---Patienten haben Anspruch darauf, über einen gefährlichen Befund informiert zu werden.
Patien­ten haben Anspruch darauf, über einen gefähr­li­chen Befund infor­miert zu werden. Bild: Monkey Business Images/Dreamstime.com

Sachver­halt

Ein Patient suchte seine langjäh­rige Hausärz­tin auf, da er Schmer­zen im linken Bein und Fuß verspürte und wurde von ihr an einen Facharzt überwie­sen.

Als der Patient zu einem späte­ren Zeitpunkt erneut Schmer­zen verspürte und notfall­mä­ßig ein Kranken­haus aufsuchte, wurde eine etwa 1 cm große Geschwulst in der linken Kniekehle entdeckt. Dieser radio­lo­gi­sche Befund wurde an den Facharzt überge­ben, worauf­hin der Patient zur statio­nä­ren Kranken­haus­be­hand­lung an ein Klini­kum überwie­sen wurde, bei dem die Geschwulst opera­tiv entfernt wurde.

Insge­samt zwei Arztbriefe erhielt die Hausärz­tin des Patien­ten. In einem ersten Brief hieß es, dass ein histo­lo­gi­scher Befund noch nicht vorliege und der Patient darüber geson­dert infor­miert werde. Zudem wurde um Wieder­vor­stel­lung des Patien­ten in etwa sechs Wochen gebeten, zwecks postope­ra­ti­ver Kontrolle. Der zweite Brief enthielt die Infor­ma­tion, dass bei dem Patien­ten ein bösar­ti­ger Tumor diagnos­ti­ziert wurde, im Wortlaut:

„Am 30.10.2008 erfolgte die Resek­tion eines Nerven­schei­den­tu­mors im Bereich der linken Kniekehle. Entge­gen der vermu­te­ten Diagnose eines Neuri­noms stellt sich bei der Durch­sicht der Präpa­rate im Referenz­zen­trum ein maligner Nerven­schei­den­tu­mor dar. Wir bitten, den Patien­ten in einem onkolo­gi­schen Spezi­al­zen­trum (z.B. Univer­si­täts­kli­ni­kum Düssel­dorf) vorzu­stel­len.“

Einen solchen Brief hat der Patient nicht erhal­ten und auch die Infor­ma­ti­ons­wei­ter­gabe seitens der Hausärz­tin über diesen Befund hat nicht statt­ge­fun­den. Erst als er etwa einein­halb Jahre später seine Hausärz­tin erneut wegen einer Handver­let­zung aufsuchte, sprach sie ihn auf den Tumor an. Im Anschluss waren weitere statio­näre Aufent­halte und Opera­tio­nen für den Patien­ten notwen­dig.

Der Patient hat darauf­hin Klage gegen seine Hausärz­tin erhoben und Schmer­zens­geld beansprucht. Sie habe die Weiter­gabe der Infor­ma­tion über den Befund behand­lungs­feh­ler­haft unter­las­sen.

Die Klage wurde vom Landge­richt Mönchen­glad­bach teilweise statt­ge­ge­ben (Az.: 6 O 129/12), vom Oberlan­des­ge­richt (OLG) Düssel­dorf hinge­gen insge­samt abgewie­sen (Az.: I‑8 U 78/15). Der Kläger hat Revision einge­legt, die vom Bundes­ge­richts­hof (BGH) zugelas­sen wurde.

Entschei­dung des BGH

Anders als das OLG Düssel­dorf hat der BGH die mangelnde Infor­ma­ti­ons­wei­ter­gabe in diesem Fall als (schwe­ren) ärztli­chen Behand­lungs­feh­ler bewer­tet. Das OLG Düssel­dorf hat darin zwar einen Aufklä­rungs­feh­ler gesehen, wies die Klage aber als unbegrün­det zurück, da der Kläger nicht bewei­sen konnte, dass der weitere Erkran­kungs­ver­lauf auf den Fehler zurück­ging.

Darüber hinaus sei es auch nachvoll­zieh­bar, dass die Hausärz­tin nichts unter­nom­men habe. Unter diesen Umstän­den könne so etwas im alltäg­li­chen Arbeits­ab­lauf passie­ren – vor allem, weil der Patient seit der Überwei­sung nicht mehr bei der Hausärz­tin vorstel­lig war, in die Behand­lung war sie nicht mehr einge­bun­den. Auch hätte es ihr nicht eindeu­tig klar sein müssen, dass sie allei­ni­ger Adres­sat des zweiten Arztbrie­fes war.

Der BGH stimmte den Entschei­dungs­grün­den des Berufungs­ge­richts nicht zu. Zunächst einmal hat jeder Patient Anspruch darauf, über derar­tige Befunde infor­miert zu werden, insbe­son­dere wenn diese weitere und umgehende medizi­ni­sche Behand­lungs­maß­nah­men erfor­dern. Es komme in diesem Fall auch nicht darauf an, ob gegebe­nen­falls andere Ärzte Versäum­nisse gemacht haben.

Zwar ist die Verant­wor­tung durch die Überwei­sung grund­sätz­lich an den weiter­be­han­deln­den Arzt überge­gan­gen, jedoch darf die Hausärz­tin eine Gefähr­dung für ihren Patien­ten nicht einfach hinneh­men, wenn sie den Verdacht hat, dass ein Fehler vorliegt. Außer­dem war laut BGH – und entge­gen der Meinung des OLG Düssel­dorf – erkenn­bar, dass die Hausärz­tin allei­ni­ger Adres­sat des zweiten Arztbrie­fes ist.

Auch aus der darin enthal­te­nen Formu­lie­rung, dass sich der Patient in einem onkolo­gi­schen Spezi­al­zen­trum vorstel­len solle, hätte sich für die Hausärz­tin die Kontakt­auf­nahme mit ihrem Patien­ten ergeben müssen.

Durch das Revisi­ons­ur­teil des BGH (Az.: VI ZR 285/17) vom 26. Juni 2018 muss das OLG Düssel­dorf den Fall wieder aufneh­men und neu verhan­deln.

Praxis­tipp

Grund­sätz­lich muss ein Hausarzt dafür Sorge tragen, dass seine Patien­ten von gefähr­li­chen Befun­den unter allen Umstän­den infor­miert werden. Das gilt auch, wenn der Patient schon seit länge­rem nicht mehr bei dem Hausarzt vorstel­lig war. Insbe­son­dere wenn – wie in diesem Fall – nicht eindeu­tig ersicht­lich wird, ob der Patient bereits kontak­tiert worden ist, sollte das Gespräch mit diesem gesucht und geklärt werden, ob er über den Befund in Kennt­nis gesetzt worden ist.

Quelle: BGH