Dekubitus
In der Winter­aka­de­mie 2025 klärt Prof. Dr. Volker Gross­kopf über Haftungs­ri­si­ken bei Dekubi­tus-Fällen auf. Bild: Philip Schmitz

Dekubi­tus-Fälle gehören, neben dem Patien­ten­sturz als häufigste Gruppe von Haftungs­fäl­len und Klinik­keim-Infek­tio­nen infolge von Hygie­ne­män­geln, zu den größten Haftungs­ri­si­ken für Einrich­tun­gen in Gesund­heit und Pflege. „Bis zum Exper­ten­stan­dard im Jahr 2000 wurden Dekubiti bereits beim bloßen Auftre­ten als Behand­lungs­feh­ler angese­hen, weil deren Vermei­dung bis dahin zum voll beherrsch­ba­ren Bereich angese­hen wurden“, verdeut­lichte Prof. Dr. Volker Großkopf in seinem Programm­punkt „Das Dekubi­tal­ge­schwür – Eine Haftungs­falle für das Gesund­heits­we­sen“, am ersten Seminar-Veran­stal­tungs­tag der Winter­aka­de­mie 2025 auf Gran Canaria. Heute dagegen gelten Dekubiti, Druck­ge­schwüre, unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen als schick­sal­haft und auch bei bester Vorsorge nicht vermeid­bar. Umso wichti­ger die Rolle der Dokumen­ta­tion – um zu zeigen, dass man alles unter­nom­men hat, um einem Dekubi­tus vorzu­beu­gen.

Dokumen­ta­ti­ons-Mängel bedeu­ten Beweis­erleich­te­rung

Zugute kämen den Einrich­tun­gen, wie Großkopf aus seiner eigenen Tätig­keit als Rechts­an­walt weiß, die sehr hohen Anfor­de­run­gen an einen Patien­ten, einen Schadens­er­satz zu begrün­den. „Der Kläger muss grund­sätz­lich alle schadens­er­satz­be­grün­den­den Voraus­set­zun­gen bewei­sen“ – den Schaden selbst, die Sorgfalts­pflicht­ver­let­zung, das Verschul­den und den Ursachen­zu­sam­men­hang dieser Fakto­ren – nur dann bestehe gewisse Aussicht auf eine finan­zi­elle Kompen­sa­tion.

Jedoch: Weist die Dokumen­ta­tion Mängel auf, kann dies eine Beweis-Erleich­te­rung für die Patien­ten­seite bedeu­ten – weil vermu­tet wird, dass die Pflege­maß­nahme zur Präven­tion eines Dekubi­tus gar nicht statt­ge­fun­den habe. „Der origi­näre Sinn der Dokumen­ta­tion ist ein lücken­lo­ser Infor­ma­ti­ons­trans­fer“, so Großkopf – in dem Sinne, dass auch bei wechseln­den Betreu­ern der aktuelle Behand­lungs­stand jeder­zeit ersicht­lich werde. Vor Gericht jedoch könne eine lücken­lose Dokumen­ta­tion der Trumpf für Einrich­tun­gen sein. „Änderun­gen des Zustands, Abwei­chun­gen vom Normal sind beson­ders festzu­hal­ten“, appel­lierte Großkopf.

Fall aus der Praxis: Dekubi­tus-Risiko eines Patien­ten unter­schätzt

Wie dies in der Praxis aussieht, erarbei­te­ten die Anwesen­den anhand eines konkre­ten Fallbei­spiels, der 2018 vor dem Oberlan­des­ge­richt Branden­burg verhan­delt worden war (Az.: 12 U 37/17). In dem Fall war ein 82-jähri­ger Mann nach einer Oberschen­kel­frak­tur ins Kranken­haus gekom­men; im Anamnese-Bogen wurde, trotz mehre­rer vorlie­gen­der Risiko­fak­to­ren wie Alter, Bettlä­ge­rig­keit, einge­schränk­ter Mobili­tät, Demenz und Sedie­rung, nur ein gerin­ges Sturz- sowie Dekubi­tus­ri­siko einge­tra­gen. Präven­ti­ons­maß­nah­men gegen die Entwick­lung eines Dekubi­tus blieben unzurei­chend, und ungenau dokumen­tiert. Tatsäch­lich entwi­ckelte der Senior einen Dekubi­tus im Stadium 2. Dieser verstärkte sich auch nach der Entlas­sung und führte zu weite­ren Opera­tio­nen. Knapp zwei Monate nach seiner Erstauf­nahme im Kranken­haus verstarb der Patient.

Neben einer Zeitleiste des Falls erstell­ten die Klein­grup­pen eine modell­hafte Pflege­pla­nung und ein Konzept für manage­ri­elle Eingriffe, um solche Fälle in Zukunft zu verhin­dern. Eine weitere Gruppe ließ experi­men­tell mit verschie­de­nen KI-Program­men einen auf diesen Fall zugeschnit­te­nen Pflege­plan schrei­ben – mit Ergeb­nis­sen, die durch­aus aufhor­chen ließen! „Die Ergeb­nisse sind bemer­kens­wert“, resümierte der Profes­sor und Kongress-Initia­tor. „Vertrauen Sie KI aller­dings nicht allzu sehr. ChatGPT & Co. können auch mal hallu­zi­nie­ren.“ Es gelte unbedingt, die Ausfüh­run­gen des KI-Bots zu verifi­zie­ren.