Sachverhalt
Am 22.1.2002 hatte sich die Klägerin wegen Oberbauchbeschwerden in einer chirurgischen Klinik vorgestellt. Am darauffolgenden Tag wurde sie zunächst stationär aufgenommen, dann über das Wochenende vorübergehend entlassen. Am 6.2.2002 führte der (beklagte) Chefarzt der Klinik eine Divertikeloperation am Zwölffingerdarm durch.
Infolge einer Nahtinsuffizienz kam es später zu einer schweren Bauchfellentzündung (Peritonitis) und einer eitrigen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis). Die Klägerin musste 49 Tage auf der Intensivstation behandelt werden, davon rund drei Wochen in einem künstlichen Koma unter Offenhaltung des Bauchraums. In der Folge kam es noch zu fünf weiteren Eingriffen.
Als Resultat des langen Liegens auf der Intensivstation leidet die Klägerin seit ihrer Entlassung unter einer Critical-Illness-Polyneuropathie am linken Unterschenkel und am Fuß.
Vor der Operation hatte der Stationsarzt Dr. S. zwei Gespräche mit der Klägerin geführt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dabei eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung erfolgte. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten – gestützt auf den Vorwurf einer unzureichenden Aufklärung – ein angemessenes Schmerzensgeld in der Größenordnung von 75.000 Euro.
Das Landgericht Itzehoe wies die Klage ab (Entscheidung vom 22.9.2004, Az.: 2 O 290/02). Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Schleswig hatte ebenfalls keinen Erfolg (Entscheidung vom 2.9.2005, Az.: 4 U 185/04). Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidung
Die Revision durch den Bundesgerichthof (Az.: VI ZR 206/05) führte zu einer Zurückverweisung des Falles an die Berufungsginstanz zur erneuten Entscheidung. Die Karlsruher Richter bemängelten, dass das Oberlandesgericht nicht geklärt hatte,
- ob vor dem Eingriff über das Risiko einer Pankreatitis aufzuklären war,
- die Klägerin vor der Operation ordnungsgemäß über eingriffsspezifische Risiken aufgeklärt worden ist
- oder ob gegebenenfalls auf eine hypothetische Einwilligung abzustellen gewesen wäre.
Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen, so der BGH, könne jedenfalls eine Haftung des Chefarztes nicht allein dadurch ausgeschlossen werden, dass ein etwaiger Aufklärungsfehler ihm nicht zurechenbar sei.
Richtig sei, dass ein Arzt grundsätzlich für alle nachteiligen Gesundheitsfolgen seines Patienten haftet, sofern die Behandlung nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckt ist. Eine solche wirksame Einwilligung setzt die ordnungsgemäße Aufklärung voraus. Demzufolge ist jeder behandelnde Arzt dazu verpflichtet, den Patienten hinsichtlich der von ihm übernommenen Behandlungsaufgabe aufzuklären.
Eine Delegation der Aufklärung ist zulässig, aber…
Die Delegation der Aufklärung auf einen anderen Arzt ist dabei generell nicht unzulässig: Voraussetzung hierfür ist, dass der nun nicht mehr selbst aufklärende Arzt durch geeignete Kontroll- und Organisationsmaßnahmen sicherstellt, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung gewährleistet ist.
Diese Sicherstellungspflicht gilt in besonderem Maße, wenn der Operateur als Chefarzt Vorgesetzter des aufklärenden Arztes und diesem somit ohnehin überwachungspflichtig und weisungsberechtigt ist.
Ein einfaches „sich darauf verlassen“, dass die Aufklärung durch den nachgeordneten Arzt ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, reicht jedenfalls nicht – und entbindet auch nicht von einer möglichen Haftung. Ganz im Gegenteil: Wenn der Arzt irrtümlich von einer ordnungsgemäßen Aufklärung – und damit fälschlicherweise auch von einer wirksamen Einwilligung des Patienten – ausgeht, bleibt die Behandlung insgesamt rechtswidrig.