Krankenpflegerin (Symbolbild)
Kranken­pfle­ge­rin (Symbol­bild) Bild: © Cital­li­ance | Dreamstime.com

Beschäf­ti­gungs­ver­bot für Leite­rin einer Senio­ren­re­si­denz wegen Verstöße gegen Anord­nun­gen

Die Antrag­stel­le­rin betreibt eine Senio­ren­re­si­denz. Zur Weihnachts­zeit 2020 kam es dort zum Ausbruch eines Infek­ti­ons­ge­sche­hens (SARS-CoV-2-Erreger), in dessen Rahmen nach den Feststel­lun­gen des Antrags­geg­ners – Stand 23. Januar 2021 – 25 Bewoh­ner und 14 Mitar­bei­ter erkrank­ten; es verstar­ben fünf Bewoh­ner im Zusam­men­hang mit der Erkran­kung.

Mit Ordnungs­ver­fü­gung vom 11. Januar 2021 traf der Antrags­geg­ner zwangs­geld­be­wehrte Anord­nun­gen zum strikt vonein­an­der zu trennen­den Perso­nal­ein­satz bei der Pflege und Betreu­ung der infizier­ten Bewoh­ner einer­seits und der nicht infizier­ten Bewoh­ner anderer­seits. Die Geltungs­dauer dieses Beschei­des, der auch Streit­ge­gen­stand der Verfah­ren Az.: 6 K 191/21 und Az.: 6 L 66/21 ist, wurde vom Antrags­geg­ner letzt­ma­lig bis zum 29. Januar 2021 verlän­gert.

Nach voran­ge­gan­ge­ner Anhörung unter­sagte der Antrags­geg­ner der Residenz­be­trei­be­rin mit sofor­ti­ger Wirkung durch Ordnungs­ver­fü­gung vom 23. Januar 2021, die Leite­rin der Senio­ren­re­si­denz in der Einrich­tung zu beschäf­ti­gen, und stützte dies auf § 15 Absatz 5 WTG. Für den Fall der Zuwider­hand­lung gegen dieses Verbot wurde ein Zwangs­geld in Höhe von 1.000 Euro angedroht.

Mitar­bei­te­rin soll die Gesund­heit der Bewoh­nen­den gefähr­det haben

Zur Begrün­dung wurde im Wesent­li­chen ausge­führt, dass die Mitar­bei­te­rin gegen die Ordnungs­ver­fü­gung mehrfach vorsätz­lich versto­ßen habe. Sie sei deshalb als Einrich­tungs­lei­te­rin, die eine beson­dere Verant­wor­tung für die einwand­freie Versor­gung der Bewoh­ner trage, persön­lich nicht geeig­net.

Die erheb­li­chen gesund­heit­li­chen Gefah­ren, denen sie die ihr anver­trau­ten Bewoh­ner – von denen viele zur sogenann­ten Risiko­gruppe zählten – willent­lich und wissent­lich aussetze, recht­fer­tig­ten die Annahme, dass sie auch ihrer Verant­wor­tung als Pflege­fach­kraft persön­lich nicht gerecht werde.

Sie habe nament­lich mehrere Male zwischen dem Bereich mit infizier­ten Bewoh­nern und dem Bereich mit nicht infizier­ten Bewoh­nern der Einrich­tung gewech­selt. Zudem sei sie trotz voran­ge­gan­ge­ner Ermah­nung wieder­holt in Straßen­klei­dung angetrof­fen worden. Ferner hätten sich bei einer Schicht­über­gabe Mitar­bei­ter beider Berei­che gemein­sam in einem Aufent­halts­raum aufge­hal­ten, wofür sie als Einrich­tungs­lei­te­rin ebenfalls verant­wort­lich sei.

Mit dem Beschäf­ti­gungs­ver­bot, das verhält­nis­mä­ßig sei, solle § 4 Absatz 4 WTG Rechnung getra­gen werden.

