Weiterbildung zum Beispiel sowie neue Rollenprofile.
Neue Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten schaffen
Huitenga: Es kann ja nicht sein, dass ich zwei Jahre fortgebildet werde und dann nicht weiß, wie es weitergeht oder danach die selben Tätigkeiten mache wie vorher. Sonst fragt sich jeder: Warum soll ich das machen?
Wir hoffen, das es in Zukunft weitere Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Nicht nur im Management, auch in den einzelnen Fachbereichen. Schaue ich auf die Ärzte, dann gibt es einen Assistenzarzt, einen Facharzt usw. – ich denke wir sind uns einig, dass wir das auf die Pflege in einer ähnlichen Weise übertragen wollen.
Rechtsdepesche: Wo liegen die Probleme in der pädiatrischen Pflege?
Huitenga: Die pädiatrische Pflege hat ein Nachwuchsproblem. Natürlich können wir das nicht genau evaluieren zu diesem Zeitpunkt, da würde eine Kammer helfen. Ohne Kammer wissen wir das einfach nicht. Im Zuge der Generalistik werden aber immer weniger KinderkrankenpflegerInnen ausgebildet. Es gibt wenige Schulen, die das gezielt ausbilden.
In der Generalistik ist es halt so gedacht, dass anschliessend Fachweiterbildungen stattfinden. Wir haben Bedenken, dass genug Fachweiterbildungen stattfinden. Das Land NRW muss aber ein Interesse daran haben. Das ist ganz, ganz wichtig. Es kann nicht sein, dass die Schwächsten in unserer Gesellschaft darunter leiden, dass wir in einem profitorientierten System leben, in denen Kinderkliniken oft nur defizitär überleben können. Daran muss sich etwas ändern!
Überblick über Personalstruktur erhalten durch Kammer
Rechtsdepesche: Stichwort Krankenhausplanung. Wie wollt ihr da Einfluß nehmen mit der Kammer und eine gute Versorgung mit gewährleisten?
Pütz: Das Problem ist ja die Krankenhausplanung einerseits und das Betreiben von Betten in den Häusern andererseits. Man muss sich ja auch überlegen, wie man in Zeiten des Personalmangels überhaupt Leute an die einzelnen Orte – beispielsweise auf dem Land – bringt. Der Vorteil, den eine Kammer ganz plastisch bietet ist ja, dass wir einen genauen Überblick haben, wieviele Pflegekräfte es überhaupt gibt an den einzelnen Standorten? Wo arbeiten die, was machen die genau, wo gibt es welche Probleme?
Wenn man diese Zahlen hat, kann man monitoren und gegensteuern. So dass man beispielsweise beim Mangel an Kinderkrankenpflege zeitig dagegen halten, Entwicklungen und Fehlentwicklung früh erkennen kann. Das muss ja bei der Krankenhausplanung auch alles beachtet werden. Für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit.
Huitenga: Eine Organisation, die genaue Einblicke hat, was in der Berufsgruppe vor sich geht, ist deshalb wichtig. Es kann nicht sein, dass wir als Pflegekräfte in der Krankenhausplanung kein klares Mitspracherecht haben. Wir haben generell sicher gerade auch einen Ärztemangel – aber der wirklich limitierende Faktor ist die Pflege.
Rechtsdepesche: Vielen Dank für das Gespräch!
Zu den Personen: Eva Pütz ist 29 Jahre alt und arbeitet als Gesundheits- und Krankenpflegerin. Sie ist für Teamleitung in der Psychatrie der Uniklinik Köln verantwortlich. Lino Huitenga ist 32 Jahre alt und ausgebildeter Gesundheits- und Krankenpfleger. Zur Zeit studiert er neben dem Job das Fach „Pflegemanagement“. Beide stehen bis zum 31. Oktober 2022 zur Wahl der Kammerversammlung der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen – das erste Pflegeparlament in NRW.
3 Kommentare
Wo hat der EA denn gute Arbeit geleistet? Fast die Hälfte der Pflegefachkräfte in NRW ist trotz der langen Errichtungsphase und nochmaliger Verlängerung nicht registriert. Wie soll die Kammer für mehr Personal sorgen? Das ist nicht ihre Aufgabe. Man sollte mal die Mitglieder der Pflegekammer Rheinland Pfalz, der einzigen übrig gebliebenen Pflegekammer von 3 in Deutschland, mal fragen, was ihnen die Kammer in den Jahren seit ihrem Bestehen ausser Mitgliedbeiträgen gebracht hat. Die Antwort wird fast keiner Pflegefachkraft gefallen.
Ob studierte, weitergebildete Pflege oder nicht. Zu wenig Personal heißt gefährliche Pflege. Das Grundproblem kann die Kammer nicht angehen. Und dann Kandidaten, welche wahrscheinlich von amerikanischen und englischen Vorbildern schwärmen, obwohl in jenen Ländern bereits diese Modelle( div. Masterstudiengände, usw.) längst wieder abgeschafft werden. Schlimm.
Der Beitrag zeigt, dass eine Pflegeberufekammer sich gesellschaftspolitisch einbringen kann. Da die Pflegeberufekammer für die Qualität der Pflege verantwortlich ist und gleichfalls vom Heilberufegesetz auch um die Belange der Pflegekräfte wahrnehmen soll und die Versorgung von zu Pflegenden von den Arbeitsbedingungen in der Pflege abhängig sind, hat die Pflegeberufekammer einen Auftrag, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern!!
Hierzu ist zum einen die Definition von den Werten, Inhalten, Strukturen, Prozessen und Qualität der Pflege notwendig, weil erst dann „Pflege“ beurteilbar wird.
Auf dieser Grundlage können die Pflegekräfte dann selbst erkennen, wo Pflege zur Gefahr wird und dann auch einfordern, das vor Ort Veränderungen erfolgen. Hierzu ist jedoch eine gute Kommunikation unter den Pflegekräften notwendig, was eine gute Organisierung vorraussetzt, um Pflegekräfte zu informieren zu beraten und zu unterstützen bzw. zu schützen.
Exemplarisch: Jede Gastronomie bekommt Ärger, wenn sie die Hygienevorgaben nicht beachtet!!
Warum bekommen Krankenhäuser oder PH kein Ärger, wenn Pflegevorgaben nicht beachtet werden??!!
Hier fehlt die entsprechende Organisierung, das Bewusstsein und die Definitionen für Pflege!! Millionen von ungelernten Angehörigen kümmern sich bzw. „pflegen“ ihre zu Pflegenden zu Hause, also wenn „Pflege jede/r kann“, zeigt dies auch den Wert der Pflege, weil Pflege nicht definiert ist.
Dies ist nicht Aufgabe von Gewerkschaften, aber z.B. im ambulanten Bereich die Grundlage für die Verhandlungen von der Vergütung von Pflegeleistungen nach SGB.
In den Krankenhäusern wird Pflege gar nicht definiert, da die Abrechnung über DRGs läuft. Und in der PPR finden wir Tätigkeiten, die die ungelernten Angehörige zu Hause vollziehen, was soll das dann Wert sein??
Wir brauchen hier die berufsständische Organisierung und Vertretung, um Pflege gesellschaftlich greifbarer zu machen und einen selbstbewussten Wert zu definieren.