
Einrichtungen in der Altenpflege brauchen voraussichtlich ab September 2022 einen Tarifvertrag für ihr Personal, um auf dem Markt aktiv sein zu können. Die Bundesregierung, unter Federführung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), hat sich auf eine entsprechende Änderung der Pflegereform geeinigt. Der Bundestag könnte die Pläne für eine Änderung des Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetzes (GVWG) noch Mitte Juni, vor der „politischen Sommerpause“ also, beschließen.
Zur Finanzierung der zusätzlichen Ausgaben für die Sozialträger soll der Beitragssatz zur Pflegeversicherung für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte auf dann 3,4 Prozent steigen. Für Berufstätige mit Kindern verbleibt der Satz bei 3,05 Prozent. Außerdem will der Bund zukünftig eine Milliarde Euro pro Jahr aus dem Haushalt beisteuern. Um Heimbewohnerinnen und ‑bewohner sowie deren Angehörige zu entlasten, will die Bundesregierung deren Eigenanteil begrenzen.
Laut Schätzungen des Bundes-Arbeitsministeriums arbeitet bislang gut die Hälfte der Pflegenden ohne Tarifbindung. Die Löhne seien im Schnitt um zwei Euro pro Stunde geringer als bei Pflegekräften mit Tarifbindung. Umgerechnet auf eine Vollzeitstelle ergäben sich demzufolge Einkommens-Zuwächse von rund 300 Euro brutto pro Monat. Allerdings arbeitet nur eine Minderheit der Altenpflegekräfte in Vollzeit.
Halbherzig, nicht solide finanziert: Opposition übt Kritik
Die Diskussion um Tarifverträge in der Pflege schwelt schon seit einigen Monaten. Die Allgemeingültigkeit eines Tarifvertrags, der Bruttoeinkommen von 18,50 Euro pro Stunde vorsah, war Ende Februar am Veto des Caritasverbandes gescheitert. Jenen hatte die Gewerkschaft ver.di mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflege (BVAP) abgeschlossen, der unter anderem Arbeiterwohlfahrt, Arbeiter-Samariter-Bund und die in den neuen Bundesländern tätige Volkssolidarität vertritt.
Um der voraussichtlich ab September 2022 geltenden Tarifpflicht zu genügen, können die Heim- oder Pflegedienst-Betreiber selbst einen Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft abschließen, oder – in der Praxis wahrscheinlicher – einen bestehenden Tarifvertrag für sich übernehmen.
Von der Opposition im Bundestag kam Kritik an den Plänen: Die Grünen bezeichneten das beabsichtigte Reformwerk als „halbherzig“. Die FDP hielt die Finanzierung für nicht solide. Die Linksfraktion forderte weiterhin einen bundeseinheitlichen Flächentarifvertrag für die Pflege.