Pflegekammer
Eva Pütz und Lino Huitenga im Inter­view bei der Rechts­de­pe­sche für das Gesund­heits­we­sen Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Pflege­kam­mer trifft sich im Dezem­ber erstma­lig

Rechts­de­pe­sche: Wann kommt die Pflege­kam­mer in NRW und was wird eure Rolle dabei sein?

Eva Pütz: Zum Glück steht die Kammer endlich vor der Tür, es hat ja lange genug gedau­ert. Im Dezem­ber wahrschein­lich trifft sich die gewählte Kammer dann das erste Mal. Wir beide kandi­die­ren für die Kammer­wahl auf der Liste für den Regie­rungs­be­zirk Köln. Das ist eine Liste für die inter­pro­fes­sio­nelle Pflege, d.h. sie deckt alle Fachbe­rei­che der Pflege ab, ausge­klammt ist nur die Alten­pflege, da gibt es nochmal spezi­elle Listen. Ich trete für die psych­ia­tri­sche Pflege im Spezi­el­len an, mein Fachbe­reich eben, der mir sehr am Herzen liegt.

Wir haben aber auch verschie­dene Vertre­ter aus der Pflege­wis­sen­schaft, aus der Pflege­päd­ago­gik, wir beide sind ja aus der Pflege­pra­xis, aber auch aus dem Pflege­ma­nage­ment. Es sind auch Gewerk­schafts­ver­tre­ter dabei und wir vertre­ten ganz unter­schied­li­che Diszi­pli­nen der Fachme­di­zin.

Pädia­trie: „Die Kleinen brauchen eine laute Stimme!“

Lino Huitenga: Wir sind froh, dass die Wahl statt­fin­det, sie musste ja verscho­ben werden. Ich glaube, der Errich­tungs­aus­schuss hat gute Vorar­beit geleis­tet. Jetzt können wir das Ganze weiter­füh­ren, als Kammer dann. Was werden wir also in die Kammer einbrin­gen? Es werden sicher nicht alle aus der Liste in die Kammer kommen, aber wir sind uns soweit einig, dass die Liste in ihrer Arbeit soweit bestehen bleibt. Soll heissen: keiner, der in die Kammer kommt, kann alle Themen bearbei­ten.

Wir werden also als Team weiter zusam­men arbei­ten und uns gegen­sei­tig mit unseren Fachex­per­ti­sen ergän­zen und unter­stüt­zen. Die Pädia­trie ist bei uns sehr stark vertre­ten – gerade die Kleinen, die noch nicht selbst für sich sprechen können, brauchen eine laute Stimme!

Rechts­de­pe­sche: Wofür ist die Pflege­kam­mer gut, welche Vorteile habe ich, wenn eine Kammer in meinem Bundes­land für mich wirkt?

Huitenga: Ich komme in meiner Funktion in der Arbeit­neh­mer­über­las­sung sehr viel rum in Kranken­häu­sern. Ich höre viel und was sehr oft durch­kommt ist: Ich kann meine Arbeit nicht mehr machen! Die Leute sind oft sehr frustriert.

„Perso­nal­man­gel ist Grund für fehlende Quali­tät“

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Lino Huitenga (32) unter Kolle­gen Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Das ist das, was die Leute aktuell sehr stört: die mangelnde Quali­tät. Und der Grund dafür ist der Perso­nal­man­gel. Die Menschen können ihre Arbeit nicht mehr so machen, wie sie sie gelernt haben. Die Arbeit ist nur noch mit Quali­täts­ab­stri­chen möglich. Was die Leute unglück­lich macht ist die mangelnde Quali­tät ihrer Arbeit.

Eine Kammer ist dafür da, die Quali­tät zu sichern. Das Problem der Quali­tät können wir mit der Kammer lösen oder zumin­dest angehen. Die Beset­zung auf den Statio­nen ist sicher­lich ein gewerk­schaft­li­ches Thema, aber auch dafür ist eine Kammer da. Wenn ich nicht weiß, für welche Quali­tät ich eine Perso­nal­be­mes­sung mache, dann fällt auch dementspre­chend der Perso­nal­schlüs­sel aus.

Rechts­de­pe­sche: Wie wollt ihr eure Politik für die Berufs­grup­pen denn greif­bar machen? Vor allen Dingen für die jungen Pflege­rin­nen und Pfleger oder auch die älteren?

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Eva Pütz auf dem Weg in ihre Station Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Pütz: Trans­pa­renz ist da ein ganz wichti­ger Aspekt. Gerade in Zeiten des Inter­nets. Wir haben unsere Liste sehr trans­pa­rent gemacht, sind auf allen Social­Me­dia-Kanälen aktiv mit unseren persön­li­chen Profi­len. Ich denke, wir sind eine greif­bare Gruppe. Das wird uns auch in Zukunft weiter beglei­ten: dass wir die Dinge, die wir in der Kammer­ver­samm­lung bearbei­ten, dann auch wieder zurück bringen an die Basis.

Dass alle ein Feedback erhal­ten, was passiert. Unsere Vernet­zung ist sehr groß, auch in die Fachbe­rei­che. Das ist auch das, was die Menschen erwar­ten. Wir geben etwas zurück mit dieser Kammer.

Berufs­po­li­tik für die Ausbil­dung

Huitenga: Wir haben mit Dominik Stark auch einen Insta­gram-Influen­cer auf unserer Liste, der sich sehr stark für die jüngere Genera­tion einsetzt. Es ist uns ein Anlie­gen, das Thema Berufs­po­li­tik für die Ausbil­dung voran zu bringen.

