„Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind diese Produkte überflüssig. Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutzt, bekommt genug Eiweiß und spart sich das Geld für die meist teureren Produkte“, sagt Antje Gahl, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE).
„Lediglich einzelne Innovationen können sinnvoll sein, etwa Nudeln aus Linsen oder Erbsen für Menschen mit Zöliakie“, ergänzt Gahl. Protein (Eiweiß) ist lebenswichtig für Muskeln, Knochen, Bindegewebe, Immunsystem und Blutgerinnung. Eine gesundheitsfördernde, nachhaltige Ernährung liefert eine ausreichende Menge an Nährstoffen mit weitgehend naturbelassenen oder wenig verarbeiteten und abwechslungsreich ausgewählten Lebensmitteln. Hochverarbeitete Produkte wie Chips und Schokoriegel sind kein „gesunder Genuss“, nur weil viel Eiweiß zugesetzt wurde.
Zusätze in Müsli, Chips und Pudding
Mit „Protein“ beworbene Lebensmittel reichen von Müsli über Pudding und Eis bis hin zu Linsenchips. Lebensmittel dürfen die Angabe „Proteinquelle“ tragen, wenn mindestens 12 Prozent des Energiegehalts daraus stammen. Bei Angaben wie „High Protein“ müssen mindestens 20 Prozent des Energiegehalts daraus sein. Das ist zum Beispiel bei Pudding der Fall, der 80 Kilokalorien (kcal) und 10 Gramm enthält. Mit 4 kcal pro Gramm liegt der Anteil (40 kcal) bei 50 Prozent des Energiegehalts.
Hersteller nutzen diesen Trend und loben Lebensmittel mit natürlicherweise hohem Eiweißgehalt wie zum Beispiel Quark als Proteinquelle aus. Weitere Lebensmittel dieser Art sind zum Beispiel Skyr, Nudeln aus Linsen und Produkte aus Insekten und Algen. Daneben kreieren Hersteller spezielle Produkte wie Fertiggerichte durch Kombination proteinreicher Zutaten.
Und es gibt mit Eiweiß angereicherte Produkte: An sich kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Brot werden mit Eiweißkonzentraten zum Beispiel aus Weizen, Soja oder Lupinen versetzt. Auch bereits proteinreiche Lebensmittel wie Milch wird zum Beispiel mit Milcheiweiß angereichert, um entsprechende Label zu tragen.
Übergewicht und Krankheiten drohen
Viele High-Protein-Produkte sind hochverarbeitete Lebensmittel. Das sind aus kostengünstigen Zutaten – überwiegend aus industriellen Energie- und Nährstoffquellen und Zusatzstoffen – zusammengesetzte Produkte. Sie sind meist ansprechend verpackt, intensiv vermarktet, lange haltbar, verzehrfertig und schmackhaft. Wenn häufig zu diesen Produkten gegriffen wird und sie Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Nüsse verdrängen, kann das langfristig kritisch für die Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen, Nähr- und Ballaststoffen sein und mit Übergewicht sowie ernährungsbedingten Krankheiten einhergehen.
Hersteller vermarkten diese Produkte in diesen Tagen massiv. Der Großteil der Bevölkerung hat aber gar kein Problem mit der Versorgung und ein gesundheitlicher Nutzen durch die Extraportion ist auch nicht zu erwarten. Muskelaufbau oder Schlanksein passiert nicht allein durch mehr Eiweiße bei unveränderter Ernährung und Bewegung.
Bedarf durch herkömmliche Lebensmittel decken
Selbst Menschen, die aufgrund ihres Alters oder bei Leistungssport einen höheren Bedarf haben, können ihn über herkömmliche Lebensmittel decken. Dazu zählen neben Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern vor allem Hülsenfrüchte wie Soja, Linsen und Erbsen. Auch Veganerinnen und Veganer sind mit pflanzlichen Proteinen aus gezielter Kombination von Getreide, Hülsenfrüchten und Kartoffeln gut versorgt. Voraussetzung ist eine ausreichende Energiezufuhr.
Für Erwachsene gilt ein Referenzwert von 0,8 Gramm pro Kilo Körpergewicht pro Tag. Bei einem Menschen, der 68 Kilogramm wiegt, sind das 54 Gramm Protein pro Tag. Diese Menge steckt in zwei Scheiben Vollkornbrot mit Erdnussmus (15 Gramm), 250 Gramm Ofenkartoffeln mit 150 Gramm Quark (25 Gramm) und 150 Gramm gegarten Linsen (14 Gramm).
Produkte liefern mehr Protein als nötig
High-Protein-Produkte liefern meist mehr, als nötig ist. Bei gesunden Erwachsenen schadet dies zwar nicht. Überflüssiges Eiweiß baut der Körper ab, dabei entsteht Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschieden werden muss. Deshalb ist ausreichendes Trinken bei hoher Zufuhr wichtig. Bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann viel Protein allerdings problematisch sein und zu einer Verschlechterung führen.
Also alles nur eine Marketing-Idee, um den Absatz dieser „frisierten“ Lebensmittel anzukurbeln?
Beispiele: Die Extradosis geht oft mit Extrakosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher einher. So kostet ein Porridge mit 28 Gramm Protein 1,40 Euro pro 100 Gramm. Bio-Haferflocken mit 13 Gramm sind ab ca. 0,20 Euro pro 100 Gramm zu haben.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.