Pflegeverbände
Tristesse in einem Senio­ren­heim Bild: Robert Paul Van Beets / Dream­stime

Etliche Pflege­heime und ‑träger stehen vor dem wirtschaft­li­chen Aus, die gesetz­li­che Pflege­ver­si­che­rung schreibt tiefrote Zahlen: Angesichts dieser trauri­gen Vorzei­chen fordern zwei Pflege­ver­bände – der Bundes­ver­band priva­ter Anbie­ter sozia­ler Dienste e.V. (bpa) und der Deutsche Evange­li­sche Verband für Alten­ar­beit und Pflege e.V. (DEVAP) grund­le­gende Änderun­gen und Verbes­se­run­gen in der Pflege-Finan­zie­rung.

Die beiden Pflege­ver­bände plädie­ren zum einen für einen einma­li­gen Kosten­aus­gleich aus dem Bundes­haus­halt zuguns­ten der Pflege­ein­rich­tun­gen, um die erheb­lich gestie­ge­nen Kosten in der Pflege adäquat anzupas­sen.

Außer­dem müssten die Sachleis­tungs-Beiträge jährlich dynami­siert werden, um zukünf­tige Preis- und Kosten­stei­ge­run­gen auffan­gen zu können.

Pflege­ver­bände: Neuver­tei­lung der Pflege-Aufwen­dun­gen angeregt

Ferner schla­gen die Pflege­ver­bände bpa und DEVAP vor, die Lasten der pflege­ri­schen Versor­gung im Rahmen der aktuel­len Möglich­kei­ten neu vertei­len, indem die Kosten den Syste­men zugeord­net werden, die grund­sätz­lich dafür zustän­dig sind.

So müssten die zwei bis drei Milli­ar­den Euro jährlich für die medizi­ni­sche Behand­lungs­pflege in vollsta­tio­nä­ren Pflege­ein­rich­tun­gen durch die Kranken­kas­sen übernom­men werden, statt wie bisher durch die Pflege­kas­sen – schließ­lich handele es sich um medizi­ni­sche Leistun­gen, nicht primär um pflege­ri­sche.

Die weite­ren rund drei Millar­den Euro jährlich für die soziale Absiche­rung der Pflege­per­so­nen, etwa in Form von für sie gewähr­ten Renten­punk­ten, sowie ein zweistel­li­ger Millio­nen­be­trag jährlich für Förder­be­träge u.a. für Maßnah­men zur Verein­bar­keit von Pflege und Beruf müssten aus Steuer­mit­teln bestrit­ten werden.

Außer­dem gelte es nach den Pflege­ver­bän­den, die Ausbil­dungs­kos­ten aus den Eigen­an­tei­len der Pflege­be­dürf­ti­gen heraus­zu­neh­men, wie es die Ampel­ko­ali­tion in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag verein­bart hatte.

Meurer (bpa): Aufschie­bung „grenzt an unter­las­sene Hilfe­leis­tung“

„Eine zukunfts­feste Ausrich­tung der Pflege­ver­si­che­rung ist eine Herku­les­auf­gabe, für die viele unter­schied­li­che Ansätze auf dem Tisch liegen. Die dazu notwen­di­gen gesell­schaft­li­chen Debat­ten und Haushalts­frik­tio­nen des Bundes dürfen aber nicht als Ausrede dienen, um schnelle Entlas­tun­gen immer weiter aufzu­schie­ben“, so Wilfried Wesemann, Vorsit­zen­der der DEVAP, der über 1.950 statio­näre Einrich­tun­gen der Alten­hilfe, über 1.400 ambulante gesund­heits- und sozial­pfle­ge­ri­sche Dienste und mehr als 120 Pflege­schu­len vertritt.

Pflege­be­dürf­tige und ihre Angehö­ri­gen bräuch­ten „Sofort­maß­nah­men und keine Grund­satz­dis­kus­sio­nen oder politi­sche Nebel­ker­zen“, erklärte Wesemann weiter.

Laut bpa-Präsi­dent Bernd Meurer ständen die Pflege­ein­rich­tun­gen „in erheb­li­chem Maße unter existenz­ge­fähr­den­dem Druck und die Versor­gung der Pflege­be­dürf­ti­gen bricht an immer mehr Orten zusam­men“. Daher sei eine korrekte, sachbe­zo­gene Vertei­lung der Pflege­kos­ten angesagt, was die Pflege­ver­si­che­rung um Milli­ar­den Euro jährlich entlas­ten könnte.

„Diese konkre­ten Schritte aber aufzu­schie­ben, grenzt an unter­las­sene Hilfe­leis­tung für die Betrof­fe­nen.“ Der Verband ist mit mehr als 13.000 angeschlos­se­nen Einrich­tun­gen die größte Inter­es­sen­ver­tre­tung priva­ter Anbie­ter sozia­ler Dienst­leis­tun­gen in Deutsch­land.

Pflege­ver­si­che­rung 2022 tief im Minus

Die Pflege­ver­si­che­rung, 1995 als fünfte Säule neben der gesetz­li­chen Renten‑, Kranken‑, Arbeits­lo­sen- sowie der (allein vom Arbeit­ge­ber getra­ge­nen) Unfall­ver­si­che­rung einge­führt, hatte das aktuellste vorlie­gende Berichts­jahr 2022 mit einem Fehlbe­trag von 2,25 Milli­ar­den Euro abgeschlos­sen.

Einnah­men von 57,78 Milli­ar­den Euro standen dabei Ausga­ben von 60,03 Milli­ar­den Euro gegen­über. Das Defizit ist das zweite in Folge, nachdem die Pflege­ver­si­che­rung 2021 mit einem Minus von 1,25 Milli­ar­den Euro abgeschlos­sen hatte. Zudem ist es der höchste Fehlbe­trag seit 2018 und der dritt­höchste seit Bestehen der gesetz­li­chen Kasse.

Haupt­grund für das Defizit war 2022 der Ausga­ben-Anstieg um genau sechs Millar­den Euro, vor allem durch gestie­gene Aufwen­dun­gen für die vollsta­tio­näre Pflege, die mit 16,04 Milli­ar­den Euro (plus 3,49 Mrd. im Vergleich zum Vorjahr) mehr als ein Viertel der Gesamt­aus­ga­ben ausmach­ten. Diese Kosten­stei­ge­run­gen konnten durch die um 2,75 Milli­ar­den Euro ebenfalls höheren Einnah­men bei weitem nicht kompen­siert werden.