Homeoffice-Regelungen sinnvoll – Betriebsschließungen kritisch überprüfen
Nach einer überschlägigen Analyse der bestehenden Lockdown-Maßnahmen – ausgehend von den Abstands- und Hygieneregeln, der Maskenpflicht, den Kontaktbeschränkungen, der Homeoffice-Pflicht sowie der in einigen Bundesländern geltenden Sperrstunde, und anderem mehr – wurde deren Angemessenheit diskutiert.
In diesem Zusammenhang wurde betont, dass konsequentere Homeoffice-Regelungen – gerade in den Ballungs- und Hochrisikogebieten – die ohnehin umstrittene und de facto nicht zu kontrollierende 15-Kilometer-Regelung obsolet machen würde.
Alternativ wäre eine differenziertere Ausgestaltung der Homeoffice-Regelung wünschenswert, da Arbeitgeber, die alle bisherigen Maßnahmen strengstens einhalten, in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht unerheblich eingeschränkt werden. Hier sollten individuelle Regelungen hinsichtlich Firmengröße, Hygieneregeln, Kommunikation und Arbeitsprozessen getroffen werden.
Sperrstunde erscheint bei hohen Inzidenzen sinnvoll – „Ein-Personen-Regelung“ ist lebensfremd – Forschung auch mit bewährten Medikamenten vorantreiben – Nein zur Impfpflicht
Neben der Berufswelt wurde die private, häusliche Umgebung als die zweite hauptrelevante Infektionsquelle erachtet. Deutlich scheint, dass private Zusammenkünfte sowohl das Ansteckungsgeschehen, als auch die Missachtung der Corona-typischen Hygiene- und Schutzregeln befördern. Insoweit wurde durchaus die strenge Einhaltung der Sperrstunde – in Abhängigkeit von den regionalen Inzidenzwerten – als alternativlos erachtet. Im Gegenzug sind die derzeitigen Kontaktbegrenzungen im privaten Bereich – wie die sogenannte „Ein-Personen-Regelung“ – wenig praktikabel. Die Ein-Personen-Regelung geht an der Lebenswirklichkeit vorbei, da bei einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie die Begrenzung auf eine weitere Person nur dann sinnvoll wäre, wenn es sich hierbei dauerhaft um die gleiche Person handeln würde. Abseits dessen kann es sich hierbei ohnehin nur um einen Appell handeln, weil eine Überprüfbarkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen unmöglich ist.
Die Unterstützung der Selbstverantwortung ist demgegenüber dringend zu befürworten und förderungswürdig. Jeder Einzelne sollte sich – abseits der gesetzlichen Bestimmungen – fragen: „Wie kann ich persönlich zur Begrenzung des Infektionsgeschehens beitragen?“ Vor dem Hintergrund der Fürsorge- und Obhutspflichten von Gesundheitsdienstleistern ist diese Haltung selbstverständlich erst recht von den Leistungserbringern in der ambulanten und stationären pflegerischen und ärztlichen Versorgung zu verlangen. Folgende Beispiele zur praktischen Umsetzung wurden benannt: Eine feste Tourenplanung mit wenigen personellen Wechseln in der ambulanten Pflege, Verbot der häuslichen Wäsche von Dienstkleidung in der stationären Pflege, strukturierter Einsatz von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bestimmter Funktionsbereiche, die den COVID-intensiven Pflege- und Therapieprozess unterstützen können (zum Beispiel der Einsatz von operationstechnischen Assistenten auf Intensiv-Stationen).
Schließung von Sport- und Gaststätten sowie Kultureinrichtungen müssen auf den Prüfstand
Die Beschränkungen der Freizeitaktivitäten sollten kritisch überdacht werden, insbesondere dann, wenn diese der Gesundheit dienen und physischen und psychischen Belastungen vorbeugen. Es ist beispielsweise schwer nachvollziehbar, wieso ansteckungsunverdächtige Distanzsportarten (zum Beispiel Tennis) nicht möglich sein sollen. Missbilligt wurde zudem, dass die Anstrengungen und Investitionen auf der Grundlage der früheren Corona-Schutzverordnungen durch gastronomische Betriebe, Kinos, Kulturstätten etc. durch die neue Verordnungslage völlig ignoriert wurden.
Bei der Frage, inwieweit Impfungen die Situation zum Besseren wenden können, ist zwischen der rein-medizinischen Wirkung und dem psychologischen Effekt auf die Bevölkerung zu unterscheiden. „Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels – wir brauchen jedoch noch weitere“, so die übereinstimmende Einschätzung. Neben der laufenden Impfkampagne und der Forschung nach weiteren Impfstoffen, was beides zu begrüßen ist, darf jedoch die Erkundung von neuen Prophylaxe- und Therapiemöglichkeiten mit altbekannten und bei anderen Indikationen langjährig bewährten Wirkstoffen nicht vernachlässigt werden.