Rechts­de­pe­sche: Zum Fachbe­reich Psych­ia­trie – welche Notwen­dig­kei­ten gibt es dort in den Versor­gungs­struk­tu­ren? Was muss getan werden, die Psych­ia­trien im Land sind rappel­voll.

Pütz: Es gibt da sehr viel zu tun, ich will mich auf zwei wesent­li­che Punkte beschrän­ken, die mich in der tägli­chen Arbeit sehr bewegen. Einer­seits sind es die Weiter­bil­dungs­an­ge­bote, die ja aktuell nicht standar­di­siert sind. Die Inhalte, die vermit­telt werden, sind zu unter­schied­lich. Es fehlen wegwei­sende Konzepte, wie die Mitar­bei­te­rIn­nen nach der Fortbil­dung überhaupt einge­setzt werden können.

Das sind Dinge, die in einer Pflege­kam­mer geregelt werden können. Eine Verein­heit­li­chung der Inhalte der Weiter­bil­dung zum Beispiel sowie neue Rollen­pro­file.

Neue Aufstiegs- und Entwick­lungs­mög­lich­kei­ten schaf­fen

Huitenga: Es kann ja nicht sein, dass ich zwei Jahre fortge­bil­det werde und dann nicht weiß, wie es weiter­geht oder danach die selben Tätig­kei­ten mache wie vorher. Sonst fragt sich jeder: Warum soll ich das machen?

Wir hoffen, das es in Zukunft weitere Aufstiegs- und Entwick­lungs­mög­lich­kei­ten gibt. Nicht nur im Manage­ment, auch in den einzel­nen Fachbe­rei­chen. Schaue ich auf die Ärzte, dann gibt es einen Assis­tenz­arzt, einen Facharzt usw. – ich denke wir sind uns einig, dass wir das auf die Pflege in einer ähnli­chen Weise übertra­gen wollen.

Rechts­de­pe­sche: Wo liegen die Probleme in der pädia­tri­schen Pflege?

Huitenga: Die pädia­tri­sche Pflege hat ein Nachwuchs­pro­blem. Natür­lich können wir das nicht genau evalu­ie­ren zu diesem Zeitpunkt, da würde eine Kammer helfen. Ohne Kammer wissen wir das einfach nicht. Im Zuge der Genera­lis­tik werden aber immer weniger Kinder­kran­ken­pfle­ge­rIn­nen ausge­bil­det. Es gibt wenige Schulen, die das gezielt ausbil­den.

In der Genera­lis­tik ist es halt so gedacht, dass anschlies­send Fachwei­ter­bil­dun­gen statt­fin­den. Wir haben Beden­ken, dass genug Fachwei­ter­bil­dun­gen statt­fin­den. Das Land NRW muss aber ein Inter­esse daran haben. Das ist ganz, ganz wichtig. Es kann nicht sein, dass die Schwächs­ten in unserer Gesell­schaft darun­ter leiden, dass wir in einem profit­ori­en­tier­ten System leben, in denen Kinder­kli­ni­ken oft nur defizi­tär überle­ben können. Daran muss sich etwas ändern!

Überblick über Perso­nal­struk­tur erhal­ten durch Kammer

Rechts­de­pe­sche: Stich­wort Kranken­haus­pla­nung. Wie wollt ihr da Einfluß nehmen mit der Kammer und eine gute Versor­gung mit gewähr­leis­ten?

Pütz: Das Problem ist ja die Kranken­haus­pla­nung einer­seits und das Betrei­ben von Betten in den Häusern anderer­seits. Man muss sich ja auch überle­gen, wie man in Zeiten des Perso­nal­man­gels überhaupt Leute an die einzel­nen Orte – beispiels­weise auf dem Land – bringt. Der Vorteil, den eine Kammer ganz plastisch bietet ist ja, dass wir einen genauen Überblick haben, wieviele Pflege­kräfte es überhaupt gibt an den einzel­nen Stand­or­ten? Wo arbei­ten die, was machen die genau, wo gibt es welche Probleme?

Wenn man diese Zahlen hat, kann man monito­ren und gegen­steu­ern. So dass man beispiels­weise beim Mangel an Kinder­kran­ken­pflege zeitig dagegen halten, Entwick­lun­gen und Fehlent­wick­lung früh erken­nen kann. Das muss ja bei der Kranken­haus­pla­nung auch alles beach­tet werden. Für mehr Effizi­enz und Nachhal­tig­keit.

Huitenga: Eine Organi­sa­tion, die genaue Einbli­cke hat, was in der Berufs­gruppe vor sich geht, ist deshalb wichtig. Es kann nicht sein, dass wir als Pflege­kräfte in der Kranken­haus­pla­nung kein klares Mitspra­che­recht haben. Wir haben generell sicher gerade auch einen Ärzte­man­gel – aber der wirklich limitie­rende Faktor ist die Pflege.

Rechts­de­pe­sche: Vielen Dank für das Gespräch!

Zu den Perso­nen: Eva Pütz ist 29 Jahre alt und arbei­tet als Gesund­heits- und Kranken­pfle­ge­rin. Sie ist für Teamlei­tung in der Psycha­trie der Unikli­nik Köln verant­wort­lich. Lino Huitenga ist 32 Jahre alt und ausge­bil­de­ter Gesund­heits- und Kranken­pfle­ger. Zur Zeit studiert er neben dem Job das Fach „Pflege­ma­nage­ment“. Beide stehen bis zum 31. Oktober 2022 zur Wahl der Kammer­ver­samm­lung der Pflege­kam­mer Nordrhein-Westfa­len – das erste Pflege­par­la­ment in NRW.