Selbstständige Beschäftigung oder doch abhängig - das ist hier die Frage
Auch Mitar­bei­ter, die nach dem Vertrags­wort­laut selbst­stän­dig tätig sind, können sich in einer abhän­gi­gen Beschäf­ti­gung befin­den. Entschei­dend sind die tatsäch­li­chen Gesamt­um­stände. Bild: TheShiv76/Pixabay.com

Die Kläge­rin, eine staat­lich anerkannte Fachkran­ken­schwes­ter für opera­tive Funkti­ons­be­rei­che, schloss im Jahr 2013 mit einem Klini­kum einen Dienst­ver­trag ab. Dieser sah unter anderem vor, dass die Kläge­rin als freie Mitar­bei­te­rin Dienst­leis­tun­gen als Fachkraft im OP-Dienst zu erbrin­gen hatte. Hierun­ter fiel die Planung, Durch­füh­rung und Dokumen­ta­tion von OP-Diens­ten. Die Tätig­keit sollte im Namen des Klini­kums erfol­gen, ohne dabei aber ein Arbeit­neh­mer­ver­hält­nis zu begrün­den. Die Kläge­rin hatte eigene Berufs­be­klei­dung und ein eigenes Namens­schild einzu­set­zen, welches sie als Honorar­kraft auswies. Ein Anspruch auf Entgelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall bestand nicht.

In der Folge wurde die Kläge­rin mehrfach für die Klinik im OP-Bereich tätig. Aus hygie­ni­schen Gründen war dort zwingend sogenannte Bereichs­klei­dung zu tragen, die vom Klini­kum gestellt wurde. An dieser Kleidung war zwar das von der Kläge­rin gestellte Namens­schild angesteckt. Im eigent­li­chen OP-Saal wurde jedoch über diese Bereichs­klei­dung dann ein steri­ler Kittel gezogen, der das Namens­schild überdeckte und somit eine Unter­schei­dung von anderen Kräften unmög­lich machte.

Bei der Opera­tion musste die Kläge­rin dem Opera­teur die von ihm gewünsch­ten Instru­mente und Materia­lien reichen, ohne dass sie hierauf selbst Einfluss nehmen konnte. In welcher Reihen­folge sie das Besteck und die Materia­lien vor sich auslegte, war der Kläge­rin hinge­gen – im Gegen­satz zu anderen Schwes­tern oder Pflegern – freige­stellt. Die Kläge­rin hatte zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu Patien­ten in wachem Zustand.

Nachdem sowohl die Klinik als auch die Kläge­rin einen Antrag auf Feststel­lung des sozial­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Status gestellt hatten, stellte die beklagte Renten­ver­si­che­rung fest, dass die Kläge­rin abhän­gig beschäf­tigt sei und daher eine Sozial­ver­si­che­rungs­pflicht bestehe.

Selbst­stän­dige Beschäf­ti­gung: Tatsäch­li­che Verhält­nisse sind ausschlag­ge­bend

Die von der Kläge­rin hierge­gen erhobene Klage vor dem Sozial­ge­richt Mainz hatte keinen Erfolg (Urteil vom 18. März 2016 – S 10 R 205/14). Die Richter kamen nach einer Gesamt­ab­wä­gung aller Umstände zu der Feststel­lung, dass die Kläge­rin als sozial­ver­si­che­rungs­pflich­tige Beschäf­tigte für die Klinik tätig war.

Zwar spreche der Wortlaut der vertrag­li­chen Verein­ba­rung für eine selbst­stän­dige Tätig­keit. Diese erkenn­bar von den Vertrags­par­teien gewünschte Rechts­folge sei aber nicht ausschlag­ge­bend. Entschei­dend seien vielmehr die tatsäch­li­chen Verhält­nisse, die vorlie­gend für einen Status als abhän­gig Beschäf­tigte sprächen.

Selbst­stän­dig­keit setzt eigenes unter­neh­me­ri­sches Risiko voraus

So habe die Kläge­rin etwa keinen Einfluss darauf gehabt, wann konkret Opera­tio­nen durch­ge­führt wurden. Diesbe­züg­lich habe sie sich in den Klinik­be­trieb einglie­dern müssen. Insofern habe sie auch nicht wie eine Selbst­stän­dige ein beson­de­res unter­neh­me­ri­sches Risiko zu tragen gehabt.

Weiter habe sie im Krank­heits­fall ledig­lich dem Klini­kum absagen, sich aber nicht weiter um einen Ersatz kümmern müssen, wie dies auch bei norma­len Arbeit­neh­mern der Fall sei. Und schließ­lich habe sie während der Opera­tio­nen die Kranken­haus­klei­dung der Klinik tragen müssen, sodass von außen eine Unter­schei­dung von anderen angestell­ten Mitar­bei­tern nicht möglich gewesen sei.

Anmer­kung: Ähnlich urteilte bereits das Bayeri­sche Landes­so­zi­al­ge­richt im Oktober 2015 – siehe RDG 2016, S. 23f.