Nasenspray gegen COVID-19: Wirksamkeit bisher nur an Frettchen getestet!
Nasen­spray gegen COVID-19: Wirksam­keit bisher nur an Frett­chen getes­tet! Bild: Foto (M): flockine & Pipsimv (pixabay.com)

Die ganze Welt redet über einen Corona-Impfstoff … Die ganze Welt? Nein! Einige Wissen­schaft­ler an der New Yorker Colum­bia Univer­si­tät leisten dem Forschungs-Mainstream unbeug­sa­men Wider­stand. Sie setzen auf ein neu entwi­ckel­tes Nasen­spray auf Lipopep­tid-Basis. Die Profes­so­ren Matteo Porotto und Anne Moscona konnten die antivi­rale Substanz bislang aber nur an Frett­chen testen, deren Lungen sich menschen­ähn­lich verhal­ten. Dabei erkrankte keines der Versuchs­tiere, dem das Nasen­spray verab­reicht wurde, obwohl diese auf engstem Raum mit infizier­ten Frett­chen gehal­ten wurden. Die Kontroll­gruppe, der ein norma­les Nasen­spray verab­reicht wurde, war nach 24 Stunden dagegen ebenfalls mit SARS-CoV‑2 angesteckt.

Aber kann die Lösung wirklich so einfach sein? Im medizi­ni­schen Fachjour­nal mBio illus­trier­ten die Forscher anhand eines 3D-Modells der mensch­li­chen Lunge, wie das preis­wert herzu­stel­lende, langfris­tig lager­bare und ohne extreme Kühlung auskom­mende Präpa­rat verhin­dern soll, dass SARS-CoV‑2 in die Wirts­zel­len des Körpers eindringt. Am 5. Novem­ber erschien ein Preprint der vorläu­fi­gen Unter­su­chungs­er­geb­nisse auf der Platt­form bioRxiv, aller­dings noch ohne „peer review“ durch andere Forscher. In einer nächs­ten Phase soll die Substanz auch an Freiwil­li­gen getes­tet werden.

Ergän­zung zu Impfstof­fen

Matteo Porotto und Anne Moscona sind dabei kein unbeschrie­be­nes Blatt. Sie leiten das Zentrum für Wirt-Patho­gen-Inter­ak­tion an der Colum­bia Univer­si­tät. Schon seit Jahren entwi­ckeln sie Lipopep­tide (kleine Prote­ine, die mit einem Chole­ste­rol- oder Tocophe­rol-Molekül verbun­den sind), um die Übertra­gung von Masern, Parain­flu­enza oder des in Asien verbrei­te­ten Nipah-Virus zu verhin­dern. Ihre entspre­chende Erfah­rung konnten sie nun in kürzes­ter Zeit auf COVID-19 übertra­gen.

Ihr Nasen­spray wäre vor allem für Menschen wichtig, die sich nicht impfen können oder deren Körper keine Immun­re­ak­tion entwi­ckelt. „Selbst im idealen Szena­rio, wo große Teile der Bevöl­ke­rung geimpft sind – bei gleich­zei­tig hohem Vertrauen in den Impfstoff und Einhal­tung aller Regeln“, so Moscona und Porotto, „werden solche antivi­ra­len Substan­zen ein wichti­ger zusätz­li­cher Baustein zum Schutz Einzel­ner und zur Eindäm­mung der Weiter­ver­brei­tung sein”.

Die Grund­la­gen­for­schung an Lipopep­ti­den zur Virus­be­kämp­fung begann bereits in den 80er Jahren. Sie führte zu diver­sen Verfah­ren und Patent­an­trä­gen, bis hin zu experi­men­tel­len Metho­den gegen Krebs. Am Deutschen Zentrum für Infek­ti­ons­for­schung arbei­tet man an antivi­ra­len Substan­zen auf Lipopep­tid-Basis, die eine Breit­band­wir­kung auf mehr als ein einzel­nes Virus haben.

Dauer­haf­ter Impfschutz durch Nasen­spray?

Während die US-Forscher für ihr Nasen­spray von einer Mindest­wirk­dauer von 24 Stunden ausge­hen, ist man an der Univer­si­tät in Tübin­gen optimis­ti­scher. Dort will man mit einem womög­lich mehrstu­fi­gen Verfah­ren dauer­haf­ten Impfschutz errei­chen. Hierbei setzen die Tübin­ger Wissen­schaft­ler auf ein „Vektor­ver­fah­ren“, das den für Menschen unschäd­li­chem Sendai-Virus als Träger nutzt.

Die jetzt schnell entwi­ckel­ten Impfstoffe der 1. Genera­tion hätten das Ziel, die Menschen vor einer schwer­wie­gen­den Infek­tion zu schüt­zen. „Das ist die Silber­me­daille“, so Ulrich Lauer, Leiter der Forscher­gruppe Virothe­ra­pie an der Medizi­ni­schen Klinik VIII der Univer­si­tät Tübin­gen gegen­über dem Westfä­li­schen Anzei­ger. Durch die intra­vas­ku­läre Darrei­chung (Spritze in den Muskel), baue der Körper Antikör­per im Blut auf. Dies verhin­dere jedoch nicht den Befall der oberen Atemwege, die das typische Einfalls­tor des Corona­vi­rus seien. So könnten Menschen zwar selbst geschützt sein, aber das Virus über entspre­chende Ansamm­lun­gen in Mund und Rachen dennoch an andere weiter­ge­ben.

Weiter Weg zu deutschem Nasen­spray

Lauer entwi­ckelt deshalb einen Impfstoff der 2. Genera­tion, der schon die Erstin­fek­tion verhin­dern soll. Und stößt damit beim Berli­ner Chef-Virolo­gen Chris­tian Drosten offene Türen ein: „Das ist es, was wir uns wünschen würden, dass wir Impfstoffe haben, die die Schleim­häute auch schüt­zen.“ So werde das dortige Immun­sys­tem mit stimu­liert, „das Virus wird sofort in der Nase gebremst“, so Drosten im NDR-Podcast.

Um Neben­wir­kun­gen auszu­schlie­ßen und das Vertrauen der Bevöl­ke­rung in die Sicher­heit der Impfung zu erhal­ten, stünde Sorgfalt selbst­ver­ständ­lich vor Geschwin­dig­keit. Erste Tests an Menschen seien frühes­tens in zwei Jahren zu erwar­ten, so Lauer in einem Inter­view mit der Neuen Osnabrü­cker Zeitung: „In vier Jahren könnte unser Impfstoff fertig sein.“

Dass es nicht schnel­ler gehe, liege auch an den Defizi­ten des Stand­orts Deutsch­land: „Wir geben viel Geld für Forschung aus. Aber wenn es um die Umset­zung in Produkte geht, sind wir im Vergleich zu den USA nach wie vor zu zöger­lich und zu langsam“. Auch bei seinem Forschungs­pro­jekt erlebe man, „wie schwie­rig es ist, in Deutsch­land eine ausrei­chende Förde­rung (…) zu bekom­men“. Enttäuscht zeigte sich Lauer von der Ableh­nung eines Förder­an­tra­ges bei der grün-schwar­zen Landes­re­gie­rung von Baden-Württem­berg. Womög­lich glaube man, keine wirksa­me­ren Impfstoffe der zweiten Genera­tion zu benöti­gen. Erweise sich dies jedoch als Irrtum, dann „hätten wir wertvolle Zeit im Wettlauf mit dem Virus verlo­ren!“