Rechtsdepesche: Ihr Partner Dr. Dirk Hochlenert berichtete in der Mai/Juni-Ausgabe der RDG über die Versorgung von DFS-Patienten durch Netzwerke. Welche Vorteile genießen Ihre Patienten darüber hinaus?
Dr. Gerald Engels: Die Patienten erhalten alle notwendigen diagnostischen und therapeutischen Verfahren extrem zeitnah zur Verfügung gestellt, das heißt, eine Schnittstellenproblematik zwischen den Sektorengrenzen existiert in unseren Netzwerken nicht. Der Patient wird so in unser System eingeschleust, wie es gerade nötig ist. Die zeitnahe Deeskalation des Wundszenarios und die Optimierung des Heilungsverlaufs liegen auf der Hand.
Rechtsdepesche: Die Vergütungsstruktur in der Wundversorgung wird oftmals bemängelt. Gibt es hierzu Lösungen?
Engels: In der Regelversorgung erhält der niedergelassene Chirurg in Nordrhein derzeit unter 25 Euro pro Quartal. Hier muss man sich sehr gut überlegen, was man tut, sonst gerät man schnell in eine Schieflage. Im Rahmen unserer Netzwerkstrukturen und der daran geknüpften IV-Verträge sind wir in der Lage, die Patienten mit Diabetischem Fußsyndrom (DFS) kostendeckend zu behandeln. Die Vergütung erlaubt eine Investition in die personelle und materielle Professionalisierung der Strukturen und ermöglicht dadurch eine effiziente Schwerpunktversorgung der DFS-Patienten.
Rechtsdepesche: Der finanzielle und personelle Aufwand der Behandlung von Patienten mit DFS ist sehr hoch. Wie stehen Sie zur verantwortlichen Einbindung von qualifizierten Pflegenden, und wie stellt sich für Sie deren Vergütung dar?
Engels: Klar ist, dass der Behandlungsaufwand von chronischen Wundpatienten nicht von den Ärzten alleine gestemmt werden kann. Das Patientenaufkommen und die Intensität der Behandlungen sind einfach zu hoch. Die Ärzte brauchen die Pflege – die qualifizierte Pflege durch verantwortliches, gut ausgebildetes Fachpersonal. Dessen Leistungen müssen auch vergütet werden, das versteht sich von selbst. Momentan ist die Vergütung der Pflegenden in der Wundversorgung regional noch sehr unterschiedlich geregelt. Hier bedarf es einer grundsätzlichen Überprüfung der Leistungsstrukturen unter Berücksichtigung der Qualifikation.
Rechtsdepesche: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit von Medizin und Pflege in Ihrem Netzwerk?
Engels: Wir unterhalten verschiedene, gut funktionierende Kooperationen mit ambulanten Pflegediensten. Voraussetzung für die Kooperation mit den Netzwerkärzten ist, dass die Pflegedienste ihre Struktur und Prozessqualität exakt definieren. Beispielsweise muss der Pflegedienst mindestens drei wundtherapeutisch weitergebildete Mitarbeiter beschäftigen und eine solide, lückenlose Kommunikationsstruktur vorhalten. Außerdem muss natürlich sichergestellt sein, dass bei einem unerwarteten Verlauf die unverzügliche Rückmeldung an das Wundzentrum erfolgt.
Rechtsdepesche: Wie ist die Resonanz der Patienten auf das Angebot der IV-Versorgung?
Engels: Extrem gut. Mittlerweile hat sich die Qualität unserer Konzepte in den Regionen – auch über die Krankenkassen – herumgesprochen, so dass wir zunehmend kleinere chirurgische Eingriffe in einem frühen Stadium vornehmen und Schlimmeres verhindern können. Ein Problem stellen allerdings die Patienten dar, die durch ihre polyneuropathische Störung und das fehlende Warnsignal „Schmerz“ ihr Risiko nicht realisieren und deshalb den Weg zum Arzt nicht früh genug finden.
Rechtsdepesche: Wird bei der Versorgung des DFS durch die Netzwerkpartner Wert auf die Anwendung bestimmter Verfahren gelegt?
Engels: Wir arbeiten konsequent leitliniengerecht, und zwar zeitnah. Natürlich ist die systematisch entwickelte S3-Versorgungsleitlinie „Diabetischer Fuß“ der AWMF für uns von besonderer Bedeutung.
Rechtsdepesche: Wie beurteilen Sie den Stellenwert des DFS in Medizin und Pflegewissenschaft?
Engels: Ich glaube, dass die Risikoprofile des DFS regelhaft nicht hinreichend beachtet werden. Das gilt insbesondere für hospitalisierte Patienten, die im Rahmen ihrer Neuropathie zum Beispiel unnötige Druckläsionen durch Fußbretter in Krankenhausbetten erleiden. Weiterhin sollte die Komplexität des DFS Einzug in die Risiko-Skalen finden.
Rechtsdepesche: Sind für die Zukunft hierzu Publikationen geplant, und/oder setzen Sie auf das Internet zur Wissensvermittelung?
Engels: Es fehlt eine Evaluation der chirurgischen Verfahren im DFS-Bereich. Hier ist dringender Handlungsbe darf. Wir planen eine interaktive Struktur, durch die der Blickwinkel auf einzelne biomechanisch relevante Phänomene in der Entwicklung von typischen Fußläsionen bei DFS-Patienten in den Fokus der Behandler gerückt werden kann. Die Entscheidung pro Print oder pro Elektronik ist noch nicht gefallen.
Das Interview führte Michael Schanz.