Pflegereport
Welche Lehren können aus dem DAK-Pflege­re­port 2025 gezogen werden? Wir haben den Überblick.

Hoher Reform­be­darf in der Pflege, die überein­stim­mende Erwar­tung von steigen­den Beiträ­gen und sinken­den Leistun­gen, eine einhel­lige Forde­rung nach größe­rem politi­schem Engage­ment für die Pflege­bran­che – und das alles vor dem Hinter­grund einer sich verschlech­tern­den Finanz­lage der gesetz­li­chen Pflege­ver­si­che­rung: Der nun vorge­legte DAK-Pflege­re­port 2025 macht die großen Aufga­ben für die Bundes­po­li­tik, eine auch in Zukunft verläss­li­che Pflege zu sichern, mehr als deutlich.

Zugleich mahnt der Report an, gezielt die regio­na­len Struk­tu­ren und Netzwerke in der Pflege zu stärken, um die Betreu­ungs­si­tua­tion insge­samt zu verbes­sern und vorhan­dene Poten­ziale in der Zusam­men­ar­beit stärker zu nutzen. „Die künftige Pflege­re­form hat sich, viel stärker als in der Vergan­gen­heit, den Wirklich­kei­ten der Pflege in den Städten und Gemein­den zu widmen“, so Prof. Dr. habil. Thomas Klie, der feder­füh­rende Autor des Pflege­re­ports, den die gesetz­li­che Kranken­kasse am 22. Mai 2025 vorge­legt hatte.

Für die Befra­gung im Rahmen der Studie hatte das Insti­tut für Demosko­pie Allens­bach (IfD) zwischen dem 31. Oktober und dem 14. Novem­ber 2024 insge­samt 4580 Perso­nen zwischen 16 und 70 Jahren in ganz Deutsch­land online befragt. Zudem nutzte die DAK eigene Abrech­nungs­da­ten aus den Jahren 2017 bis 2024, sowie Infor­ma­tio­nen zu den durch­ge­führ­ten Pflege­be­ra­tun­gen aus dem Dokumen­ta­ti­ons-Software­sys­tem der Kasse.

Wir haben im Folgen­den fünf Erkennt­nisse aus dem umfang­rei­chen Pflege­re­port ausge­macht:

Erkennt­nis 1: Um die Finan­zen der gesetz­li­chen Pflege­ver­si­che­rung steht es schlecht.

Die Zeiten weitge­hend ausge­gli­che­ner Haushalte in der gesetz­li­chen Pflege­ver­si­che­rung schei­nen fürs erste vorbei: Laut der Berech­nung der DAK wird das Defizit im laufen­den und dem folgen­den Jahr deutlich wachsen. Haupt­ur­sa­che hierfür ist die starke Zunahme der Zahl der Pflege­be­dürf­ti­gen und eine „völlig unzurei­chende Bereit­stel­lung von Mitteln für Reform­maß­nah­men auf Ausga­ben­seite“, heißt es im Pflege­re­port.

Während das Gesamt­sys­tem im Jahr 2023 noch mit knapp 1,8 Milli­ar­den Euro im Plus war (Einnah­men: 61,01 Milli­ar­den Euro, Ausga­ben: 59,23 Milli­ar­den Euro), ist die Pflege­ver­si­che­rung 2024 ins Minus gekippt, mit einem Defizit von 1,54 Milli­ar­den Euro. Der große Ausga­ben­sprung von fast neun Milli­ar­den Euro konnte durch die um 5,65 Milli­ar­den Euro gestie­ge­nen Einnah­men nicht wettge­macht werden. Für das laufende Jahr 2025 erwar­tet die DAK ein Minus von 1,65 Milli­ar­den Euro, für 2026 sogar von 3,5 Milli­ar­den Euro – mehr als eine Verdopp­lung zu 2024. Auch hier gilt: Die Ausga­ben laufen den (ebenfalls etwas steigen­den) Einnah­men davon.

Dabei war der Beitrags­satz zur Pflege­ver­si­che­rung zum Jahres­be­ginn um 0,2 Prozent­punkte erhöht worden. Dies reiche nicht aus, so die Autoren. Bliebe alles, wie es ist, drohe noch im laufen­den Jahr eine Beitrags­satz-Erhöhung um abermals 0,3 Prozent­punkte auf dann 3,9 Prozent, warnt die Studie. Als Sofort­maß­nah­men, um die aktuelle Schief­lage zu korri­gie­ren, schlägt das Ausar­bei­tungs-Team für 2025 und 2026 eine Rückzah­lung der von den Pflege­kas­sen geleis­te­ten Corona­hil­fen in Höhe von jeweils 2,6 Milli­ar­den Euro vor. 2026 könnten die Pflege­kas­sen von den Renten­ver­si­che­rungs-Beiträ­gen für pflegende Angehö­rige entlas­tet werden, was weitere vier Milli­ar­den Euro brächte.

„Die finan­zi­elle Stabi­li­sie­rung der Pflege­ver­si­che­rung muss bereits mit der Aufstel­lung des Bundes­haus­halts im nächs­ten Monat angegan­gen werden. Die Probleme dulden keinen Aufschub“, appel­liert Andreas Storm, Vorstands­vor­sit­zen­der der DAK-Gesund­heit. „Es reicht aber nicht, nur die aktuelle Finanz­krise zu lösen. Wir brauchen auch eine nachhal­tige Struk­tur­re­form, um dem drohen­den Pflege­kol­laps gezielt gegen­zu­steu­ern. Dabei muss den Engpäs­sen begeg­net werden, ohne den Ausga­ben­an­stieg der Sozia­len Pflege­ver­si­che­rung noch weiter zu erhöhen.“

Erkennt­nis 2: Es gibt große Kritik am deutschen Pflege­sys­tem insge­samt.

