
Dekubitus-Fälle gehören, neben dem Patientensturz als häufigste Gruppe von Haftungsfällen und Klinikkeim-Infektionen infolge von Hygienemängeln, zu den größten Haftungsrisiken für Einrichtungen in Gesundheit und Pflege. „Bis zum Expertenstandard im Jahr 2000 wurden Dekubiti bereits beim bloßen Auftreten als Behandlungsfehler angesehen, weil deren Vermeidung bis dahin zum voll beherrschbaren Bereich angesehen wurden“, verdeutlichte Prof. Dr. Volker Großkopf in seinem Programmpunkt „Das Dekubitalgeschwür – Eine Haftungsfalle für das Gesundheitswesen“, am ersten Seminar-Veranstaltungstag der Winterakademie 2025 auf Gran Canaria. Heute dagegen gelten Dekubiti, Druckgeschwüre, unter bestimmten Voraussetzungen als schicksalhaft und auch bei bester Vorsorge nicht vermeidbar. Umso wichtiger die Rolle der Dokumentation – um zu zeigen, dass man alles unternommen hat, um einem Dekubitus vorzubeugen.
Dokumentations-Mängel bedeuten Beweiserleichterung
Zugute kämen den Einrichtungen, wie Großkopf aus seiner eigenen Tätigkeit als Rechtsanwalt weiß, die sehr hohen Anforderungen an einen Patienten, einen Schadensersatz zu begründen. „Der Kläger muss grundsätzlich alle schadensersatzbegründenden Voraussetzungen beweisen“ – den Schaden selbst, die Sorgfaltspflichtverletzung, das Verschulden und den Ursachenzusammenhang dieser Faktoren – nur dann bestehe gewisse Aussicht auf eine finanzielle Kompensation.
Jedoch: Weist die Dokumentation Mängel auf, kann dies eine Beweis-Erleichterung für die Patientenseite bedeuten – weil vermutet wird, dass die Pflegemaßnahme zur Prävention eines Dekubitus gar nicht stattgefunden habe. „Der originäre Sinn der Dokumentation ist ein lückenloser Informationstransfer“, so Großkopf – in dem Sinne, dass auch bei wechselnden Betreuern der aktuelle Behandlungsstand jederzeit ersichtlich werde. Vor Gericht jedoch könne eine lückenlose Dokumentation der Trumpf für Einrichtungen sein. „Änderungen des Zustands, Abweichungen vom Normal sind besonders festzuhalten“, appellierte Großkopf.
Fall aus der Praxis: Dekubitus-Risiko eines Patienten unterschätzt
Wie dies in der Praxis aussieht, erarbeiteten die Anwesenden anhand eines konkreten Fallbeispiels, der 2018 vor dem Oberlandesgericht Brandenburg verhandelt worden war (Az.: 12 U 37/17). In dem Fall war ein 82-jähriger Mann nach einer Oberschenkelfraktur ins Krankenhaus gekommen; im Anamnese-Bogen wurde, trotz mehrerer vorliegender Risikofaktoren wie Alter, Bettlägerigkeit, eingeschränkter Mobilität, Demenz und Sedierung, nur ein geringes Sturz- sowie Dekubitusrisiko eingetragen. Präventionsmaßnahmen gegen die Entwicklung eines Dekubitus blieben unzureichend, und ungenau dokumentiert. Tatsächlich entwickelte der Senior einen Dekubitus im Stadium 2. Dieser verstärkte sich auch nach der Entlassung und führte zu weiteren Operationen. Knapp zwei Monate nach seiner Erstaufnahme im Krankenhaus verstarb der Patient.
Neben einer Zeitleiste des Falls erstellten die Kleingruppen eine modellhafte Pflegeplanung und ein Konzept für managerielle Eingriffe, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern. Eine weitere Gruppe ließ experimentell mit verschiedenen KI-Programmen einen auf diesen Fall zugeschnittenen Pflegeplan schreiben – mit Ergebnissen, die durchaus aufhorchen ließen! „Die Ergebnisse sind bemerkenswert“, resümierte der Professor und Kongress-Initiator. „Vertrauen Sie KI allerdings nicht allzu sehr. ChatGPT & Co. können auch mal halluzinieren.“ Es gelte unbedingt, die Ausführungen des KI-Bots zu verifizieren.