
Hygienemangel bei Hallus-vagus-OP?
Eine Patientin wurde im Sommer 2013 aufgrund eines Hallux valgus mit einem geröteten Großzehengrundgelenk mit dezentem Druckschmerz behandelt. Am 27. Juni 2013 wurde eine entsprechende Röntgenaufnahme des Befunds von einem Facharzt begutachtet. In der Folge unterzeichnete die Patientin Aufklärungsbögen für eine Operation an Zehen und Vorfuß sowie für die entsprechende Anästhesie. Hierzu gehörten auch mehrere Fragen, unter anderem nach den Rauchgewohnheiten der Patienten, die sie wahrheitsgemäß beantworten musste.
Hallux valgus:
Hallux valgus, oder auch Ballenzeh genannt, ist eine Fußfehlstellung, bei der sich die Großzehe nach außen abknickt und den Ballen des Fußes vergrößert. Diese Fehlstellung kann zu Schmerzen, Druckstellen und Entzündungen führen. Die Behandlung eines Hallux valgus kann konservativ oder operativ erfolgen, je nach Schweregrad und den individuellen Bedürfnissen des Patienten.
Die Operation wurde am 10. Juli 2013 im Krankenhaus des Facharztes durchgeführt. Bei der Entlassung zeigten sich reizlose Wundverhältnisse. Am 15. Juli 2013 wurden jedoch von der Patientin beim Besuch ihrer Hausärztin bereits Schwellungen und Rötungen festgestellt. Am 18. Juli wurde sie daraufhin im Krankenhaus wegen einer Infektion im linken Fuß aufgenommen. Es folgten bis November 2013 andauernde mehrfache chirurgische Wunddébridement (Entfernung von abgestorbenem, verunreinigtem oder infiziertem Gewebe aus einer Wunde).
Knapp ein Jahr später, am 5. November 2014, wurde ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen wegen des Verdachts auf einen medizinischen Behandlungsfehler und später dann am 11. Februar 2020 ein Gutachten für die Sächsische Landesärztekammer erstellt.
Behandlungsfehler und schlechte Aufklärung behauptet
Die Patientin machte in der Folge Ansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung geltend. Bei der Röntgenaufnahme fehle die zweite Ebene. Außerdem sei die Operation grob fehlerhaft erfolgt. Auch habe es einen Hygienemangel gegeben: Es sei keine hygienische OP-Umgebung in dem Haus des Facharztes vorgehalten worden, weshalb es unter anderem zu einer schwerwiegenden Infektion mit einem Krankenhauskeim gekommen sei. In der Konsequenz sei sie nicht mehr in der Lage gewesen, ohne Hilfsmittel zu gehen oder länger zu stehen, geschweige denn sich komplett ohne Schmerz zu bewegen.
Eine mündliche Aufklärung bezüglich bestehender Behandlungsalternativen und Risiken, insbesondere einer knöchernen Wundheilungsstörung, habe nicht stattgefunden. Nach der OP sei sie durch eine Entzündung nicht mehr in der Lage gewesen, ohne Hilfsmittel zu gehen oder länger zu stehen – sie litt ständig unter Schmerzen
Außerdem sei sie nicht darüber aufgeklärt worden, dass Rauchen zu einer Erhöhung des Risikos von Wundheilungsstörungen führen könnte. Die Patientin zog damit vor das Landesgericht in Görlitz. Die Klägerin beanspruchte eingehend 40.000 Euro Schmerzensgeld. Darüber hinaus beantragte sie über 88.000 Euro für Haushaltsführungsschäden und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sowie das Ersetzen von nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden.
Facharzt verteidigt sich: Standard eingehalten, Risiko gering
Vor Gericht schilderte der behandelnde Arzt die Situation jedoch anders. Die präoperative Diagnostik sei ausreichend gewesen. Das Operationsverfahren sei entsprechend dem Facharztstandard fehlerfrei durchgeführt worden. Es sei ein gutes Operationsergebnis erzielt worden, so der Facharzt selbst. Die Klägerin sei mündlich ausreichend über die Operation aufgeklärt worden, was auch zusätzliche Risiken durch das Rauchen beinhaltete. Da die Patientin laut fachärztlicher Einschätzung allerdings nicht viel geraucht hatte, habe es ohnehin keine Risikoerhöhung gegeben. Behandlungsalternativen seien zudem nicht vorhanden gewesen.
Das Landgericht wies die Klage ab und gewährte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Nach der abgewiesenen Klage ging die Patientin in Berufung vor dem Oberlandesgericht in Dresden.
Doch auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Gericht folgte hierbei der fachärztlichen Einschätzung, dass es keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten gab. So kam ein Sachverständigengutachten ebenfalls zu dem Schluss, dass aufgrund der Schwere der Erkrankung die durchgeführte Lapidus-Arthrodese-Operation die einzige Möglichkeit gewesen sei, den Hallux valgus operativ zu behandeln. Die in Folge der Operation entstandenen Beschwerden der Klägerin seien auf die Infektion zurückzuführen, nicht hingegen auf ärztliche Fehler bei der Operation.
Gericht entscheidet: Keine Beweise für Hygienemangel
Für ihren Vorwurf eines Hygienefehlers konnte die Klägerin keine ausreichenden Beweise anführen. Sie hatte unter anderem behauptet, es hätte keine hygienische OP-Umgebung gegeben, es sei nicht nach den Regeln einer aseptischen OP-Umgebung gearbeitet worden und es hätte Defizite bei der Sterilgutaufbereitung gegeben.
Um dem zu entgegnen, hat die Beklagte entsprechende Handlungsanweisungen zur Hygiene in ihrem Haus vorgelegt. Zudem sei die Hygieneordnung im Haus erst im Jahr 2013 aktualisiert worden. Auch die Dokumentation widerspricht den Darstellungen der Klägerin – Hygienemaßnahmen seien demnach sehr wohl vorgenommen worden.
Eine Veranlassung, auf dieser Grundlage ein Hygienegutachten einzuholen, sieht der Senat nicht. Die Klägerin trage somit die Darlegungs- und Beweislast – dieser kam sie nicht ausreichend nach.
Infektionsursprung unklar
Zeitpunkt und Ort der Infektion mit einem Hautbakterium seien am Ende unklar gewesen. So hätte die Klägerin selbst Trägerin des Keims gewesen sein oder der Keim hätte durch Dritte übertragen worden sein können. Eine Haftung des Krankenhausträgers setzt voraus, dass die Infektion durch unzureichende Hygiene hätte verhindert werden können, was hier nicht nachgewiesen werden konnte.
Aufklärungsfehler liegen überdies nicht vor. Die Klägerin sagte sowohl vor dem Landesgericht als auch vor dem Oberlandesgericht aus, dass eine mündliche Aufklärung stattfand, weshalb der Vorwurf einer fehlenden Aufklärung unbegründet ist. Der Klägerin steht somit kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. Die Rechtskraft der Entscheidung stand zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht fest.
Quelle: OLG Dresden vom 4. Februar 2025 – 4 U 301/24