Berücksichtigt man etwa, dass eine schwere COVID-Erkrankung fast immer mit einer Thrombosierung einhergeht, ist eine im COVID-Krankheitsverlauf frühzeitigere Gabe von Heparin denkbar. Außerdem sollte die Untersuchung von bestehenden Medikamenten hinsichtlich eines Zweitnutzens gegen SARS-Cov‑2 oder seine Auswirkungen vereinfacht werden, etwa dem Anti-Parasiten-Mittel Ivermectin, das sich in einer britischen Studie in der Ansteckungs-Prävention als sehr wirkungsvoll erwiesen hat.
In der Kommunikation mit der Bevölkerung sollte die klare Aussage hervorstehen, dass alle, die eine Impfung wünschen, eine Impfung erhalten sollen. Eine Impfpflicht ist hingegen kontraproduktiv, da sie bestehendes Misstrauen und Verschwörungsgedanken verstärkt. Unbedingt notwendig ist eine Evaluierung der Wirksamkeit der Impfstoffe, das heißt wie viele der tatsächlich Geimpften dennoch an COVID-19 erkranken, und ob sie das Virus weitergeben können, ohne selbst aktiv zu erkranken.
Zur Beilegung der konfusen Verhältnisse bei der Impfanmeldung (Überlastung der Impf-Telefonhotlines, Probleme bei der digitalen Anmeldung zur Impfung) sollten Hausärzte und mobile Impfteams stärker berücksichtigt werden, auch um immobilen Pflegebedürftigen die Möglichkeit zur Impfung zur verschaffen. In die Impfstrategien einzubinden sind außerdem die Auslands-Pflegekräfte und Haushaltshilfen vor allem aus Osteuropa.
Positive Corona-Aspekte: Mehr Hygienebewusstsein und digitale Kompetenz
Bei der Frage, was von der Pandemie bleibt, ist unter der Reflexion der bisherigen Maßnahmen und des Entwicklungsprozesses hinsichtlich positiver und negativer Effekte in Gesundheitswesen, Gesellschaft und Wirtschaft zu differenzieren. Ungeachtet aller persönlichen und familiären Tragödien sowie den wirtschaftlichen Verheerungen im Zuge der Corona-Krise, sind positiv hervorzuheben: der gestiegene Respekt von Erkrankten gegenüber Gesunden und das hiermit verbundene, selbstverständlich gewordene Tragen von Masken, der höhere Stellenwert von Händehygiene sowie die Maßnahmen zum Infektionsschutz (etwa Plexiglasscheiben und Abstandsmarker), die sich etwa auch postpandemisch während Grippewellen als hilfreich erweisen können.
In Wirtschaft und Bildung ist die gestiegene Vertrautheit gegenüber digitalen Medien und die stärkere Nutzung von Video- anstelle von Präsenz-Konferenzen zu nennen, die dem zeitraubenden und umweltschädlichen „Management-Tourismus“ entgegenwirken helfen, sowie die vielerorts aus der Bevölkerung heraus zu beobachtende Kreativität bei der Bewältigung der Krise.
Negativ: Erlebter Kontroll- und Vertrauensverlust, gesellschaftliche Spaltung
Negativ zu sehen und klar zu brandmarken sind die Erfahrungen der beschnittenen, relativierten und gewissermaßen „unter Erlaubnisvorbehalt gestellten“ Grund- und Bürgerrechte. Sowie die mitunter überschießenden, nicht klar kommunizierten und begründeten Einschränkungen des täglichen Lebens durch die politischen Entscheidungsträger, das erschütterte Vertrauen in öffentliche Institutionen und Infrastruktur, das Erleben von existenzieller Unsicherheit sowie das Hinterlassen einer traumatisierten Generation – etwa die mit „Glaubenssätzen“ indoktrinierten Schülerinnen und Schüler –, sowie die zu beobachtende Spaltung der Gesellschaft in „Rundum-Sorglose“ und „Hysteriker“, „Rundum-Abgesicherte“ und in ihrer wirtschaftlichen Existenz Bedrohte.
Wünschenswert für die Zukunft ist eine beim Robert Koch-Institut angesiedelte, gut zugängliche Sammlung von „Best Practice“-Beispielen, ein allgemeiner Abbau von Bürokratie und eine zeitgemäße technisch-telekommunikative Ausrüstung der Behörden, vor allem der Gesundheitsämter. Gesamtgesellschaftlich müssen alle Anstrengungen darauf ausgerichtet sein, dass die soziale Seele der Gesellschaft bestehen bleibt.
Liste der Unterzeichner
- Judith Ebel
- Marleen Ebel
- Stefan Glau
- Prof. Dr. Volker Großkopf
- Christian Janssen
- Christine Kaiser
- Dr. Erika Mendoza
- Anita Mysor
- Michael Schanz
- Gabriele Schweller
- Heike Senge
- Gerhard Wolfmeier
- Georg Oevermann
- Janette Werner
- Benjamin Dramm