Kostenexplosion
Die Kosten­ex­plo­sion grafisch verdeut­licht Bild: DTV

Kosten­ex­plo­sion: Deutsch­land erlebt derzeit auf breiter Front Kosten­stei­ge­run­gen, die jenseits langjäh­ri­ger Erfah­run­gen liegen.

Fast dreißig Jahre, von 1993 bis 2020 beweg­ten sich die Verbrau­cher­preise in Deutsch­land um eine Infla­ti­ons­rate von ca. zwei Prozent herum. Einer ganzen Genera­tion fehlt damit die Erfah­rung des Wirtschaf­tens in infla­tio­nä­rer Umgebung. Dies ist vorbei. Auch im Gesund­heits­we­sen und seiner Liefer­kette wird man sich mit den Konse­quen­zen ausein­an­der­set­zen müssen.

Mit Blick auf die Textil­ver­sor­gung des Gesund­heits­we­sens sind die Fakten schnell erzählt. Die größten Kosten­blö­cke im Textil­ser­vice sind:

  • Perso­nal (45 Prozent)
  • Textil­kos­ten (22 Prozent)
  • Energie und Kraft­stoffe (15 Prozent)

In allen Positio­nen gab es drama­ti­sche Kosten­ex­plo­sio­nen und der weitere Ausblick ist ebenfalls einge­trübt.

Trotz Subven­tion bleiben die Energie­kos­ten sehr hoch

Die Energie­preise bzw. ‑kosten gehören seit Jahren zu den insta­bils­ten Berei­chen in der Kosten­land­schaft des Textil­ser­vice. Trotz der Energie­preis­bremse sind die Energie­kos­ten seit dem Jahr 2015 doppelt so stark gestie­gen wie der Kosten­in­dex für den Textil­ser­vice insge­samt.

Die Energie­preis­brem­sen gelten zunächst bis Ende 2023. Politisch gesehen ist unklar, wie die Subven­tio­nie­rung weiter­geht. Generell ist noch nicht abzuse­hen, ob und wie der Umbau der deutschen Energie­ver­sor­gung zu niedri­ge­ren Energie­kos­ten führen wird.

Die Arbeits­kos­ten werden kräftig zulegen

Die im Index ausge­wie­se­nen Anstiege beim Kosten­block Perso­nal sind aktuell noch vergleichs­weise gering. Dies ist dem Umstand geschul­det, dass in den Kosten­in­dex ledig­lich die branchen­spe­zi­fi­schen Tarif­ab­schlüsse einflie­ßen.

Hier gab es jedoch erst spät im Oktober 2022 und erneut im Juni 2023 Entwick­lun­gen. Mittler­weile ist klar, dass bis März 2025 in einigen Entgelt­grup­pen die Gehäl­ter und Löhne stufen­weise um bis zu 19 Prozent steigen werden.

Auch Texti­lien und Wasch­che­mie werden teurer

Die Textil­kos­ten der Branche stiegen im Zeitraum Ende 2021 bis März 2023 um 19 Index­punkte und auch die gewerb­li­chen Wasch­mit­tel habe im gleichen Zeitraum um 40 Index­punkte zugelegt.

Auch die Finan­zie­rungs­kos­ten der Unter­neh­men werden immer teurer. Vom Jahres­ende 2022 bis Mitte 2023 stieg der Finan­zie­rungs­kos­ten­in­dex um 73 Punkte von 174 auf 247 Index­punkte.

Kosten­ex­plo­sion: Keine Entspan­nung in Sicht

Mit einer kurzfris­ti­gen Entspan­nung der Kosten­si­tua­tion ist nicht zu rechnen. Der Branchen­ver­band DTV erwar­tet in den kommen­den Monaten kein Ende der Kostpreis­stei­ge­run­gen in den zentra­len Berei­chen Perso­nal, Wasch­che­mie, in Deutsch­land produ­zierte Texti­lien und Finan­zie­rung.

Die Energie­preise werden politisch niedrig gehal­ten, aber es ist weder klar, wie dies 2024 weiter­geht, noch ob die Energie­wende zu erträg­li­chen Energie­kos­ten führen wird. 2023 und auch 2024 werden die Kostpreise des Branchen­in­dex daher alle Voraus­sicht nach weiter anstei­gen.

Nur begrenz­ter Spiel­raum im Gesund­heits­we­sen

Während es für die Textil­ser­vice­be­triebe zwar schwer ist, Preis­stei­ge­run­gen an ihre Kunden weiter­zu­ge­ben, ist es für Kranken­häu­ser nahezu unmög­lich. Denn die Kranken­haus­ent­gelte in Deutsch­land werden durch eine Mischung aus staat­li­chen Verhand­lun­gen und Abstim­mun­gen zwischen verschie­de­nen Akteu­ren festge­legt.

Dabei hat der sogenannte Landes­ba­sis­fall­wert vorran­gig den Zweck, die erwar­tete allge­meine Kosten­ent­wick­lung im DRG-System zu berück­sich­ti­gen.

