Seit Dienstag, dem 14. November 2023, findet vor der 5. Strafkammer des Landgerichts Traunstein der Prozess gegen eine 66-jährige Krankenschwester aus Engelsberg statt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Abgabe von Betäubungsmitteln mit Todesfolge.
Der Tatvorwurf
Laut übereinstimmender Medienberichten liegt dem Verfahren im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Die Angeklagte soll dem 26-jährigen Bekannten – Berichten zufolge selbst ein Pfleger -, ein fentanylhaltiges Pflaster überlassen haben.
Der Gebrauch dieser Pflaster war der Angeklagten durchaus bekannt: Ihrer an Demenz erkrankte Mutter, die in einer Seniorenwohngemeinschaft im nördlichen Landkreis Traunstein (Bayern) lebte, wurden derartige Schmerzpflaster gegen ihre chonische Schmerzen verabreicht.
Mit dem Pflaster, dass mutmaßlich aus den Beständen der Mutter stammte, sollten die Kopfschmerzen des Bekannten gemildert werden.
Später soll sich der 26-Jährige in seine Wohnung in der Gemeinde Tacherting begeben haben. Dort brachte er das Pflaster auf den Körper auf. Dort erlitt er infolge einer Überdosis eine Bewusstseinsstörung und erstickte an seinem Erbrochenem.
Was ist Fentanyl?
Bei Fentanyl handelt es sich um ein Opioid, dass heißt einer synthetisch hergestellten Substanz mit morphinartigen Eigenschaften. Als Analgetikum wird es heute vor allem zur Linderung starker akuter und chronischer Schmerzen verwendet. Tatsächlich soll es über eine mindestens 80 mal höhere Wirkstärke als Morphin verfügen.
Wie auch schon beim natürlich vorkommenden Morphin besteht auch bei Fentanyl und seinen Derivaten ein sehr hohes Suchtpotenzial. Aus diesem Grund ist die Abgabe von Fentanyl in jeglicher Form durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) reglementiert. Fentanyl gehört hiernach zwar zu den verkehrsfähigen, zugleich aber auch verschreibungspflichtigen Betäubungsmitteln (vgl. Anlage III zu § 1 Absatz 1 BtMG).
Gefährliche Pflaster
Die einfach handzuhabenden Fentanylpflaster werden heutzutage in verschiedenen Wirkstoffgrößen in den Verkehr gebracht. Die Freisetzung des Wirkstoffs erfolgt durch die Haut (transdermal).
Bereits seit Längerem wird der allzu unkritische Umgang mit opioidhaltigen Schmerzpflastern vonseiten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kritisiert. Die Kommission weist darauf hin, dass im deutschen Spontanmeldesystem bereits Berichte zu Überdosierungen durch Fentanylpflaster mit zum Teil schwerwiegenden Folgen vorliegen.
Mildes Urteil gefällt
Im November 2023 wurde der 66-jährigen Engelsbergerin der Prozess gemacht (Az.: 5 Ks 201 Js 10604/22). Die Staatsanwaltschaft Traunstein warf der Frau vor, aus Leichtsinn gehandelt zu haben – weil sie von der Wirkung des opiodhaltigen Pflasters gewusst haben soll.
Das Strafgericht sah das ganz genauso und verkündete am 21. November 2023 das Urteil: Ein halbes Jahr Haft auf Bewährung für die Krankenschwester. Ob gegen dieses verhältnismäßig milde Urteil vonseiten der Prozessbeteiligten ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, ist zurzeit noch nicht bekannt.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels wurde behauptet, dass es sich bei dem Opfer um den Pfleger der an Demenz erkrankten Mutter der Angeklagten handelte. Dies trifft nach aktuellem Kenntnisstand wohl nicht zu. Der Artikel ist dahingehend korrigiert.