Antrag­stel­le­rin erhob Klage gegen Ordnungs­ver­fü­gung

Mit Ordnungs­ver­fü­gung vom 14. Januar 2021 ordnete der Antrags­geg­ner gegen­über der Residenz­be­trei­be­rin unter anderem an, dass im Wege der Ersatz­vor­nahme bis einschließ­lich 17. Januar 2021 in der Einrich­tung jede Schicht im Tagdienst mit einer Pflege­fach­kraft verstärkt werde. Mit einem weite­ren Bescheid vom 18. Januar 2021 setzte der Antrags­geg­ner drei Zwangs­gel­der in Höhe von jeweils 1.000 Euro wegen angenom­me­ner Verstöße gegen die Ordnungs­ver­fü­gung vom 11. Januar 2021 fest.

Gegen die Ordnungs­ver­fü­gung vom 23. Januar 2021 hat die Antrag­stel­le­rin zum Geschäfts­zei­chen 6 K 190/21 Klage erhoben, die noch anhän­gig ist, und zugleich um vorläu­fi­gen Rechts­schutz nachge­sucht. Das VG Minden hat die beantragte aufschie­bende Wirkung der Klage gegen die Ordnungs­ver­fü­gung der Residenz­be­trei­be­rin wieder­her­ge­stellt im Hinblick auf das verfügte Verbot der Beschäf­ti­gung einer Mitar­bei­te­rin als gegen die Andro­hung des Zwangs­gel­des.[1] Hierge­gen hat die Antrags­geg­ne­rin Beschwerde bei OVG Nordrhein-Westfa­len einge­legt.

Entschei­dung: Die Beschwerde ist begrün­det

Der Senat folgt dem Verwal­tungs­ge­richt zunächst nicht in der Einschät­zung, dass die Erfolgs­aus­sich­ten der Haupt­sa­che offen sind. Das ausge­spro­chene Beschäf­ti­gungs­ver­bot für die beigela­dene Heimlei­te­rin findet (vorraus­sicht­lich) seine Ermäch­ti­gungs­grund­lage in § 15 Absatz 5 WTG.

Danach kann die zustän­dige Behörde Leistungs­an­bie­te­rin­nen und Leistungs­an­bie­tern den Einsatz einer oder eines Beschäf­tig­ten ganz oder für bestimmte Funktio­nen oder Tätig­kei­ten unter­sa­gen, wenn Tatsa­chen die Annahme recht­fer­ti­gen, dass sie oder er die für ihre oder seine Tätig­keit erfor­der­li­che Eignung nicht besitzt.

Die Heimlei­te­rin dürfte persön­lich ungeeig­net für diese Position sein. Gemäß § 21 Absatz 1 Satz 1 WTG muss die Einrich­tung unter der Leitung einer persön­lich geeig­ne­ten Person (Einrich­tungs­lei­tung) stehen. Nach der Geset­zes­be­grün­dung obliegt der Einrich­tungs­lei­tung sowohl die Steue­rung und Verant­wor­tung für die Wirschaft­li­che Betriebs­füh­rung als auch die Pflege- und Betreu­ungs­pro­zesse. Sie soll ledig­lich den Inhabern oder den Aufsichts­gre­mien des Trägers gegen­über weisungs­ab­hän­gig sein. Den Leitungs­kräf­ten kommt dementspre­chend eine beson­dere Bedeu­tung zu.

Die Heimlei­te­rin räumt mehrere Verstöße gegen Anord­nun­gen ein

Die damit verbun­dene Vorbild­funk­tion hat die Beigela­dene im hier zu betrach­ten­den Zeitraum offen­sicht­lich nicht wahrge­nom­men, dem Leitbild ist sie nicht gerecht gewor­den. Sie hat wieder­holt gegen die im Zusam­men­hang mit dem akuten Ausbruch des Infek­ti­ons­ge­sche­hens (COVID-19) vom Gesund­heits­amt getrof­fe­nen Anord­nun­gen zum Tragen von Dienst­klei­dung und zur Trennung des pflege­ri­schen Perso­nals im Quaran­tä­ne­be­reich und im übrigen Bereich der Einrich­tung versto­ßen.

