Etliche Pflegeheime und ‑träger stehen vor dem wirtschaftlichen Aus, die gesetzliche Pflegeversicherung schreibt tiefrote Zahlen: Angesichts dieser traurigen Vorzeichen fordern zwei Pflegeverbände – der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) und der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) grundlegende Änderungen und Verbesserungen in der Pflege-Finanzierung.
Die beiden Pflegeverbände plädieren zum einen für einen einmaligen Kostenausgleich aus dem Bundeshaushalt zugunsten der Pflegeeinrichtungen, um die erheblich gestiegenen Kosten in der Pflege adäquat anzupassen.
Außerdem müssten die Sachleistungs-Beiträge jährlich dynamisiert werden, um zukünftige Preis- und Kostensteigerungen auffangen zu können.
Pflegeverbände: Neuverteilung der Pflege-Aufwendungen angeregt
Ferner schlagen die Pflegeverbände bpa und DEVAP vor, die Lasten der pflegerischen Versorgung im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten neu verteilen, indem die Kosten den Systemen zugeordnet werden, die grundsätzlich dafür zuständig sind.
So müssten die zwei bis drei Milliarden Euro jährlich für die medizinische Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen durch die Krankenkassen übernommen werden, statt wie bisher durch die Pflegekassen – schließlich handele es sich um medizinische Leistungen, nicht primär um pflegerische.
Die weiteren rund drei Millarden Euro jährlich für die soziale Absicherung der Pflegepersonen, etwa in Form von für sie gewährten Rentenpunkten, sowie ein zweistelliger Millionenbetrag jährlich für Förderbeträge u.a. für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf müssten aus Steuermitteln bestritten werden.
Außerdem gelte es nach den Pflegeverbänden, die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen herauszunehmen, wie es die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatte.
Meurer (bpa): Aufschiebung „grenzt an unterlassene Hilfeleistung“
„Eine zukunftsfeste Ausrichtung der Pflegeversicherung ist eine Herkulesaufgabe, für die viele unterschiedliche Ansätze auf dem Tisch liegen. Die dazu notwendigen gesellschaftlichen Debatten und Haushaltsfriktionen des Bundes dürfen aber nicht als Ausrede dienen, um schnelle Entlastungen immer weiter aufzuschieben“, so Wilfried Wesemann, Vorsitzender der DEVAP, der über 1.950 stationäre Einrichtungen der Altenhilfe, über 1.400 ambulante gesundheits- und sozialpflegerische Dienste und mehr als 120 Pflegeschulen vertritt.
Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bräuchten „Sofortmaßnahmen und keine Grundsatzdiskussionen oder politische Nebelkerzen“, erklärte Wesemann weiter.
Laut bpa-Präsident Bernd Meurer ständen die Pflegeeinrichtungen „in erheblichem Maße unter existenzgefährdendem Druck und die Versorgung der Pflegebedürftigen bricht an immer mehr Orten zusammen“. Daher sei eine korrekte, sachbezogene Verteilung der Pflegekosten angesagt, was die Pflegeversicherung um Milliarden Euro jährlich entlasten könnte.
„Diese konkreten Schritte aber aufzuschieben, grenzt an unterlassene Hilfeleistung für die Betroffenen.“ Der Verband ist mit mehr als 13.000 angeschlossenen Einrichtungen die größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland.
Pflegeversicherung 2022 tief im Minus
Die Pflegeversicherung, 1995 als fünfte Säule neben der gesetzlichen Renten‑, Kranken‑, Arbeitslosen- sowie der (allein vom Arbeitgeber getragenen) Unfallversicherung eingeführt, hatte das aktuellste vorliegende Berichtsjahr 2022 mit einem Fehlbetrag von 2,25 Milliarden Euro abgeschlossen.
Einnahmen von 57,78 Milliarden Euro standen dabei Ausgaben von 60,03 Milliarden Euro gegenüber. Das Defizit ist das zweite in Folge, nachdem die Pflegeversicherung 2021 mit einem Minus von 1,25 Milliarden Euro abgeschlossen hatte. Zudem ist es der höchste Fehlbetrag seit 2018 und der dritthöchste seit Bestehen der gesetzlichen Kasse.
Hauptgrund für das Defizit war 2022 der Ausgaben-Anstieg um genau sechs Millarden Euro, vor allem durch gestiegene Aufwendungen für die vollstationäre Pflege, die mit 16,04 Milliarden Euro (plus 3,49 Mrd. im Vergleich zum Vorjahr) mehr als ein Viertel der Gesamtausgaben ausmachten. Diese Kostensteigerungen konnten durch die um 2,75 Milliarden Euro ebenfalls höheren Einnahmen bei weitem nicht kompensiert werden.