Sieben Bürger legen Verfassungsbeschwerde ein
Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ruhe. Bild: Guido Radig/Wikimedia Commons

Es ist ein ungewöhn­li­cher Vorgang in der deutschen Rechts­ge­schichte: Sieben Menschen, die aufgrund ihrer Lebens­si­tua­tion damit rechnen müssen, in einem Pflege­heim unter­ge­bracht zu werden, haben eine Beschwerde beim Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ruhe einge­legt. Ihr Vorwurf: In den Heimen wird gegen Artikel 1 des Grund­ge­set­zes versto­ßen. Unter­stützt werden die Beschwer­de­füh­rer vom Sozial­ver­band VdK.

„Die Würde des Menschen ist unantast­bar. So steht es in Artikel 1 des Grund­ge­set­zes. Es ist das elemen­tarste Recht, das wir haben. Doch in Pflege­hei­men kommt es leider viel zu oft zu Verstö­ßen gegen dieses Grund­recht. Dem können und wollen wir nicht länger zusehen. Deshalb haben sieben Betrof­fene mit Unter­stüt­zung des Sozial­ver­bands VdK Verfas­sungs­be­schwerde in Karls­ruhe einge­legt, um gegen die Verlet­zun­gen der Grund­rechte in deutschen Pflege­hei­men vorzu­ge­hen“, erklärt Ulrike Mascher, Präsi­den­tin des Sozial­ver­bands VdK Deutsch­land.

Zunächst Prüfung der Zuläs­sig­keit der Verfas­sungs­be­schwerde

Aufgabe des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist es zwar nicht, gesetz­ge­be­risch tätig zu werden. Wenn die Richter in Karls­ruhe aber zu dem Schluss kommen, dass der Staat seine Schutz­pflich­ten gegen­über Pflege­be­dürf­ti­gen bislang verletzt, muss der Gesetz­ge­ber in einer bestimm­ten Frist Abhilfe schaf­fen. Im ersten Schritt wird nun in Karls­ruhe die Zuläs­sig­keit der Beschwer­den geprüft, die Dauer des Verfah­rens lässt sich noch nicht vorher­sa­gen.

„Es ist ein ungewöhn­li­cher Weg, den wir beschrei­ten“, so Mascher, „aber der VdK wird alle Möglich­kei­ten nutzen, um Pflege­be­dürf­tige zu schüt­zen. Jeder hat das Recht auf ein würdi­ges Leben bis zuletzt.“

„Vernach­läs­si­gung, Druck­ge­schwüre, mangelnde Ernäh­rung, Austrock­nung und freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men mit Fixier­gur­ten oder durch Medika­mente kommen leider hierzu­lande viel zu häufig vor. Wir können deshalb nicht von bedau­er­li­chen Einzel­fäl­len sprechen. Schuld daran sind aber nicht die Pflege­kräfte, sondern die Bedin­gun­gen, unter denen sie arbei­ten müssen. Deren Pflege­all­tag ist aufgrund von Perso­nal­man­gel häufig gekenn­zeich­net von Zeitdruck, hoher Arbeits­be­las­tung und Überstun­den. Dazu kommt eine viel zu geringe Vergü­tung der Pflege­kräfte“, erklärt VdK-Präsi­den­tin Ulrike Mascher.

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„Die bishe­ri­gen gesetz­li­chen Vorga­ben reichen nicht aus, um die offen­kun­di­gen Missstände zu bekämp­fen. Die aktuel­len Maßnah­men, die im Pflege­stär­kungs­ge­setz gebün­delt sind, genügen nicht, um beispiels­weise die Situa­tion von Menschen mit seelisch-geisti­gen Beein­träch­ti­gun­gen nachhal­tig zu verbes­sern.“

Beschwer­de­füh­rer rechnen mit Heimbe­treu­ung

Geführt wird die Verfas­sungs­be­schwerde von sieben Menschen aus ganz Deutsch­land, die aufgrund ihrer Lebens­si­tua­tion damit rechnen müssen, in einem Pflege­heim unter­ge­bracht zu werden. Eine fortschrei­tende schwere Erkran­kung, eine bestehende Behin­de­rung, eine bereits vorhan­dene Pflege­be­dürf­tig­keit oder eine familiäre Vorbe­las­tung prägen die Schick­sale dieser Menschen.

„Es ist bei allen abseh­bar, dass sie der Pflege in einer statio­nä­ren Einrich­tung bedür­fen werden. Sie führen diese Beschwer­den, weil die Wahrschein­lich­keit, in ihren Grund­rech­ten verletzt zu werden, sehr groß ist“, erklärt Prof. Alexan­der Graser, Verfas­sungs­recht­ler an der Univer­si­tät Regens­burg, der zusam­men mit dem Rosen­hei­mer Rechts­an­walt und Menschen­rechts­exper­ten Dr. Chris­toph Lindner im Auftrag des Sozial­ver­bands VdK die Beschwer­de­schrif­ten ausge­ar­bei­tet hat.