Gesetzliche Grundlagen der Fixierung
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, heißt es in Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Grundlegende Freiheitsrechte sind somit als Menschenrechte für jede Person in Deutschland verankert.
Entsprechend sorgsam muss mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege umgegangen werden. Nach § 239 Strafgesetzbuch erfüllen eine Fixierungen nämlich den Tatbestand einer Freiheitsberaubung. Strafrechtlich relevant werden Fixierungen, wenn sie ohne Einwilligung oder einer Rechtfertigung durchgeführt wird.
Die Einwilligung muss der Patient selbst geben. Falls das nicht möglich ist, kann die Zustimmung auch durch einen Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten erfolgen. Darüber hinaus muss eine Fixierung ärztlich angeordnet sein.
Bei unmittelbarer Gefährdung des Personals durch den Patienten kann eine Fixierung kurzfristig auch ohne ärztliche Anordnung oder Einwilligung vollzogen werden. Das geschieht dann im Rahmen des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB).
In so einem Fall handelt es sich um eine sogenannte Notstandfixierung, die schnellstmöglich von einem Arzt zu beurteilen ist. Dieser muss durch seine Einschätzung die Fixierung alsbald auflösen oder offiziell weiter führen lassen.
Bei einer Fixierung über einen längeren Zeitraum hinweg, wenn es keine wirksame Einwilligung des Patienten selbst gibt, muss zusätzlich eine betreuungsgerichtliche Genehmigung gemäß § 1831 BGB Absatz 2 eingeholt werden.
Wann sind Fixierungen angebracht?
Dieser Paragraf enthält zusätzlich die Gründe, durch die eine Fixierung gerechtfertigt ist:
§ 1831 Freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen
(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie erforderlich ist, weil
1. aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
Eine Fixierung ist also denkbar, wenn der Patient für sich selbst und andere eine Gefahr darstellt. Wichtig ist jedoch, dass vor der Anwendung einer freiheitsentziehende Maßnahme sorgsam abgewägt wird, ob sie tatsächlich legitim ist und das mildeste Mittel darstellt.
Sie darf nicht überstürzt getroffen werden, wegen Überforderung oder um die Pflege zu erleichtern. Das Bundesfamilienministerium kam 2015 zu der Ansicht, dass im Bereich demenzkranker Menschen freiheitsentziehende Maßnahmen oft in Fällen erfolgen, in denen sie gar nicht oder nicht in der vorgenommenen Dauer erforderlich gewesen wären. In diesen Fällen seien andere Maßnahmen wirksamer gewesen.
Welche Arten von freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt es?
Es gibt eine Reihe von Formen, die zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen zählen. Grundsätzlich können darunter alle Vorrichtungen fallen, die die Bewegungsfreiheit einer Person einschränken.
Zu den mechanischen Mitteln der freiheitsentziehenden Maßnahmen zählen Fixierungen durch Bauchgurte und Fesseln sowie Fixierdecken. Aber auch Bettgitter, Vorsatztische, Sitzhosen, das Feststellen von Rollstuhlbremsen oder das Verschließen von Türen zählen zu den mechanischen FeM.
Auch Medikamente können als freiheitsentziehende Maßnahme genutzt werden. Hier vor allem sedierende Medikamente, die den Bewegungsdrang der Patienten einschränken.
Darüber hinaus kann die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden durch die Wegnahme von Hilfsmitteln wie Gehhilfen, durch Trickverschlüsse, Verbote und Einschüchterungen oder durch elektronische Maßnahmen wie Sensormatten.
Mittlerweile gibt es einige Alternativen, die angewendet werden, um freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden. So kann anstelle eines Bettgitters, das Bett abgesenkt oder Matten ausgelegt werden, um Verletzungen zu vermeiden.
Auch das Anbringen von Geh- und Stehhilfen kann Stürzen entgegenwirken. Sehhilfen, Hüftprotektoren, Sturzhelme und Antirutschsocken sind ebenfalls denkbar.
Fixierung in der häuslichen Pflege
In § 1831 Absatz 4 ist geregelt, dass die oben genannten Ausführungen des Gesetzes nur dann gelten, wenn der Betreute sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält.
Lange Zeit wurde der Begriff der „sonstigen Einrichtung“ breit ausgelegt, wodurch zumindest die häusliche Pflege durch einen professionellen Pflegedienst ebenfalls in den Geltungsbereich des damaligen § 1906 BGB fiel (seit einer Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts im Jahr 2023 greift § 1831 BGB). Für die häusliche Pflege durch Angehörige galt und gilt dies nach wie vor nicht.
Begründet wurde dies damit, dass durch einen professionellen Pflegedienstmitarbeiter die Häuslichkeit für die Dauer der Versorgung aufgehoben sei. Entsprechend würden so für die stationäre und die häusliche Betreuung gleichermaßen die gesetzlichen Voraussetzungen für freiheitsentziehende Maßnahmen gelten.
