Fahrtüchtigkeit
Die Fahrtüch­tig­keit kann variie­ren Bild: © Kiosea39 | Dreamstime.com

Patien­ten müssen über Fahrtüch­tig­keit aufge­klärt werden

Durch den Behand­lungs­ver­trag sind Ärztin­nen und Ärzte dazu verpflich­tet, Patien­ten vor Unfall­ge­fah­ren zu schüt­zen. In § 630e Bürger­li­ches Gesetz­buch (BGB) sind deshalb die ärztli­chen Aufklä­rungs­pflich­ten gesetz­lich festge­schrie­ben.

Bürger­li­ches Gesetz­buch § 630e Aufklä­rungs­pflich­ten

(1) Der Behan­delnde ist verpflich­tet, den Patien­ten über sämtli­che für die Einwil­li­gung wesent­li­chen Umstände aufzu­klä­ren. Dazu gehören insbe­son­dere Art, Umfang, Durch­füh­rung, zu erwar­tende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwen­dig­keit, Dring­lich­keit, Eignung und Erfolgs­aus­sich­ten im Hinblick auf Diagnose und Thera­pie.

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Expli­zit ist also auch die Aufklä­rung über Folgen und Risiken der Behand­lung genannt. So müssen auch eventu­elle Folgen der Behand­lung auf die Verkehrs­si­cher­heit und die Fahrtüch­tig­keit des Patien­ten in Betracht gezogen werden.

Dazu gehört auch eine Aufklä­rung des Patien­ten unter Einbe­zie­hung der indivi­du­el­len Beson­der­hei­ten, zum Beispiel in Bezug auf Narko­se­mit­tel, Alter, Kreis­lauf etc.

Außer­dem muss die Aufklä­rung mündlich durch den Behan­deln­den erfol­gen. Der Patient muss so recht­zei­tig über die Behand­lung aufge­klärt werden, dass er über die Folgen nachden­ken und sie verste­hen kann.

Wird die Aufklä­rungs­pflicht verletzt und verur­sacht der Patient im Anschluss an die Behand­lung einen Verkehrs­un­fall, der auf die voran­ge­gan­gene Medika­men­tie­rung zurück­zu­füh­ren ist (vgl. LG Konstanz NJW 1972, S. 2223), kann der Arzt zum Ersatz des einge­tre­te­nen Schadens heran­ge­zo­gen werden.

Arzt darf Patien­ten an Verkehrs­teil­nahme hindern

Da bei einer Narkose, aber auch bei Lokal­an­äs­the­sie, regel­mä­ßig von einer Beein­träch­ti­gung der Fahrtüch­tig­keit auszu­ge­hen ist, muss der Arzt selbst bei kleine­ren ambulan­ten Eingrif­fen dafür Sorge tragen, dass eine Kontrolle und Beobach­tung des Patien­ten erfolgt (vgl. OLG Düssel­dorf VersR 1987, S. 490).

Viele autofah­rende Patien­ten neigen im Anschluss an eine Narko­ti­sie­rung zu einer Fehlein­schät­zung ihrer Fahrtüch­tig­keit. Die Gefahr, dass es bei steigen­dem Blutdruck zu einer plötz­li­chen Ausschwem­mung der Reste des Narko­se­mit­tels kommen kann, wird von den Patien­ten oft nicht reali­siert.

In einem Fall vor dem Bundes­ge­richts­hof (Az.: VI ZR 265/02) wurde ein Chefarzt schul­dig gespro­chen, weil dieser seine Überwa­chungs­pflich­ten nicht ausrei­chend umgesetzt hatte. Ein Patient von ihm war nach einer ambulan­ten Magen­spie­ge­lung fahrun­tüch­tig und ist trotz­dem 2,5 Stunden nach dem Eingriff ohne offizi­elle Entlas­sung in sein Auto gestie­gen. Nach einem Unfall auf dem Heimweg ist er dann verstor­ben.

Der Mann sei zwar richtig aufge­klärt worden, der Chefarzt hätte jedoch dafür sorgen müssen, dass der Patient nicht vor einer offizi­el­len Entlas­sung aus dem Kranken­haus entschwin­den kann. Vor allem, weil der Mann alleine mit dem PKW zur Behand­lung erschie­nen ist, war zusätz­li­che Vorsicht geboten.

Leitsatz des Urteils (BGH, vom 8. April 2003)

Wird ein Patient bei einer ambulan­ten Behand­lung so stark sediert, daß [sic!] seine Tauglich­keit für den Straßen­ver­kehr für einen länge­ren Zeitraum erheb­lich einge­schränkt ist, kann diese für den behan­deln­den Arzt die Verpflich­tung begrün­den, durch geeig­nete Maßnah­men sicher­zu­stel­len, daß [sic!] sich der Patient nach der durch­ge­führ­ten Behand­lung nicht unbemerkt entfernt.

