
Urteil: Sexuelle Belästigung einer Auszubildenden
Der Fall bezog sich auf eine Auszubildende einer Gesundheitseinrichtung, die von einem verheirateten Mitarbeiter während zwei gemeinsamer Schichten sexuell belästigt worden sein soll. Der Mann sprach sie während eines gemeinsamen Aufenthalts im Frühstücksraum auf ihre Brüste an. Er fragte, ob diese denn auch „echt“ seien und ob er sie mal berühren dürfe.
Es blieb jedoch nicht beim verbalen Vergehen. Am darauffolgenden Tag nahm er die Auszubildende in den Arm, berührte ihre Brust und versuchte sie zu küssen. Daraufhin informierte die Auszubildende ihren Vorgesetzten über das Geschehen und erstattete zudem Strafanzeige gegen ihren Mitarbeiter. Dieser wurde anschließend fristlos gekündigt, hilfsweise folgte eine Kündigung mit regulärer Auslauffrist.
Der Mann wehrte sich gegen die Behauptungen der Auszubildenden. Er behauptete, die Auszubildende habe ihn durch diverse Gesten und Sprüche, wie „Alles echt! Willste mal anfassen?“, provoziert. Dieser „Einladung“ sei der Mann nachgegangen. Die Auszubildende habe sich zudem freiwillig in die Arme des Mannes begeben, und auch der Kuss sei nicht gegen ihren Willen erfolgt, so die Aussage des Mannes.
In einem zweiten Schreiben korrigierte er sich dann noch einmal. Er habe die Frage, ob er die Brüste der Auszubildenden anfassen will, gestellt und nicht die Auszubildende. Folglich legte er Beschwerde gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Braunschweig ein – mit Erfolg. Dieses sah eine Abmahnung des Mitarbeiters gerechtfertigt.
Das LAG Niedersachsen hat der Kündigung seitens des Arbeitgebers jedoch zugestimmt und die Urteile des ArbG Braunschweig abgeändert. Insgesamt war die Kammer mit der gebotenen Gewissheit von der Richtigkeit der Aussagen der Auszubildenden überzeugt, während der Kläger sich zu den Vorfällen inhaltlich nicht stringent äußerte und die Abweichungen auch nicht nachvollziehbar begründen konnte.
Den kompletten Verfahrensgang finden Sie hier: LAG Niedersachsen vom 6. Dezember 2013 – 6 Sa 391/13. Darin heißt es:
„Die Frage eines langjährigen Beschäftigten nach der Echtheit der Oberweite einer Auszubildenden und die anschließende Berührung der Brust dieser Auszubildenden stellen sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Absatz 4 AGG dar und berechtigen den Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung zur fristlosen Kündigung.“
Konsequenzen für die Täter – Kündigung ist der Regelfall
Seit dem 18.8.2006 richtet sich die Rechtslage bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Laut § 7 Absatz 3 AGG stellt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Liegt nachweislich eine Belästigung vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, geeignete und erforderliche Konsequenzen herbeizuführen.
Diese sind:
- Kündigung (ordentlich & außerordentlich)
- Ermahnung oder Abmahnung
- Umsetzung oder Versetzung
- Hausverbot
Die zu ergreifenden Konsequenzen richten sich nach der Schwere des Vergehens. Im obigen Fall war eine fristlose Kündigung die einzig richtige Entscheidung. Der Arbeitgeber trägt die Pflicht, sexuelle Belästigungen in seinem Betrieb zu unterbinden. Da die Gesundheitseinrichtung eine Vielzahl an weiblichen Auszubildenden beschäftigt, sei eine Abmahnung oder Versetzung des Täters nicht in Frage gekommen. Zu hoch wäre das Risiko gewesen, dass er eine andere Mitarbeiterin belästigt. Generell müssen sich Täter im Klaren darüber sein, dass sexuelle Belästigungen stets zu Abmahnungen oder Kündigungen führen müssen.
Wichtig: Um den Täter eines sexuellen Vergehens in die Verantwortung zu ziehen, muss sich das Opfer dem Arbeitgeber anvertrauen. Sollte die Belästigung von diesem selbst ausgehen, so hat das Opfer laut § 13 AGG das Recht, sich an die Beschwerdestelle des Unternehmens zu wenden. Der Beschwerdestelle obliegt die Pflicht, jede eingehende Angelegenheit zu prüfen.
Nicht ganz so einfach ist es in Fällen, in denen kein nachweislicher Übergriff vorliegt, sondern lediglich der Verdacht auf sexuelle Vergehen besteht, zum Beispiel durch vor anderen getätigte Äußerungen. Hier zwei Fälle, die ebenfalls eine fristlose Kündigung gerechtfertigt haben:
- Ein Angestellter verschickte eine Sammlung von „Witzen“ mit frauenverachtenden Inhalten an seine Kollegen (LAG Köln, 14. Dezember 1998, Az.: 12 Sa 896/98).
- Ein Kindergartenleiter steht durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter strengem Verdacht, kinderpornografische Dateien zu besitzen (ArbG Braunschweig, 22. Januar 1999, Az.: 3 Ca 370/98).
Sonderfall: Konfrontation durch Arbeitgeber
Was aber, wenn man als Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mit vermeintlichen oder tatsächlichen Vorwürfen hinsichtlich sexueller Belästigung konfrontiert wird und es Ziel des Arbeitgebers ist, seinen Angestellten zur Unterschrift eines Aufhebungsvertrags oder einer Eigenkündigung zu drängen. Ist die Kündigung ausgesprochen und zugegangen, so ist das Arbeitsverhältnis beendet und die Kündigung kann nicht rückgängig gemacht werden.
Anders sieht es beim Aufhebungsvertrag aus. Liegt ein widerrechtliches und unbegründetes Verhalten des Arbeitgebers vor, so ist eine Anfechtung des Vertrags möglich. Um zu entscheiden, ob der Arbeitgeber rechtlich handelt oder seinem Angestellten eine Finte stellt, sind jedoch zunächst tiefergehende Ermittlungen notwendig.
Mehr dazu in einem Urteil des BAG vom 21. März 1996 – 2 AZR 543/95.