Die Heimlei­te­rin hat an sämtli­chen Begehungs­ta­gen private Kleidung im Dienst getra­gen, obgleich die Anord­nung zum Tragen von Dienst­klei­dung bestan­den hatte und sie auf diese erneut am 10. Januar 2021 hinge­wie­sen worden war. Das hat die Beigela­dene mit ihrer eides­statt­li­chen Versi­che­rung – entge­gen der Annahme des Verwal­tungs­ge­richts – nicht in Abrede gestellt, sondern einge­räumt.

Ihre Formu­lie­rung

„Seit diesem Tag (11. Januar 2021) ist es so, dass ich grund­sätz­lich Arbeits­klei­dung im Hause habe und diese vor Dienst­an­tritt wechsele und abends […] die Dienst­klei­dung ausziehe und sie der im Haus befind­li­chen Wäsche­rei zuführe.“

kann nämlich im Zusam­men­hang mit ihren Ausfüh­run­gen in den folgen­den Absät­zen:

„Richtig ist, dass ich keine klassi­sche ‚Uniform‘ bezie­hungs­weise ‚Pflege­kraft­klei­dung‘ trage, sondern übliche Garde­robe, die auch sonst getra­gen wird. Dabei handelt es sich aller­dings um Materia­lien, die bis 90 °C wasch­bar sind. Ich trage also streng genom­men ‚Dienst­klei­dung‘, weil diese Kleidung ausschließ­lich für meine beruf­li­che Tätig­keit vorbe­hal­ten ist und von mir außer­halb des Hauses und privat nicht getra­gen wird.“

nur so verstan­den werden, dass sie trotz anders­lau­ten­der Anord­nun­gen des Gesund­heits­am­tes und mündli­cher Ermah­nun­gen weiter­hin keine origi­näre Dienst­klei­dung trägt.

Die Heimlei­te­rin setzte ihre eigene Einschät­zung an die Stelle der Anord­nun­gen des Gesund­heits­am­tes

Damit zeigt die Beigela­dene, dass sie ihre eigenen Regeln über die vom Antrags­geg­ner zur Pande­mie­be­kämp­fung für notwen­dig gehal­te­nen Anord­nun­gen des zustän­di­gen Gesund­heits­am­tes setzt, was allein sie für die Leitungs­tä­tig­keit persön­lich ungeeig­net erschei­nen lässt.

Es ist ihrer eides­statt­li­chen Erklä­rung auch nicht ansatz­weise zu entneh­men, dass sie etwa in Zukunft ihr Verhal­ten ändern wird. So hat sie ihr Verhal­ten selbst nach Erlass der hier angefoch­te­nen Verfü­gung nicht geändert, wie der Antrags­geg­ner bei der erneu­ten Begehung der Einrich­tung am 29. Januar 2021 festge­stellt hat.

Erschwe­rend kommt hinzu, dass die Beigela­dene nicht nur verwal­tende Tätig­kei­ten ausüb­ten, sondern auch als Pflege­fach­kraft in der Einrich­tung tätig ist. Sie stellt sich damit als offen­bar einzige Person gegen die für alle gelten­den Regeln der Einrich­tung, die das Tragen von Dienst­klei­dung selbst vorge­ge­ben hat.

Verstoß gegen Anord­nung zur Trennung von Berei­chen für Infizierte und nicht Infizierte

Auch den zweiten Vorwurf, sie habe sich entge­gen der Anord­nung des Gesund­heits­am­tes sowohl im Quaran­tä­ne­be­reich als auch im Bereich für nicht infizierte Bewoh­ner aufge­hal­ten, stellt die Beigela­dene mit ihrer eides­statt­li­chen Versi­che­rung nicht in Abrede. Sie versucht ledig­lich zu belegen, dass ihr Wechseln zwischen den Berei­chen notwen­dig gewesen und aufgrund der Einhal­tung beson­de­rer Hygie­ne­maß­nah­men, wie des Anlegens von Schutz­klei­dung, keine Gefahr für die Bewoh­ner einge­tre­ten sei.

