Patienten müssen über Fahrtüchtigkeit aufgeklärt werden
Durch den Behandlungsvertrag sind Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet, Patienten vor Unfallgefahren zu schützen. In § 630e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind deshalb die ärztlichen Aufklärungspflichten gesetzlich festgeschrieben.
Bürgerliches Gesetzbuch § 630e Aufklärungspflichten
(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf Diagnose und Therapie.
[…]
Explizit ist also auch die Aufklärung über Folgen und Risiken der Behandlung genannt. So müssen auch eventuelle Folgen der Behandlung auf die Verkehrssicherheit und die Fahrtüchtigkeit des Patienten in Betracht gezogen werden.
Dazu gehört auch eine Aufklärung des Patienten unter Einbeziehung der individuellen Besonderheiten, zum Beispiel in Bezug auf Narkosemittel, Alter, Kreislauf etc.
Außerdem muss die Aufklärung mündlich durch den Behandelnden erfolgen. Der Patient muss so rechtzeitig über die Behandlung aufgeklärt werden, dass er über die Folgen nachdenken und sie verstehen kann.
Wird die Aufklärungspflicht verletzt und verursacht der Patient im Anschluss an die Behandlung einen Verkehrsunfall, der auf die vorangegangene Medikamentierung zurückzuführen ist (vgl. LG Konstanz NJW 1972, S. 2223), kann der Arzt zum Ersatz des eingetretenen Schadens herangezogen werden.
Arzt darf Patienten an Verkehrsteilnahme hindern
Da bei einer Narkose, aber auch bei Lokalanästhesie, regelmäßig von einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auszugehen ist, muss der Arzt selbst bei kleineren ambulanten Eingriffen dafür Sorge tragen, dass eine Kontrolle und Beobachtung des Patienten erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1987, S. 490).
Viele autofahrende Patienten neigen im Anschluss an eine Narkotisierung zu einer Fehleinschätzung ihrer Fahrtüchtigkeit. Die Gefahr, dass es bei steigendem Blutdruck zu einer plötzlichen Ausschwemmung der Reste des Narkosemittels kommen kann, wird von den Patienten oft nicht realisiert.
In einem Fall vor dem Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 265/02) wurde ein Chefarzt schuldig gesprochen, weil dieser seine Überwachungspflichten nicht ausreichend umgesetzt hatte. Ein Patient von ihm war nach einer ambulanten Magenspiegelung fahruntüchtig und ist trotzdem 2,5 Stunden nach dem Eingriff ohne offizielle Entlassung in sein Auto gestiegen. Nach einem Unfall auf dem Heimweg ist er dann verstorben.
Der Mann sei zwar richtig aufgeklärt worden, der Chefarzt hätte jedoch dafür sorgen müssen, dass der Patient nicht vor einer offiziellen Entlassung aus dem Krankenhaus entschwinden kann. Vor allem, weil der Mann alleine mit dem PKW zur Behandlung erschienen ist, war zusätzliche Vorsicht geboten.
Leitsatz des Urteils (BGH, vom 8. April 2003)
Wird ein Patient bei einer ambulanten Behandlung so stark sediert, daß [sic!] seine Tauglichkeit für den Straßenverkehr für einen längeren Zeitraum erheblich eingeschränkt ist, kann diese für den behandelnden Arzt die Verpflichtung begründen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß [sic!] sich der Patient nach der durchgeführten Behandlung nicht unbemerkt entfernt.
Zu den geeigneten Maßnahmen – mit Blick auf das Notstandsrecht – zählen unter anderem die Wegnahme des Zündschlüssels, das Blockieren des Fahrzeugs oder das Herbeirufen der Polizei. Das Unterbinden einer kritischen bzw. gefährlichen Autofahrt ist somit dem ärztlichen Pflichtenkreis zuzurechnen.
Autofahren entgegen des ärztlichen Rats
Doch auch der Patient selbst steht in der Verantwortung, nach einem ambulanten Eingriff nicht direkt mit dem Auto zu fahren. Zwar ist der ärztliche Rat für den Patienten nicht rechtlich bindend, dennoch kann das Fahren eines PKW nach einer ambulanten Operation – besonders nach ärztlicher Aufklärung – strafrechtliche Konsequenzen haben.
Nach § 315c Strafgesetzbuch (StGB) kann eine Gefährdung des Straßenverkehrs mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bestraft werden.
Das ist auch dann der Fall, wenn eine Person im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl sie infolge körperlicher Mängel dazu nicht in der Lage ist, das sicher zu tun.
Außerdem ist bei fahrlässigem Verhalten im Straßenverkehr mit einer Leistungsverweigerung oder ‑kürzung des KFZ-Versicherers zu rechnen.
Ab wann dürfen Patienten nach einer OP wieder Autofahren?
Eine genaue Zeitangabe, ab wann Patienten nach einer Operation wieder hinters Steuer dürfen, gibt es aus rechtlicher Sicht somit nicht. Die aktuelle Fahrtüchtigkeit hängt dabei immer von mehreren Faktoren ab und ist je nach Eingriff unterschiedlich.
Je nach Schwere des Eingriffs und eventuell verschriebenen Medikamenten können Patienten auch mehrere Wochen nach dem Eingriff nicht in der Lage sein ein Auto zu fahren. Wegen der Auswirkungen des Narkosemittels sollte das Auto zumindest für einen Tag stehen gelassen werden.
Generell sollten Patienten immer abwarten, bis ihre aktuelle Fahrtüchtigkeit wieder vollständig hergestellt ist und sie ohne strafrechtliche Befürchtungen ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen können. Am besten ist es hier auf den ärztlichen Rat zu vertrauen.
FAQ
Welche Verantwortung hat der Arzt, wenn ein Patient nach einer OP mit dem Auto fahren will?
Der Arzt hat wegen des Behandlungsvertrags die Pflicht den Patienten über alle Folgen der OP aufzuklären, auch über eine mögliche Fahruntüchtigkeit. Zudem muss der Arzt den Patienten nach dem Eingriff ausreichend überwachen.
Darf der Arzt Patienten daran hindern mit dem Auto zu fahren?
Notfalls darf der Arzt den Patienten auch mit geeigneten Maßnahmen daran hindern Auto zu fahren. Entsprechend des rechtfertigenden Notstands zur Unfallprävention und zum Schutz anderer Menschen darf der Arzt auch das Fahrzeug blockieren oder die Polizei herbeirufen.
Wann ist ein Patient nach einer OP wieder fahrtüchtig?
Ab wann ein Patient nach einer OP wieder fahrtüchtig ist, hängt vom jeweiligen Eingriff ab und kann mehrere Wochen dauern. Mindestens sollte einen Tag nach dem Eingriff aufgrund von Narkosemitteln vom Fahren des Autos abgesehen werden. Einen rechtlich bindenden Zeitraum gibt es aber nicht. Wer aktuell nicht fahrtüchtig ist und trotz dem Auto fährt, muss allerdings mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Fazit
Der Arzt hat aufgrund des Behandlungsvertrags die Pflicht, den Patienten über Folgen und Risiken der ambulanten Operation aufzuklären. Dazu gehört auch den Patienten auf Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit hinzuweisen.
Darüber hinaus besteht die Pflicht zur Überwachung des Patienten nach dem Eingriff, um sicherzustellen, dass dieser nicht doch mit dem Auto fährt. Notfalls kann der Patient aktiv daran gehindert werden mit dem Auto zu fahren. Sollte der Patient nach einer OP nicht fahrtüchtig sein und trotzdem mit dem Auto fahren, hat er strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten.