Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt.
Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hat das Verbot der geschäfts­mä­ßi­gen Sterbe­hilfe für verfas­sungs­wid­rig erklärt. Bild: © Akiyoko74 | Dreamstime.com

Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat in einem Urteil vom 26.2.2020 das in § 217 StGB veran­kerte Verbot der geschäfts­mä­ßi­gen Förde­rung der Selbst­tö­tung als verfas­sungs­wid­rig erklärt, wie in einer offizi­el­len Presse­mit­tei­lung bekannt gegeben wurde.

Jedem Menschen stehe das Recht zu, selbst über den Zeitpunkt der Beendi­gung seines Lebens bestim­men zu können. Die Richter stell­ten dabei auch das Recht heraus, dabei Hilfe von Dritten anzuneh­men. Diese Rechte leitet das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt aus dem allge­mei­nen Persön­lich­keits­recht und dem Recht auf Menschen­würde ab. Mit dem Urteil wurde der nach hefti­ger Debatte und unter Juris­ten höchst umstrit­tene § 217 StGB nach 5 Jahren für nichtig erklärt.

Es besteht ein Grund­recht auf selbst­be­stimm­tes Sterben

Der für nichtig erklärte § 217 StGB besagte, dass mit Freiheits­strafe belegt war, wenn die Selbst­tö­tung eines anderen geschäfts­mä­ßig unter­stützt wurde. Ausge­nom­men von einer Strafe bei einer solchen Unterst­züt­zung waren nur Naheste­hende und Angehö­rige des Betrof­fe­nen. Der § 217 StGB wurde im Jahr 2015 einge­führt, weil man eine Geschäf­te­ma­che­rei mit der Möglich­keit der Sterbe­hilfe unter­bin­den wollte. Zudem sollte mit dem Verbot von Sterbe­hil­fe­or­ga­ni­sa­tio­nen eine Druck­si­tua­tion von vornher­ein verhin­dert werden, aus der sich Menschen vorschnell an solche Insti­tu­tio­nen wenden.

Laut BVerfG verstieß dieses Verbot gegen das Grund­ge­setz, weil es ein Eingriff in das allge­meine Persön­lich­keits­recht des Menschen aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbin­dung mit der Menschen­würde aus Artikel 1 Absatz 1 GG darstellte. Denn das allge­meine Persön­lich­keits­recht umfasse das Recht auf selbst­be­stimm­tes Sterben. Dieses Recht schließt auch die Freiheit ein, sich selbst das Leben zu nehmen und sogar das Recht, hierbei auf die freiwil­lige Hilfe Dritter zurück­grei­fen zu dürfen. Die Entschei­dung eines jeden Einzel­nen über seine Lebens­qua­li­tät und den Sinn des eigenen Lebens bezie­hungs­weise über sein Lebens­ende ist als Teil der autono­men Selbst­be­stim­mung von Staat und Gesell­schaft zu respek­tie­ren.

Dies ergibt sich auch aus dem Grund­recht der Menschen­würde, welches dem Menschen die freie und indivi­du­elle Entschei­dungs­ge­walt über sein eigenes Leben belässt. Die selbst­be­stimmte Wahrung der eigenen Persön­lich­keit setzt voraus, dass der Einzelne über sich selbst frei verfü­gen kann und auch nicht in ungewollte Lebens­for­men gedrängt werden kann. Die Wahl, das eigene Leben zu jedem belie­bi­gen Zeitpunkt beenden zu können, unter­liegt dem indivi­du­el­len Selbst­be­stim­mungs­recht und ist von existen­zi­el­ler Bedeu­tung für die Persön­lich­keit eines Menschen.

Da der § 217 StGB mit seinem Verbot der Beihilfe zur Selbst­tö­tung die Umset­zung dieses Rechts versagte, hatten Vereine zur Sterbe­hilfe aus Deutsch­land und der Schweiz, ebenso wie schwer erkrankte Perso­nen, Ärzte und Rechts­an­wälte dagegen geklagt. Durch das Urteil des BVerfG werden Sterbe- und Suizid­hel­fer nunmehr vor einer Freiheits­strafe geschützt. Das BVerfG stützte sich hierbei auch auf Artikel 12 Absatz 1 GG und Artikel 2 Absatz 1 GG. Laut BVerfG verletze die Andro­hung einer Freiheits­strafe die Freiheits­rechte Dritter, die Suizid­hilfe leisten möchten, gemäß Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 104 Absatz 1 GG.

Das BVerfG stellt zwar Rechte zum selbst­be­stimm­ten Sterben und der Hilfe dazu heraus, es statu­ierte aber keine Pflicht zur Suizid­hilfe. Denn ein Dritter kann selbst darüber verfü­gen, ob er zum Freitod eines Einzel­nen beitra­gen will.

Welche Rechts­ent­wick­lun­gen könnten nun anste­hen?

Dem Gesetz­ge­ber steht es für die künftige Gesetz­ge­bung trotz dieses Urteils offen, die Suizid­hilfe näheren Regelun­gen zu unter­wer­fen. Ein Verbot geschäfts­mä­ßig organi­sier­ter Sterbe­hilfe dürfte möglich sein, solange den Menschen Hilfs­mög­lich­kei­ten durch Dritte für einen selbst­be­stimm­ten Tod offen bleiben. So könnte der Gesetz­ge­ber bestimmte Verfah­ren bei der Hilfe zur Selbst­tö­tung entwi­ckeln, zum Beispiel verpflich­tende Aufklä­rungs­ge­sprä­che sowie eine Warte­zeit nach der Aufklä­rung bzw. vor einer Hilfe­ge­wäh­rung zur Selbst­tö­tung, oder Verbote beson­de­rer verwerf­li­cher Selbst­tö­tungs­for­men.

Der Gesetz­ge­ber darf das Recht auf Selbst­tö­tung gemäß BVerfG aber nicht von einem bestimm­ten Krank­heits­sta­dium abhän­gig machen. Wohl können gesetz­li­che Anfor­de­run­gen an den Nachweis der Ernst­haf­tig­keit und Bestän­dig­keit des Selbst­tö­tungs­wil­lens des Einzel­nen gestellt werden. Unbenom­men bleibt es dem Gesetz­ge­ber durch Regeln im Arznei­mit­tel- und Betäu­bungs­mit­tel­recht, Verbrau­cher- und Missbrauchs­schutz aufrecht­zu­er­hal­ten.

Quelle: BVerfG-Presse­mit­tei­lung Nummer 12/2020 vom 26.2.2020