Der Landes­ba­sis­fall­wert ist der Basis­preis für die einzel­nen DRG-Leistun­gen. Jährlich verein­ba­ren die betei­lig­ten Parteien auf Landes­ebene, zu denen die Kranken­haus­ge­sell­schaf­ten und die Kranken­kas­sen­ver­bände gehören, den Landes­ba­sis­fall­wert für das kommende Jahr.

Die Verän­de­rung des Landes­ba­sis­fall­werts wird im Vergleich zum Vorjahr durch eine Obergrenze limitiert, die sich auf die Entwick­lung des Verän­de­rungs­werts gemäß Paragraph 9 Absatz 1b Satz 1 des Kranken­haus­ent­gelt­ge­set­zes stützt.

Der Verän­de­rungs­wert – also die Obergrenze – für das Jahr 2023 beträgt 4,32 Prozent und wurde am 01.12.2022 vom GKV-Spitzen­ver­band, dem Verband der Priva­ten Kranken­ver­si­che­rung und der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft verein­bart.

Wie könnten Lösungs­an­sätze ausse­hen?

Die Einnah­men­seite der Kranken­häu­ser ist augen­schein­lich limitiert. Die hohen Kosten­stei­ge­run­gen seit Ende 2021 sind damit nicht aufzu­fan­gen. Es bleibt die Frage: Wie kann dieses Problem aufge­löst werden? Eine stärke Betei­li­gung der Länder wäre eine Variante.

Denn die Finan­zie­rung der Inves­ti­ti­ons­kos­ten für Kranken­häu­ser ist gesetz­lich den Bundes­län­dern aufer­legt. Aller­dings lässt die finan­zi­elle Unter­stüt­zung der Kranken­haus­pro­jekte durch die Länder seit gerau­mer Zeit zu wünschen übrig.

Dies zeigt sich in einer bemer­kens­wer­ten Abnahme der Inves­ti­ti­ons­be­tei­li­gung der Länder, die von 25 Prozent im Jahr 1972 auf ledig­lich etwa 3 Prozent im Jahr 2020 gesun­ken ist.

Verlie­rer auf allen Seiten?

Das Dilemma, das sich einer­seits aus der begrenz­ten Erhöhung der Einnah­men­seite bei den Kranken­häu­sern und anderer­seits den enormen Kosten­stei­ge­run­gen auf der Dienst­leis­ter­seite ergibt, wird sich also nur schwer auflö­sen lassen.

Ein Absen­ken der Quali­tät und Menge der Textil­ver­sor­gung ist nicht im Sinne einer hygie­ni­schen Versor­gung der Patien­ten und des Perso­nals und damit undenk­bar. Eine Weiter­gabe der explo­die­ren­den Kosten ist für die texti­len Dienst­leis­ter oft eine Überle­bens­frage.

Die Kranken­häu­ser sind ebenso wie die Dienst­leis­ter nicht in der Lage, dieses Dilemma zu lösen. Andere Lösun­gen als eine externe Wäsche­ver­sor­gung würden die Kranken­häu­ser noch teurer bezah­len müssen. Es scheint, als ob die Kosten­ex­plo­sion aktuell nur Verlie­rer kennt. Das System der Kranken­haus­fi­nan­zie­rung stößt an seine Grenzen.

Andreas Fastenau und Daniel Dalkow­ski

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Hinter­grund­in­fos:

Um die tatsäch­li­chen Kosten­ent­wick­lun­gen der Kranken­häu­ser zu ermit­teln, wurde das Statis­ti­sche Bundes­amt beauf­tragt, jährlich einen Orien­tie­rungs­wert zu berech­nen. Er spiegelt die Perso­nal- und Sachkos­ten­ent­wick­lun­gen im Kranken­haus­be­reich wider und wird zum 30. Septem­ber eines Jahres veröf­fent­licht. (Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a‑z/o/orientierungs-und-veraenderungswert.html)

Der nach § 10 Absatz 6 Satz 1 KHEntgG vom Statis­ti­schen Bundes­amt am 30.09.2022 veröf­fent­lichte Orien­tie­rungs­wert für das Jahr 2023 beträgt 6,07 Prozent. Die im Bundes­an­zei­ger am 09.09.2022 veröf­fent­lichte Verän­de­rungs­rate nach § 71 Absatz 3 SGB V für das Jahr 2023 beträgt 3,45 Prozent. Nach § 10 Absatz 6 Satz 3 KHEntgG ermit­teln die Vertrags­par­teien die Diffe­renz zwischen den entspre­chen­den Werten und verein­ba­ren den Verän­de­rungs­wert gemäß § 9 Absatz 1b Satz 1 KHEntgG. Der Verän­de­rungs­wert nach § 9 Absatz 1b Satz 1 KHEntgG für das Jahr 2023 beträgt 4,32 Prozent. (Quelle: https://www.gkv-spitzenverband.de/)