Zu den geeig­ne­ten Maßnah­men – mit Blick auf das Notstands­recht – zählen unter anderem die Wegnahme des Zündschlüs­sels, das Blockie­ren des Fahrzeugs oder das Herbei­ru­fen der Polizei. Das Unter­bin­den einer kriti­schen bzw. gefähr­li­chen Autofahrt ist somit dem ärztli­chen Pflich­ten­kreis zuzurech­nen.

Autofah­ren entge­gen des ärztli­chen Rats

Doch auch der Patient selbst steht in der Verant­wor­tung, nach einem ambulan­ten Eingriff nicht direkt mit dem Auto zu fahren. Zwar ist der ärztli­che Rat für den Patien­ten nicht recht­lich bindend, dennoch kann das Fahren eines PKW nach einer ambulan­ten Opera­tion – beson­ders nach ärztli­cher Aufklä­rung – straf­recht­li­che Konse­quen­zen haben.

Nach § 315c Straf­ge­setz­buch (StGB) kann eine Gefähr­dung des Straßen­ver­kehrs mit einer Geld- oder Freiheits­strafe von bis zu 5 Jahren bestraft werden.

Das ist auch dann der Fall, wenn eine Person im Straßen­ver­kehr ein Fahrzeug führt, obwohl sie infolge körper­li­cher Mängel dazu nicht in der Lage ist, das sicher zu tun.

Außer­dem ist bei fahrläs­si­gem Verhal­ten im Straßen­ver­kehr mit einer Leistungs­ver­wei­ge­rung oder ‑kürzung des KFZ-Versi­che­rers zu rechnen.

Ab wann dürfen Patien­ten nach einer OP wieder Autofah­ren?

Eine genaue Zeitan­gabe, ab wann Patien­ten nach einer Opera­tion wieder hinters Steuer dürfen, gibt es aus recht­li­cher Sicht somit nicht. Die aktuelle Fahrtüch­tig­keit hängt dabei immer von mehre­ren Fakto­ren ab und ist je nach Eingriff unter­schied­lich.

Je nach Schwere des Eingriffs und eventu­ell verschrie­be­nen Medika­men­ten können Patien­ten auch mehrere Wochen nach dem Eingriff nicht in der Lage sein ein Auto zu fahren. Wegen der Auswir­kun­gen des Narko­se­mit­tels sollte das Auto zumin­dest für einen Tag stehen gelas­sen werden.

Generell sollten Patien­ten immer abwar­ten, bis ihre aktuelle Fahrtüch­tig­keit wieder vollstän­dig herge­stellt ist und sie ohne straf­recht­li­che Befürch­tun­gen ein Fahrzeug im Straßen­ver­kehr führen können. Am besten ist es hier auf den ärztli­chen Rat zu vertrauen.

FAQ

Welche Verant­wor­tung hat der Arzt, wenn ein Patient nach einer OP mit dem Auto fahren will?

Der Arzt hat wegen des Behand­lungs­ver­trags die Pflicht den Patien­ten über alle Folgen der OP aufzu­klä­ren, auch über eine mögli­che Fahrun­tüch­tig­keit. Zudem muss der Arzt den Patien­ten nach dem Eingriff ausrei­chend überwa­chen.

Darf der Arzt Patien­ten daran hindern mit dem Auto zu fahren?

Notfalls darf der Arzt den Patien­ten auch mit geeig­ne­ten Maßnah­men daran hindern Auto zu fahren. Entspre­chend des recht­fer­ti­gen­den Notstands zur Unfall­prä­ven­tion und zum Schutz anderer Menschen darf der Arzt auch das Fahrzeug blockie­ren oder die Polizei herbei­ru­fen.

Wann ist ein Patient nach einer OP wieder fahrtüch­tig?

Ab wann ein Patient nach einer OP wieder fahrtüch­tig ist, hängt vom jewei­li­gen Eingriff ab und kann mehrere Wochen dauern. Mindes­tens sollte einen Tag nach dem Eingriff aufgrund von Narko­se­mit­teln vom Fahren des Autos abgese­hen werden. Einen recht­lich binden­den Zeitraum gibt es aber nicht. Wer aktuell nicht fahrtüch­tig ist und trotz dem Auto fährt, muss aller­dings mit straf­recht­li­chen Konse­quen­zen rechnen.

Fazit

Der Arzt hat aufgrund des Behand­lungs­ver­trags die Pflicht, den Patien­ten über Folgen und Risiken der ambulan­ten Opera­tion aufzu­klä­ren. Dazu gehört auch den Patien­ten auf Einschrän­kun­gen der Fahrtüch­tig­keit hinzu­wei­sen.

Darüber hinaus besteht die Pflicht zur Überwa­chung des Patien­ten nach dem Eingriff, um sicher­zu­stel­len, dass dieser nicht doch mit dem Auto fährt. Notfalls kann der Patient aktiv daran gehin­dert werden mit dem Auto zu fahren. Sollte der Patient nach einer OP nicht fahrtüch­tig sein und trotz­dem mit dem Auto fahren, hat er straf­recht­li­che Konse­quen­zen zu befürch­ten.