„Das Pflege­sys­tem müsste umfas­send refor­miert werden“: Dieser These stimm­ten 77 Prozent der bei der reprä­sen­ta­ti­ven Studie Befrag­ten zu, nur 9 Prozent lehnten sie ab. Gezielt gefragt nach der Quali­tät der Betreu­ung von Pflege­be­dürf­ti­gen in Deutsch­land, bezeich­ne­ten diese nur fünf Prozent als sehr gut und weitere 26 Prozent als gut – dagegen 41 Prozent als nicht so gut und 24 Prozent als gar nicht gut. Eine knappe Zweidrit­tel­mehr­heit jener, die sich äußer­ten, beurteil­ten den Status Quo der Pflege in Deutsch­land also als negativ.

Auf die Frage, ob sich die Politik genug um die Pflege kümmere oder aber mehr tun müsste, sagten laut Pflege­re­port nur 10 Prozent, dass das Thema einen verdien­ten Stellen­wert in der politi­schen Arbeit besitze; 85 Prozent dagegen, dass die Politik mehr tun müsse.

Erkennt­nis 3: Die Menschen fürch­ten, dass Pflege in Zukunft (noch mehr) eine Frage des Geldes wird.

Dass die 1995 (eigens hierfür gegrün­dete!) gesetz­li­che Pflege­ver­si­che­rung auch in Zukunft sicher­stel­len könne, finan­zi­elle oder betreue­ri­sche Schief­la­gen aufgrund einer Pflege­be­dürf­tig­keit abzuwen­den, damit rechnen nur noch wenige. So bejah­ten 92 Prozent der Befrag­ten die These „Es wird vor allem Wohlha­ben­den möglich sein, sich eine gute Pflege zu leisten“.

Weitere 91 Prozent rechne­ten damit, dass die Kosten­be­las­tung für Pflege­be­dürf­tige und ihre Familien weiter steige, 82 Prozent damit, dass die Pflege­ver­si­che­rung weniger Kosten überneh­men werde (also die Eigen­an­teile stiegen). Mit 84 Prozent ebenfalls eine deutli­che Mehrheit erwar­ten, dass viele Pflege­be­dürf­tige in Zukunft überhaupt keinen Pflege­dienst mehr bekämen.

Erkennt­nis 4: Die Pflege ist dennoch besser als ihr Ruf!

Positive Punkte für Pflege und Pflegende lassen sich aber ebenfalls aus dem Pflege­re­port ziehen: Wer persön­lich mit dem Thema Pflege in Berüh­rung gekom­men ist – ob als selbst Pflege­be­dürf­ti­ger oder im Bekann­ten­kreis –, beurteilt die Zustände in der Pflege deutlich positi­ver als jene, die das Thema nur „vom Hören­sa­gen“ oder aus den Medien kennen.

Unter denen, die pflege­er­fah­ren sind, bezeich­ne­ten 15 Prozent den Gesamt­zu­stand der Pflege als sehr gut und weitere 31 Prozent als gut (vergli­chen zu 4 und 24 Prozent der Befrag­ten ohne Einblick in die Pflege). Nicht so gut, oder gar nicht gut, befan­den die derzei­tige Lage „nur“ 33 bzw. 20 Prozent, vergli­chen zu 42 und 25 Prozent in der Gruppe ohne Pflege­er­fah­rung.

Ein ähnli­cher Befund bietet sich bei der Einschät­zung, wie sich die pflege­ri­sche Betreu­ung in den nächs­ten zehn Jahren entwi­ckeln werde: In der pflege­er­fah­re­nen Gruppe rechne­ten 20 bzw. 21 Prozent damit, dass sich das Betreu­ungs­ni­veau deutlich oder leicht verbes­sere, gegen­über 9 und 20 Prozent in der zweiten Gruppe – wenn auch jeweils eine Mehrheit davon ausgeht, dass sich die Bedin­gun­gen bis 2035 leicht oder sogar deutlich verschlech­tern werden.

Erkennt­nis 5: Pflege­be­ra­tung lohnt sich – muss aber bekann­ter werden!

Eine Pflege­be­ra­tung kann einem Pflege­be­dürf­ti­gen (sowie dessen Angehö­ri­gen) dabei helfen, die persön­li­chen Bedarfe zu erken­nen, einen Pflege­grad zu ermit­teln, das Wohnum­feld verbes­sern zu helfen, die richtige Form der pflege­ri­schen Versor­gung (häuslich, ambulant, statio­när oder in Form eines Tages­pflege-Angebots) heraus­zu­fin­den – sowie den Kontakt zu weite­ren Anlauf­stel­len wie Pflege­stütz­punk­ten oder ‑netzwer­ken herzu­stel­len.

Doch die Angebote sind noch nicht ausrei­chend bekannt: Auf die Frage, ob sie wüssten, an wen sie sich wenden könnten, sollte in naher Zukunft ein Angehö­ri­ger pflege­be­dürf­tig werden, bejah­ten dies nur 25 Prozent der Befrag­ten; 63 Prozent vernein­ten dies. Der Unter­schied zwischen Befrag­ten mit und ohne Pflege­er­fah­rung ist hier freilich wenig überra­schend (59 zu 37 Prozent versus 18 zu 69 Prozent).

Von denje­ni­gen, die selbst einmal eine Pflege organi­siert haben, hatten 54 Prozent Beratungs­leis­tun­gen tatsäch­lich in Anspruch genom­men, 46 Prozent dagegen nicht. 70 Prozent jener, die sie nutzten, fanden die Beratung hilfreich, nur 24 Prozent vernein­ten dies.

Die Vollver­sion des DAK-Pflege­re­ports 2025 ist auf der Website der DAK als E‑Book download­bar [PDF, 201 Seiten, 7 MB].