Über mangelnde Aufmerksamkeit brauchen sich die „Ehrenpflegas“ wahrlich nicht beklagen. Die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums produzierte, Mitte Oktober online auf YouTube veröffentlichte Kurzfilm-Serie will Jugendlichen und jungen Erwachsenen Appetit auf eine Karriere in der Pflege machen. Doch die Kritiken von Pflegekräften, Berufsverbänden und Gewerkschaften sind überwiegend vernichtend. Unter anderem der Pflege-Berufsverband DBfK, Ver.di und Bochumer Bund sowie zahlreiche beruflich Pflegende – via Twitter und Facebook – distanzierten sich von dem Format. Zwei Online-Petitionen fordern sogar, die Serie umgehend aus dem Netz zu nehmen.
Doch trotz aller Proteste steht das Bundesfamilienministerium weiterhin zu der Kampagne. Familienministerin Franziska Giffey verteidigte das umstrittene Format nun. Wie die „Ärzte-Zeitung“ berichtet, verweist das Ministerium auf eine Umfrage, wonach 74 Prozent der befragten 14- bis 25-Jährigen die Serie positiv wahrgenommen hätten.
84 Prozent hätten sich überzeugt gezeigt, dass die Serie helfen könne, „junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege zu interessieren“. Insgesamt verzeichneten die fünf Folgen, plus die ergänzende Realitäts-Check-Runde mit drei echten jungen Pflegekräften, mehr als 3,5 Millionen Klicks auf YouTube.
Im Kontrast zu der Umfrage ist die weit überwiegende Zahl der Reaktionen negativ. In den allermeisten Fällen ging unter den YouTube-Videos der virtuelle Daumen der Zuschauer runter statt hoch. Auch in den Kommentaren entzündete sich viel Kritik; mittlerweile (Stand: 21. November) ist die Kommentarfunktion unter den Episoden der Serie deaktiviert. Auch die Rechtsdepesche hat kürzlich nach der Meinung der Leser und Leserinnen zur Miniserie „Ehrenpflegas“ gefragt: Von insgesamt 267 abstimmenden Personen haben gerade einmal 11 angegeben, dass ihnen die Serie gefällt. Die übrigen Stimmen gefällt sie „überhaupt nicht“. (Stand: 23.11.)
Vor allem an Hauptfigur Boris entzündete sich Kritik
Rund 700.000 Euro, heißt es übereinstimmend, habe die Produktion in Zusammenarbeit mit Constantin Entertainment und zweier PR-Agenturen gekostet. Die Ehrenpflegas sind ein Teil der Ministeriums-Kampagne „Mach Karriere als Mensch!“. Diese Kampagne ist wiederum ein Teil der Ministeriums-übergreifenden „Konzertierten Aktion Pflege“, die für mehr Pflegenachwuchs und bessere Bedingungen sorgen soll.
Die Serie zeichne ein Zerrbild des Pflegeberufs und strotze vor Klischees, so das Urteil der Kritiker. Es werde das Bild einer Pflege als Sammelbecken für Gescheiterte und Unmotivierte gezeichnet, lautet der Vorwurf, der sich vor allem an der Serien-Hauptfigur Boris festmacht. Dieser hat sich erkennbar vor Beginn seiner Ausbildung nicht über das Bild der Pflege informiert und macht einen unmotivierten Eindruck. Er plant zunächst, die Ausbildung kurz vor Ende der Probezeit abzubrechen, sobald er die Vergütung erhalten hat. Sein eigentlicher Traum ist nämlich die Eröffnung seines eigenen E‑Zigaretten-Ladens.
Doch im Verlauf der Folgen überlegt es sich der 25-Jährige nach und nach anders. Er entdeckt den Reiz der Pflege, ihm wachsen die Bewohner seiner Einrichtung ans Herz und er verzeichnet die für ihn so dringend benötigten Erfolgserlebnisse. Die vermittelte Botschaft sei aber nicht im Sinne der Pflege, meinen dagegen viele Kritiker. Denn nur eine „gute Seele“ zu sein, sei eben zu wenig, um für den Pflegeberuf in Frage zu kommen.