Damit setzt sie erneut ihre eigene Einschät­zung an die Stelle der Anord­nun­gen des Gesund­heits­am­tes, dem die infek­ti­ons­hy­gie­ni­sche Überwa­chung von Pflege­ein­rich­tun­gen obliegt.[2] Ihr Verweis auf „Empfeh­lun­gen des RKI“ hinsicht­lich des getrenn­ten Einsat­zes des Perso­nals bei der Versor­gung von Patien­ten im statio­nä­ren Bereich recht­fer­tigt keine andere Berur­tei­lung, erlaubt ihr insbe­son­dere nicht ein Abwei­chen von den Vorga­ben des Gesund­heits­am­tes zur Eindäm­mung des konkre­ten Infek­ti­ons­ge­sche­hens, die jeweils sofort vollzieh­bar waren.

Angesichts der Beharr­lich­keit, mit der die Beigela­dene gegen diese Anord­nun­gen versto­ßen hat, dürfte kein Raum für Ermes­sens­er­wä­gun­gen des Antrags­geg­ners gegeben sein. Selbst wenn (Rest-) Ermes­sen danach verblei­ben sollte, hätte der Antrags­geg­ner dieses fehler­frei ausge­übt,[3] nament­lich die Verhält­nis­mä­ßig­keit der Maßnahme in Bezug auf die Beigela­dene und die Einrich­tung der Antrag­stel­le­rin abgewo­gen.

Gefor­derte hygie­ni­sche Standards sind angesichts der Corona­pan­de­mie unerläss­lich

Auch unabhän­gig von den Erfolgs­aus­sich­ten der Haupt­sa­che geht der Senat davon aus, dass die Inter­es­sen­ab­wä­gung hier zuguns­ten des Antrags­geg­ners ausfällt. Angesichts des fortdau­ern­den Pande­mie­ge­sche­hens ist es für die Abwägung der öffent­li­chen Inter­es­sen am Sofort­voll­zug der Maßnahme einer­seits und der priva­ten Inter­es­sen der Antrag­stel­le­rin sowie der Beigela­de­nen anderer­seits nahezu ohne Belang, dass das akute Infek­ti­ons­ge­sche­hen, das im Dezem­ber 2020 zu 20 (von 60) infizier­ten Bewoh­nern und zehn infizier­ten Mitar­bei­tern sowie zu sieben Toten geführt hat, zwischen­zeit­lich bekämpft werden konnte.

Der Antrags­geg­ner weist zutref­fend auf die Möglich­keit eines erneu­ten Ausbru­ches und darauf hin, dass sich gegen­wär­tig hoch anste­ckende Mutatio­nen des Virus verbrei­ten, die dies beför­dern könnten. Die Sicher­stel­lung des gefor­der­ten hygie­ni­schen Standards durch das in Pflege­ein­rich­tun­gen tätige Perso­nal ist deshalb unerläss­lich.

Hinweis: Gesetz­li­che Grund­lage für die infek­ti­ons­hy­gie­ni­sche Überwa­chung von Einrich­tun­gen, Unter­neh­men und Perso­nen ist § 36 IfSG. Danach müssen voll- oder teilsta­tio­näre Einrich­tun­gen zur Betreu­ung und Unter­brin­gung älterer, behin­der­ter oder pflege­be­dürf­ti­ger Menschen in Hygie­ne­plä­nen inner­be­trieb­li­che Verfah­rens­wei­sen zur Infek­ti­ons­hy­giene festle­gen. Flankie­rend sind die örtli­chen Gesund­heits­äm­ter zur infek­ti­ons­hy­gie­ni­schen Überwa­chung dieser Einrich­tun­gen verpflich­tet.

Da dies eine Präven­tiv­maß­nahme ist, können Überprü­fun­gen auch ohne konkre­ten Anlass erfol­gen, wobei Umfang und Häufig­keit der Kontrol­len im pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen der Gesund­heits­äm­ter stehen. Die Rechte und Pflich­ten der Betei­lig­ten im Rahmen der Überwa­chungs­tä­tig­keit sind in § 15a IfSG geregelt.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe Mai/Juni 2021 der Rechts­de­pe­sche; RDG 18(3), S. 151 ff..

Anmer­kun­gen:

  1. VG Minden vom 9.2.2021 – 6 L 65/21
  2. Vgl. §§ 23 Absatz 6 Satz 1, 36 Absatz 1 Nummer 2 IfSG
  3. Vgl. § 114 Satz 1 VwGO.