Geht man nach den Zahlen des Insti­tuts für deutsche Wirtschaft wird bis zum Jahr 2050 die Zahl der Pflege­be­dürf­ti­gen in Deutsch­land vorauss­sicht­lich von heute 2,5 Millio­nen auf bis zu 4 Millio­nen anstei­gen. Zugleich geht die Schere zwischen der Zahl der Pflege­be­dürf­ti­gen und den verfüg­ba­ren quali­fi­zier­ten Pflege­kräf­ten stetig ausein­an­der. Auch die Anwer­bung von Fachkräf­ten aus Osteu­ropa und Asien hat bislang zu keiner Trend­wende geführt.

Dennoch sieht der Arbeit­ge­ber­ver­band Pflege hinsicht­lich der Attrak­ti­vi­tät des Berufes eine positive Entwick­lung: So gäbe es mit etwa 35.000 neuen Auszu­bil­den­den in diesem Jahr einen neuen Rekord. Insge­samt würden derzeit etwa 60.000 Pflege­kräfte ausge­bil­det. Wenn die Leute sagen, Pflege sei nicht mehr attrak­tiv, dann ist das ein Argument dagegen“, so Verbands­prä­si­dent Thomas Greiner.

Diese Sicht der Dinge kommt für Weidner nicht überra­schend. Natür­lich habe der Arbeit­ge­ber­ver­band Pflege, als Vertre­ter der privat getra­ge­nen Betriebe, ein Inter­esse daran die deutsche Pflege schön zu reden. „Doch was trägt der Verband selbst dazu bei, dass die Vergü­tung und die Quali­tät hochgra­dig gut sind?“, fragt Weidner. Im inter­na­tio­na­len Vergleich sei beispiels­weise das Abitur als Zugangs­vorraus­set­zung für Pflege­be­rufe nötig, während der Arbeit­ge­ber­ver­band am tradi­tio­nel­len deutschen Ausbil­dungs­sys­tem festhal­ten wolle. Damit sei die Wettbe­werbs­fä­hig­keit nicht gegeben.

Auch in Sachen Anwer­bung auslän­di­scher Arbeit­neh­mer sei die Wettbe­werbs­fä­hig­keit Deutsch­lands nicht sehr hoch. Überhaupt sei es fraglich, ob sich das Problem so lösen lässt, denn auslän­di­schen Arbeit­neh­mern fehle es oft an histo­ri­schem und kultu­rel­lem Wissen. Dies sei gerade bei Erkran­kun­gen wie der Demenz, jedoch nötig.

Dringend geboten sei auch eine Zusam­men­le­gung der Alten­pflege und Kranken­pflege – nicht nur weil diese Trennung auch inter­na­tio­nal eine Ausnahme darstellt. Gerade Krank­hei­ten wie Demenz, die auch im Kranken­haus­all­tag zuneh­mend eine Rolle spielen, machen Kennt­nisse aus beiden Quali­fi­ka­tio­nen erfor­der­lich.

Im Übrigen sei das Image der Pflege sei gar nicht so schlecht wie immer angenom­men, so Prof. Weidner. In Umfra­gen rangiere die Pflege unter den Top 3 der vertrau­ens­wür­di­gen Berufe. Wenn es aber konkret um eine Heimun­ter­brin­gung oder Ausbil­dung gehe, winkten viele ab. Hier sei also noch Handlungs­be­darf.

Weidner begrüßte, dass sich die Bundes­re­gie­rung – nach einer Zeit der Untätig­keit in der letzten Legis­la­tur­pe­ri­ode – nun wieder dem Thema Pflege angenom­men habe. Die Einfüh­rung des neuen Pflege­be­dürf­tig­keits­be­grif­fes, die damit einher­ge­hende verän­derte Begut­ach­tungs­pra­xis oder die Entbü­ro­kra­ti­sie­rungs­be­stre­bun­gen im Bereich der Pflege­do­ku­men­ta­tion stellen wichtige Schritte dar. Es gebe aber noch eine Menge zu tun, zum Beispiel die Reform der Pflege­aus­bil­dung.

Ebenfalls zu begrü­ßen ist nach Meinung von Prof. Weidner die Einrich­tung einer ersten Pflege­kam­mer in Rhein­land-Pfalz. Dann könne die Pflege auf Augen­höhe mit Ärzten und Apothe­kern eine Selbst­ver­wal­tung aufbauen, die vielfäl­tige Impulse in die Politik und die Pflege selber sendet. Leider stehe der Arbeit­ge­ber­ver­band Pflege diesem Projekt nicht aufge­schlos­sen gegen­über.

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