Am 8. Dezember 2016 war die kleine Michalina Binek mit einem mehrfachen komplexen Herzfehler auf die Welt gekommen. In ihrer Heimat Polen konnten die Ärzte dem Mädchen nicht helfen und schickten es deshalb an das Universitätsklinikum Münster (UKM) zu Prof. Edward Malec, Chefarzt der Abteilung für Kinderherzchirurgie. Er operierte den Herzfehler Anfang des Jahres erfolgreich.
Weltweit gibt es nur einen Hersteller dieser speziellen Stents
Trotzdem kam Michalina auch in den Wochen nach der OP nicht ohne Beatmung aus: Ihre Eltern, Aleksandra und Rafal Binek, mussten also weiter darauf warten, ihre Tochter endlich auch ohne Schläuche in die Arme schließen zu können. Grund dafür, dass das Mädchen nicht selbständig atmete, war, dass das Bronchialssystem nach der Herzoperation stark komprimiert wurde. „Insbesondere der linke Hauptbronchus zwischen Herz und Aorta war zu 90 Prozent verengt“, sagt Oberarzt Dr. Claudius Werner, Leiter des Bereichs Pädiatrische Pneumologie. Einzig denkbare Lösung: das Einsetzen eines Stents, also eines Platzhalters, der die Bronchialwege offenhalten sollte. „Erwachsene bekommen in solchen Fällen problemlos einen Stent implantiert“, weiß der Oberarzt und Leiter der interventionellen Pneumologie am UKM, Dr. Michael Mohr.
Normalerweise werden bronchiale Stents in Abständen von sechs bis acht Wochen gewechselt: Dazu ist jeweils erneut ein Eingriff nötig. „Das Entfernen des alten Stents ist aber mit einem deutlich erhöhten Risiko von Komplikationen wie Blutungen verbunden. Michalina wollten wir das doch sehr invasive Verfahren ersparen und haben uns deshalb für eine selbstauflösendes Implantat entschieden.“ Weltweit gibt es nur einen Hersteller solcher spezieller Stents – dort wurde ein maßangefertigtes Modell geordert, das eigentlich für die Anwendung in der Speiseröhre entwickelt wurde, aber auch im Bronchialsystem verwendet werden kann.
Fünf Wochen nach dem Eingriff muss Michalina nicht mehr beatmet werden
Mitte April setzte Mohr Michalina das Implantat ein: „Die Bronchien haben bestenfalls einen Durchmesser von fünf Millimetern – ich hatte großen Respekt davor“, erinnert er sich. Sein Kollege Werner aus der Kinderheilkunde sagt: „Aus meiner Warte ist Michalina ja schon ein vergleichsweise ‚großer‘ Patient – ich hatte eher Angst, der Eingriff könnte insgesamt vielleicht nicht gelingen. Bei einem so kleinen Kind wurde in Deutschland unseres Wissens nach noch nie ein selbstauflösender Stent verwendet.“ Trotzdem beschlossen Werner und Mohr gemeinsam, den Eingriff erstmals durchzuführen.
Heute, fünf Wochen nach dem Eingriff, ist Michalina die Beatmungsschläuche los: Auf dem Arm ihrer Mutter kann sie langsam die Welt kennenlernen. Der Stent in ihren Bronchien sitzt gut, muss aber trotzdem möglicherweise nach der Auflösung ersetzt werden. Doch das Komplikationsrisiko ist minimiert, weil er einfach immer wieder an dieselbe Stelle gesetzt werden kann. Auch weitere Herzoperationen bleiben dem Mädchen sicher nicht erspart – zudem müssen ihre Eltern mit ihr regelmäßig zur Nachsorge zu den Experten nach Münster reisen. Dank der interdisziplinären Behandlung aber ist für Michalina ein normales Leben wahrscheinlich.