Verdienst
Im Ausland wird mehr Geld in der Pflege verdient als in Deutsch­land

„Ameri­ka­ni­sche Verhält­nisse“ im Job? Top-Verdienst? Zu diesem Stich­wort fällt einem norma­ler­weise spontan wenig Gutes ein. Überstun­den bis zum Geht-nicht-mehr, Dauer-Leistungs­druck, keine Tarif­ver­träge, keine Gewerk­schaf­ten, wenig Urlaub, kein Kündi­gungs­schutz, Konkur­renz­kampf im Kolle­gen­kreis, Konfor­mi­täts­druck, Pflicht zur ständi­gen Verfüg­bar­keit, Burn-Out – und so weiter. Und, natür­lich, eine tenden­zi­ell miese Bezah­lung.

Reise­tä­tig­keit zahlt sich aus: Spitzen­ge­häl­ter für flexi­ble Einsatz­kräfte

Umso erstaun­li­cher ist die Entwick­lung in den USA für Pflege­kräfte. In dem durch die Corona­pan­de­mie beson­ders gebeu­tel­ten Land – mit in der Winter-Spitze 2020/21 über 300.000 dokumen­tier­ten Infek­tio­nen täglich und inzwi­schen rund 750.000 an oder mit COVID Verstor­be­nen – fehlen die Fachkräfte auf den Kranken­sta­tio­nen. Die Corona-Wellen haben den Exodus der Beleg­schaft noch beschleu­nigt. Und nun? Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage, befreit vom tarif­ver­trag­li­chen „Korsett“, führt nun zu Traum­ver­diens­ten unter Pflegen­den.

Wie die Süddeut­sche Zeitung berich­tet, seien 6.000 US-Dollar – rund 5.200 Euro – pro Woche (!) inzwi­schen Standard für flexi­ble Kräfte, die bei Bedarf einsprin­gen und übers Land reisen, den sogenann­ten Travel Nurses. Selbst Wochen­ver­dienste von 8.000 oder 10.000 Dollar seien keine Selten­heit mehr.

Die Sprin­ger auf den Kranken­sta­tio­nen, die norma­ler­weise die Ausnahme seien, hätten durch die Corona­pan­de­mie wesent­lich besser zu tun. Gerade auch auf den Inten­siv­sta­tio­nen. Aller­dings haben ameri­ka­ni­sche Pflege­kräfte, im Gegen­satz zu den meisten ihrer Kolle­gin­nen und Kolle­gen in Deutsch­land, regel­mä­ßig eine akade­mi­sche Ausbil­dung im Gepäck. Mit der Folge, dass sie unter anderem auch kleinere Unter­su­chun­gen sowie Medika­men­ten-Verord­nun­gen selbst vorneh­men dürfen.

Doch auch hier wiederum: Auf eine Erwei­te­rung der Kompe­ten­zen warten die Beschäf­tig­ten in der Pflege­bran­che in Deutsch­land schließ­lich geradezu hände­rin­gend. Und was die Akade­mi­sie­rung angeht:
Konse­ku­tive – das heißt auf eine bereits vorhan­dene beruf­li­che Ausbil­dung aufsat­telnde – Studi­en­gänge gibt es zwar schon seit Länge­rem, beispiels­weise in der Pflege­päd­ago­gik und im Pflege­ma­nage­ment. Wenn es hinge­gen um die grund­stän­dige Akade­mi­sie­rung der Pflege geht, nimmt diese nur sehr, sehr langsam Fahrt auf.

„If you’re going…“: Bis zu 140.000 Euro Jahres­ver­dienst winken in San Francisco

Doch auch abseits der reisen­den Spitzen­ver­die­ne­rin­nen und ‑verdie­ner unter den Pflegen­den sind US-Pflege­kräfte weitaus besser dran als ihre Gegen­stü­cke hierzu­lande. So beträgt, laut eines Branchen-Gehaltspor­tals, der Durch­schnitt-Jahres­ver­dienst in den Verei­nig­ten Staaten derzeit 73.550 Dollar – also knapp 64.000 Euro. Hierbei sind jedoch die Unter­schiede groß, abhän­gig von der regio­na­len Wirtschafts­kraft und – auch hier wieder – von Angebot und Nachfrage. Im „reichen“ Bundes­staat Kalifor­nien liegt das Einkom­men jenseits der 100.000 Dollar, in der Metro­pol­re­gion San Francisco oder in San José (Silicon Valley) sogar bei bis zu 140.000 bezie­hungs­weise 130.000 Dollar.

Knapp 90.000 Euro zahlt man im Schnitt im wohlha­ben­den Ostküs­ten­staat Massa­chu­setts, im Bundes­staat New York immer­hin noch über 80.000. Jedoch auch die Verdienste in ärmeren Staaten dürften die meisten deutschen Pflege­kräfte neidisch machen: In dem ländlich-agrarisch gepräg­ten Prärie­staat South Dakota, oder den tradi­tio­nell struk­tur­schwa­chen Südstaa­ten Missis­sippi und Alabama, sind es immer noch rund 57.000 bis 58.000 Dollar.

Zum Vergleich: Laut einer Studie der OECD lag der deutsche Verdienst in der Pflege im Jahr 2017 – in US-Dollar umgerech­net und eine Kaufkraft­pa­ri­tät zwischen den unter­such­ten Ländern berück­sich­tigt – bei 53.600, und damit nur knapp über dem Schnitt der 33 OECD-Staaten (49.000 Dollar Kaufkraft­pa­ri­tät). An der Spitze lag hier Luxem­burg, mit „kalifor­nisch“ anmuten­den 108.900 Dollar (KKP). Unter den teilweise weit vor Deutsch­land liegen­den europäi­schen Ländern befin­den sich die Nieder­lande, die Schweiz, Irland, Belgien, Dänemark und – wenn auch recht knapp – Spanien.

Es bleibt also genug zu tun also für die neue Bundes­re­gie­rung, die Gewerk­schaf­ten und die Gesell­schaft, um die Bezah­lung in der Pflege zu verbes­sern! Luft nach oben, das zeigt der Blick ins Ausland, gibt es durch­aus reich­lich.