Teilzeitbeschäftigte
Ein Ende der Benach­tei­li­gung Teilzeit­be­schäf­tig­ter ist in Sicht Bild: © Adonis1969 | Dreamstime.com

Es ist ein Grund­satz­ur­teil des BAG:

Die Vergü­tung von Überstun­den darf nicht pauschal davon abhän­gig gemacht werden, dass die regel­mä­ßige Arbeits­zeit eines Vollzeit­be­schäf­tig­ten überschrit­ten wird. Eine solche tarif­li­che Regelung diskri­mi­niert Teilzeit­be­schäf­tigte – und mittel­bar damit oftmals Frauen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Ungleich­be­hand­lung sachli­che Gründe zugrunde liegen.

Geklagt hatte eine Frau, die in Teilzeit als Pflege­kraft bei einem ambulan­ten Dialy­se­an­bie­ter beschäf­tigt ist.

Nach dem gelten­den Tarif­ver­trag gibt es zwar einen Zuschlag für Überstun­den, aber nur für solche, die über die monat­li­che Arbeits­zeit eines vollzeit­be­schäf­tig­ten Arbeit­neh­mers hinaus geleis­tet werden und im jewei­li­gen Kalen­der­mo­nat nicht etwa durch Freizeit­ge­wäh­rung ausge­gli­chen werden können.

Teilzeit­be­schäf­tigte klagt

Die Arbeit­neh­me­rin hatte zahlrei­che Überstun­den angesam­melt. Dafür hatte sie aber weder Zuschläge ausge­zahlt bekom­men noch Zeitgut­schrif­ten für ihr Arbeits­zeit­konto erhal­ten. Sie klagte und verlangte die Gutschrift von Überstun­den­zu­schlä­gen.

Zudem sei sie nach § 15 Abs. 2 AGG zu entschä­di­gen – und zwar in Höhe eines Viertel­jah­res­ver­diens­tes.

Das Arbeits­ge­richt erkannte weder den einen noch den anderen Anspruch an. Vor dem Landes­ar­beits­ge­richt erstritt die Teilzeit­be­schäf­tigte die Zeitgut­schrift, die Entschä­di­gung wurde ihr aber versagt.

Erst vor dem Bundes­ar­beits­ge­richt (BAG) drang sie auch hiermit durch. Aller­dings nur in Höhe eines Betra­ges von 250 Euro (Urteil vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20).

Zur Urteils­be­grün­dung schreibt das BAG:

Einen sachli­chen Grund für diese Ungleich­be­hand­lung konnte der Senat nicht erken­nen. Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ergebende Unwirk­sam­keit der tarif­ver­trag­li­chen Überstun­den­zu­schlags­re­ge­lung führt zu einem Anspruch der Kläge­rin auf die einge­klagte weitere Zeitgut­schrift. Daneben war ihr eine Entschä­di­gung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuer­ken­nen. Durch die Anwen­dung der tarif­ver­trag­li­chen Regelung hat die Kläge­rin auch eine mittel­bare Benach­tei­li­gung wegen des Geschlechts erfah­ren. In der Gruppe der beim Beklag­ten in Teilzeit Beschäf­tig­ten, die dem persön­li­chen Anwen­dungs­be­reich des MTV unter­fal­len, sind zu mehr als 90 vH Frauen vertre­ten.

Diskri­mi­nie­rung wegen des Geschlechts

So sei die Frau wegen ihres Geschlechts diskri­mi­niert worden. Der Tarif­ver­trag verstoße gegen das Verbot der Benach­tei­li­gung von Teilzeit­be­schäf­tig­ten (§ 4 Abs. 1 TzBfG), entschied das BAG, nachdem es den EuGH um Vorab­ent­schei­dung gebeten hatte.

Der Tarif­ver­trag sei insoweit unwirk­sam, als er bei Teilzeit­be­schäf­ti­gung keine der Teilzeit­quote entspre­chende antei­lige Absen­kung der Grenze für die Gewäh­rung eines Überstun­den­zu­schlags vorsieht.

Kein sachli­cher Grund für Ungleich­be­hand­lung

Einen sachli­chen Grund für diese Ungleich­be­hand­lung sah das BAG nicht.

Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ergebende Unwirk­sam­keit der tarif­ver­trag­li­chen Überstun­den­zu­schlags­re­ge­lung führe zu einem Anspruch auf die einge­klagte Zeitgut­schrift.

Durch die Anwen­dung der tarif­li­chen Regelung sei die Pflege­kraft auch mittel­bar wegen ihres Geschlechts benach­tei­ligt worden. Denn: Die bei ihrem Arbeit­ge­ber in Teilzeit Beschäf­tig­ten seien zu 90 Prozent Frauen (siehe Kasten oben).

Aller­dings hielt das BAG 250 Euro für ausrei­chend als Schadens­aus­gleich und zur Abschre­ckung des Arbeit­ge­bers.

In Deutsch­land arbei­ten nach Zahlen des Statis­ti­schen Bundes­amts mehr als zwölf Millio­nen Menschen in Teilzeit.

Beson­ders hoch ist der Anteil bei Frauen. Die sogenannte „Vollzeit­quote“ bei Überstun­den­zu­schlä­gen ist nach Angaben von Arbeits­recht­lern in vielen Tarif­ver­trä­gen enthal­ten. Der Präze­denz­fall für dieses Grund­satz­ur­teil kam jetzt aus Hessen.

FAQ

Wieviele Menschen arbei­ten in Deutsch­land in Teilzeit?

Mehr als zwölf Millio­nen Menschen in Deutsch­land arbei­ten in Teilzeit (Stand: Dezem­ber 2024). Davon sind ungefähr 90 Prozent Frauen.

Wie regelt der Tarif­ve­trag die Vergü­tung von Überstun­den?

Eine Entloh­nung von Überstun­den ist nur dann vorge­schrie­ben, wenn die Mehrar­beit während der Arbeits­zeit angeord­net oder gebil­ligt wurde.

Das heißt, der Arbeit­ge­ber muss Überstun­den bei Teilzeit auch dann bezah­len, wenn er diese zwar nicht angeord­net, sie aber trotz Kennt­nis­nahme auch nicht unter­bun­den hat.

Mit einer entspre­chen­den Klausel im unbefris­te­ten oder befris­te­ten Arbeits­ver­trag kann die Vergü­tung unauf­ge­for­der­ter Überstun­den bei Teilzeit ausge­schlos­sen werden.

Fazit

Teilzeit­kräfte haben densel­ben Anspruch auf Überstun­den­zu­schläge wie Vollzeit­be­schäf­tigt. Gelten soll das schon ab der ersten Überstunde.

Teilzeit­be­schäf­tigte werden mit dem Urteil besser gestellt, wenn es um die Bezah­lung von Überstun­den geht. In Deutsch­land sind es vor allem Millio­nen Frauen, die in Teilzeit arbei­ten. Bislang wer­den sie bei Über­stun­den­zu­schlä­gen schlech­ter be­han­delt als voll­zeit­be­schäf­tig­te Kolle­gin­nen und Kolle­gen.

Eine Ausnahme von der neuen Regelung ist nur dann zuläs­sig, wenn sachli­che Gründe eine unter­schied­li­che Behand­lung recht­fer­ti­gen (Urt. v. 05.12.2024, Az. 8 AZR 370/20).