
So lautet das erschreckende Ergebnis einer aktuellen Ad-hoc-Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
„Das ist eine katastrophale Situation, anders ist es nicht zu bezeichnen“, sagt der DIVI-Generalsekretär und Kinder-Intensivmediziner, Professor Florian Hoffmann.
Auf einer Pressekonferenz zur Lage der Kinder-Intensivmedizin fordert er deshalb im Namen der Vereinigung „die sofortige Optimierung von Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken, den Aufbau telemedizinischer Netzwerke zwischen den pädiatrischen Einrichtungen und den Aufbau von spezialisierten Kinder-Intensivtransport-Systemen. Wir müssen jetzt endlich handeln“.
Intensivmedizin: Kinder werden weggeschickt
Für die Umfrage wurden 130 Kinderkliniken kontaktiert, 110 haben ihre Daten vom Stichprobentag 24. November zur Verfügung gestellt.
Und fast jede zweite Klinik berichtet, dass sie in den vergangenen 24 Stunden mindestens ein Kind nach Anfrage durch Rettungsdienst oder Notaufnahme nicht für die Kinderintensivmedizin annehmen konnten.
Das heißt konkret: 46,4 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Kliniken mussten insgesamt 116 kleine Patienten ablehnen – an nur einem Tag.
Freie Intensivbetten gab es lediglich 83, das heißt durchschnittlich 0,75 Prozent pro Klinik. 47 Kliniken melden null verfügbare Betten, 44 Kliniken ein freies Bett.
„Diese Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr und wird auf dem Rücken kritisch kranker Kinder ausgetragen“, erklärt Hoffmann, der auch Oberarzt auf der interdisziplinären Kinder-Intensivstation am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München ist.
Sämtliche Kliniken beteiligen sich schon jetzt an der bundesweiten, strategischen Patientenverlegung nach dem Kleeblattkonzept.
Etablierung spezialisierter Kinder-Intensivtransport-Systeme
„Da zunehmend viele Kinder zum Teil über eine weite Entfernung transportiert werden müssen, benötigen wir jetzt die Etablierung spezialisierter Kinder-Intensivtransport-Systeme, um die Kinder sicher und von Kinderexperten begleitet in ihre Zielklinik zu bekommen“, appelliert Prof. Hoffmann.
Besonders oft in Kliniken aufgenommen wurden zuletzt Kinder, die sich mit dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) infiziert haben, 138 insgesamt.
„Die RSV-Welle baut sich immer weiter auf und macht bei vielen Kindern die Behandlung mit Atemunterstützung notwendig. Wir können, Stand heute, davon ausgehen, dass es zu dieser Behandlung nicht genügend Kinder-Intensivbetten gibt“, erläutert Professor Sebastian Brenner, DIVI-Kongresspräsident und Bereichsleiter der interdisziplinären Pädiatrischen Intensivmedizin im Fachbereich Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin der Uni-Kinderklinik Dresden.
Alarmierende Situation in Kinderkliniken
Die DIVI-Zahlen belegen die alarmierende Situation der Kinderkliniken in Deutschland: Die 110 rückmeldenden Häuser weisen insgesamt 607 aufstellbare Betten aus, von denen aber lediglich 367 Betten betrieben werden können. Grund für die Sperrung von 39,5 Prozent der Intensivbetten für Kinder ist hauptsächlich der Personalmangel.
Genauer angeschaut haben sich die DIVI-Experten auch die größeren Kinderkliniken mit acht oder mehr Intensivbetten. Darunter fallen insgesamt 32 Häuser. Diese melden 363 aufstellbare Betten, von denen am Stichprobentag 221 betrieben werden konnten.
Heißt: 39,1 Prozent der Kindern-Intensivbetten sind gesperrt – im Durchschnitt 4,4 Betten pro Intensivstation. 17 freie Betten bei diesen 32 Kliniken bedeuten im Durchschnitt nur noch 0,5 freie Betten pro Klinik.
„Gefragt nach den Intensivkapazitäten zeichnet sich ein Bild, dass deutschlandweit, egal ob Norden, Süden, Osten oder Westen, durchschnittlich 40 Prozent der Kinder-Intensivbetten wegen Personalmangel gesperrt sind. Bei rund 80 Prozent der Befragten fehlt Pflegepersonal, es fehlen teilweise aber auch Ärzte“, resümiert Sebastian Brenner.
Bessere Arbeitsbedingungen und Personal gefordert
Neben der Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken, dem Einrichten telemedizinischer Netzwerke zwischen den pädiatrischen Einrichtungen und dem Aufbau von Kinder-Intensivtransport-Systemen setzen sich die Kinder-Intensivmediziner dafür ein, umfassend die Rechte der Kinder ins Grundgesetz aufzunehmen.
Nur so würden diese mehr in den politischen und gesellschaftlichen Fokus rücken – und nur so könne die medizinische Versorgung für die Kleinsten nachhaltig verbessert werden.
„Wenn alle zuvor genannten Forderungen erfüllt wären, wenn sich der Beruf von Medizinern sowie Pflegenden mit Familie vereinbaren lässt und wenn die stetige Dauerbelastung in den Kliniken aufhört, dann schaffen wir es, uns wieder um alle schwer kranken Kinder mit der notwendigen höchsten Versorgungsqualität kümmern zu können“, so Florian Hoffmann.
Quelle: DIVI