Arzt
Falscher Arzt am Werk Bild: © Tyler Olson | Dreamstime.com

Arzt mit gefälsch­ten Zeugnis­sen

Von 2009 bis 2015 arbei­tete die Person (P) in einem Kranken­haus als Opera­teur. Zuerst als Assis­tenz­arzt, später als Facharzt. Was die Kolle­gin­nen und Kolle­gen damals noch nicht wussten: Den Job bekam P. wegen einer Lüge. Er hatte niemals eine ärztli­che Prüfung oder eine Facharzt-Prüfung abgelegt. Die Appro­ba­tion bekam er, weil er sämtli­che Zeugnisse fälschte.

Nachdem die Täuschung bekannt wurde entzog das Land dem falschen Arzt die Appro­ba­tion bestands­kräf­tig. Das Kranken­haus fechtete den Arbeits­ver­trag von P. an und machte die für seine Beschäf­ti­gung veraus­lag­ten Kosten und Beiträge geltend. P. wurde zudem wegen Körper­ver­let­zung in 336 Fällen zu einer Freiheits­strafe verur­teilt.

Zu allem Übel fühlte sich auch eine Kranken­kasse in dem Fall betro­gen. Vor Gericht verlangte die klagende Kranken­kasse die Erstat­tung der von ihr gezahl­ten Vergü­tung für die statio­nä­ren Behand­lun­gen ihrer Versi­cher­ten. Seit 2012 habe P. an insge­samt 14 statio­nä­ren Behand­lun­gen mitge­wirkt, bei denen es um Versi­cherte der Kranken­kasse ging.

Vergü­tung ohne Rechts­grund

Das Bundes­so­zi­al­ge­richt gab dem Erstat­tungs­an­spruch der Kranken­kasse recht. Wieviel das Kranken­haus aller­dings letzt­lich zurück­zah­len muss, konnte noch nicht abschlie­ßend beurteilt werden. Die Kranken­kasse begehrte zuletzt 31.595,44 Euro. Zur Begrün­dung der Entschei­dung heißt es vom Gericht, dass es ohne einen Rechts­grund für die Vergü­tung einen Erstat­tungs­an­spruch ebendie­ser gibt. Die Kranken­kasse hatte also Vergü­tun­gen bezahlt, die recht­lich unbegrün­det waren. Das ist deshalb der Fall, weil die Behand­lun­gen des falschen Arztes gegen den Arztvor­ber­halt versto­ßen haben.

Der Arztvor­be­halt setzt voraus (§ 15 Absatz 1 Satz 1 SGB V), dass sämtli­che ärztli­che Behand­lun­gen auch tatsäch­lich von einer Ärztin oder einem Arzt durch­ge­führt werden. Genau das war P. aller­dings nicht, auch wenn er über eine Appro­ba­tion verfügte. Notwen­dig für die Erbrin­gung ärztli­cher Leistun­gen ist nämlich nicht nur die Appro­ba­tion, sondern auch die fachli­che Quali­fi­ka­tion. Denn die Appro­ba­tion ist diesem Sinn nach ledig­lich ein Hinweis darauf, dass eine Quali­fi­ka­tion vorliegt, sie fingiert diese aber nicht. Fehlt also diese Quali­fi­ka­tion, ist auch der Arztvor­be­halt verletzt. Zudem verstößt das Kranken­haus so auch gegen das in der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung geregelte Quali­täts­ge­bot.

Es ist unerheb­lich, ob die Arbeit gut war

Dabei ist es egal, ob die Arbeit gut und die medizi­nisch erbrachte Leistung mangel­frei war. Es ist auch egal ob andere Perso­nen, die tatsäch­li­che Ärztin­nen und Ärzt waren, an der Leistung mitge­wirkt haben. Sobald P. an einer Behand­lung mitge­wirkt hat, ist diese vom Vergü­tungs­aus­schluss betrof­fen. Ein falscher Arzt, der Behand­lun­gen durch­führt, hat somit in jedem Fall keinen Anspruch auf Vergü­tung – das Kranken­haus muss diese wieder zurück­zah­len.

Die medizi­ni­sche Leistung in einem Kranken­haus ergibt sich nämlich aus komple­xen Prozes­sen und ist deshalb als Gesamt­leis­tung anzuse­hen. Diese Gesamt­leis­tung wiederum wird mit Fallpau­scha­len vergü­tet. Nur an tatsäch­lich abgegrenz­ten, von der Gesamt­leis­tung isolier­ten Behand­lungs­ab­schnit­ten, an denen der falsche Arzt nicht mitge­wirkt hat, ist eine Ausnahme vom Vergü­tungs­aus­schluss denkbar.

Steht der Kranken­kasse auch Schadens­er­satz zu?

Neben dem Erstat­tungs­an­spruch hatte das LSG ursprüng­lich der Kranken­kasse auch Schadens­er­satz zugespro­chen, weil das Kranken­haus gegen seine Pflicht zur Behand­lung der Verischer­ten versto­ßen habe, indem es eine Person die Behand­lun­gen durch­füh­ren ließ, die eigent­lich kein Arzt war. In der Revision hatte das Bundes­so­zi­al­ge­richt dieses Urteil gekippt. Das Kranken­haus hatte nicht schuld­haft gegen seine Pflich­ten versto­ßen. Das Kranken­haus darf durch­aus der behörd­li­chen Appro­ba­tion vertrauen und ist nicht zwingend dazu angehal­ten, die Eignung und Quali­fi­ka­tion der Person vor dessen Beschäf­ti­gung nochmals eigen­stän­dig zu prüfen.

Quelle: Bundes­so­zi­al­ge­richt vom 26.04.2022 – B 1 KR 26/21 R