Auch Entscheidungen des LG Hamburg (BtPrax 1995, S. 31) und des AG Tempelhof-Kreuzberg (BtPrax 1998, S. 194f.) stützten lange Zeit diese Auffassung. Demnach falle unter den Begriff „sonstige Einrichtung“ auch die private Wohnung, wenn die Wohnverhältnisse denen einer stationären Einrichtung entsprächen oder vergleichbar seien.
Das AG Garmisch-Partenkirchen hat sich mit Beschluss vom 28.05.2019 (A XVII 9/18) jüngst gegen diese Auffassung gestellt.
Richterliche Genehmigung bei Fixierungsmaßnahmen zu Hause
In diesem Fall ging es um eine 96-jährige bettlägerige Frau, die seit einigen Jahren von einer 24-Stunden-Pflegekraft ambulant zu Hause versorgt wurde.
Wiederholte Male war die Frau aus ihrem Bett gefallen, weshalb ihr rechtlicher Betreuer die Anbringung eines Bettgitters gerichtlich genehmigen lassen wollte. Die Frau ist wegen Demenz selbst nicht mehr in der Lage in die Maßnahme einzuwilligen.
Das Gericht stellte fest, dass die Maßnahme genehmigungsfrei ist. Die Bestimmungen aus dem damaligen § 1906 BGB (heute § 1831 BGB), nach denen freiheitsentziehende Maßnahme nur mit richterlicher Genehmigung zulässig sind, würden auf die häusliche Pflege durch einen professionellen Pflegedienst nicht zutreffen.
„Sonstige Einrichtung“ gemäß des damaligen § 1906 BGB müssen folgende Charakteristika erfüllen:
- Sie müssen einen äußeren räumlichen Rahmen darstellen
- Es muss eine Versorgungsleistung angeboten werden
- Die Versorgungsleistung muss darauf ausgelegt sein mehrere Personen nacheinander zu versorgen
Diese drei Punkte treffen auf eine Versorgungssituation im privaten Umfeld nicht zu, auch wenn sie von einem professionellen Pflegedienst vollzogen werden.
Das bedeutet allerdings nicht, dass Vorsorgebevollmächtigte im häuslichen Umfeld tun und lassen können, was sie wollen. Alle getroffenen Maßnahmen müssen eine Rechtsgrundlage haben. Sie müssen allerdings nicht zusätzlich richterlich genehmigt werden.
Sollte der Betreuer eine Maßnahme treffen, die so kein Heim genehmigen würde, dann muss sein Handeln entsprechend überprüft werden, gegebenenfalls durch einen anderen Vertreter.
FAQ
Wann sind Fixierungen gerechtfertigt?
Eine Fixierung ist denkbar, wenn der Patient für sich selbst oder andere eine Gefahr darstellt. Sie sollte immer nur das allerletzte Mittel sein, um eine angemessene Versorgungssituation sicherzustellen, da sie eine extreme Grundrechtseinschränkung bedeutet. Deshalb sollte immer abgewägt werden, ob eine Fixierung legitim und die mildeste Maßnahme ist.
Braucht es eine richterliche Genehmigung für eine Fixierung in der häuslichen Pflege?
Es gibt keine rechtliche Regelung für richterliche Genehmigungen von Fixierungen für die häusliche Pflege von Angehörigen. Was die häusliche Pflege durch einen professionellen Pflegedienst angeht, gibt es in der Rechtssprechung unterschiedliche Entscheidungen. Generell muss das private Umfeld allerdings bestimmte Kriterien erfüllen, um als „sonstige Einrichtung“ im Sinne des § 1831 BGB zu gelten.
Sind Fixierungen gegen den Willen der betroffenen Person möglich
Generell muss in Fixierungen immer eingewilligt werden. Wenn die betroffene Person selbst nicht einwilligen kann, muss ein Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter einwilligen. Dann muss zudem eine richterliche Genehmigung eingeholt werden. Eine kurzfristige Fixierung ohne Einwilligung ist nur im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes gemäß § 34 StGB denkbar.
Fazit
Freiheitsentziehende Maßnahmen erfüllen den Tatbestand einer Freiheitsberaubung, benötigen deshalb eine Einwilligung und müssen entsprechend ärztlich angeordnet sowie richterlich genehmigt werden.
Für Fixierungen im häuslichen Umfeld gibt es keine eindeutige Rechtssprechung, was ihre Zulässigkeit angeht. Generell müssen dort alle Maßnahmen durch einen Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten getroffen werden.
Die getroffenen Maßnahmen müssen sich an üblichen Mitteln stationärer Einrichtungen orientieren und benötigen eine entsprechende Rechtsgrundlage. Allerdings müssen sie nicht richterlich geprüft werden.