
Dekubitus nach Krankenhausaufenthalt
Der klagende Patient wurde im September 2007 nach einem Schlaganfall im Bereich der rechten Gehirnhälfte und einer linkslastigen Halbseitenlähmung in ein Kreiskrankenhaus aufgenommen. Zuvor litt der Patient bereits an Adipositas, chronischer Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus und einem Schlafapnoe-Syndrom.
Die Akutbehandlung erstreckte sich dort über zwei Monate, nach Rückschlägen in der Frührehabilitationsbehandlung in Form von kardialen Problemen dauerte die Behandlung bis Ende des Jahres an. Im Januar 2008 wurde der Kläger aufgrund seiner Bettlägerigkeit und Immobilität in die beklagte neurologische Fachklinik aufgenommen.
Bei seiner Entlassung im Februar 2008 lag bei dem Patient ein Sakraldekubitus des Grades II vor. Aufgrund dessen begab er sich zwei Wochen später erneut in das Krankenhaus. Bei der konservativen Behandlung des Dekubitus wurde eine Infektion mit multiresistenten Staphylokokkus aureus (MRSA) diagnostiziert, welche mit einem operativen Débridement und einer Vakuumtherapie zunächst vor Ort und später ambulant behandelt wurde.
Nach seiner Behandlung beklagte der Patient, dass sich der Sakraldekubitus nicht zurückgebildet hätte, geschweige denn abgeheilt sei. Im Gegenteil, das Geschwür habe sich sogar zu einem Dekubitus IV. Grades verschlimmert. Der Patient erhob Klage gegen den verantwortlichen Chefarzt, eine Oberärztin und einen Stationsarzt. Eine fehlerhafte Behandlung mit mangelhafter Versorgung der Beteiligten sei schuld an der Dekubituserkrankung.
Dekubitusprophylaxe so gut wie nicht vorhanden
Der Kläger führt an, dass während seines Krankenhausaufenthalts nötige Umlagerungen kaum stattgefunden hätten. Ebenso wenig wurden Antidekubitus-Matratzen und ‑Kissen für Bett und Rollstuhl verwendet. Auch die Pflege und Reinigung gerade im Hinblick auf die Inkontinenz des Patienten sei unzureichend erfolgt. Aus dieser Fehlversorgung resultierte letztlich der Sakraldekubitus. Die Ärzte seien zudem ihrer Pflicht zur Überwachung der Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe nicht nachgegangen, es gab wohl nicht einmal ärztliche Anweisungen zur Umlagerung und Mobilisierung des Klägers.
Der Kläger begehrt von den Ärzten Ersatz für erlittene und zukünftige Schmerzen sowie für entstandene und entstehende materielle Schäden. Das Landgericht Bonn hat die Kläge des Patienten als begründet angesehen und ihm einen Anspruch auf Schmerzensgeldgegen die Ärzte als Gesamtschuldner nach §§ 823, 253, 421ff. BGB i.H.v. 20.000 Euro zugesprochen (Urteil vom 23.12.2011 – 9 = 364/08). Laut Gericht habe die Beweislastumkehr hin zu den Beklagten nicht widerlegen können, dass ihnen ein ärztliches Fehlverhalten mit gesundheitlicher Schädigung des Patienten vorzuwerfen ist.
Fest steht, dass der Dekubitus erst durch den Krankenhausaufenthalt entstanden ist. Zuvor waren keine für ein Druckliegegeschwür verantwortlichen Hautveränderungen beim Patienten festgestellt worden. Die Entstehung des Dekubitus wurde später von ärztlicher Seite dokumentiert. Nicht ersichtlich ist hieraus jedoch, ob es genügend Anweisungen zur Dekubitusprophylaxe gegeben hat.
Betrachtet man das erhöhte Gewicht und das Alter des Patienten, sowie seine bereits genannten Vorerkrankungen, so hätte der Kläger im Krankenhaus als Hochrisikopatient in Bezug auf eine Dekubitusentstehung eingeordnet werden müssen. Insoweit wäre eine ärztliche Diagnosestellung und Anordnung sowie eine konsequente Überwachung des Patienten erforderlich gewesen.
All dies wäre zudem zu dokumentieren gewesen. Weder die vorliegende Dokumentation noch der Vortrag der Beklagten beinhaltete jedoch jene Anordnungen. Von der Dokumentation kann grundsätzlich abgewichen werden, wenn in der Einrichtung eine allgemeingültige Regelung, dass bestimmte Prophylaxe-Maßnahmen bei Dekubitus-Risikopatienten zwingend durchzuführen sind. Auch dies war im vorliegenden Fall nicht so.
Es ist somit anzunehmen, dass die ernsthafte Gefahr der Entstehung eines Geschwürs beim Kläger nicht festgestellt worden ist und/oder die Durchführung prophylaktischer Maßnahmen nicht hinreichend angeordnet, beziehungsweise vom Personal nicht umgesetzt worden ist. Die Beklagte trug dagegen sprechende Beweise nicht vor.
Berufung nicht zulässig – Urteil rechtskräftig
Die Berufung der Beklagten, der Patient habe sich nach Umlagerungen in die Seitenlage häufig selbst aus dieser Position hinausbewegt ist, wurde vom Gericht nicht zugelassen., da auch hierzu die entsprechende Dokumentation fehlt. Angesichtes der unzureichenden Versorgung des Klägers ist dieser Aspekt ohnehin nicht entscheidungsrelevant.
Die Ablehnung notwendiger medizinischer Maßnahmen verdient nur dann Beachtung, wenn der Patient von einem Arzt auf die Dringlichkeit der Maßnahmen hingewiesen und über die Risiken der Nicht-Durchführung aufgeklärt worden ist. Eine solches Aufklärungsgespräch ist ebenfalls nicht durchgeführt worden.
Somit ist das Urteil rechtskräftig. Die Schadensersatzsumme fällt dabei auf die drei beklagten Ärzte zurück, für die Erstattung vergangener und zukünftiger materieller Schäden muss die Neurologische Fachklinik aufkommen.
Ist ein Dekubitus immer vermeidbar?
Nach Ansicht des LG Bonn gilt als anerkannte Rechtssprechung: Das Auftreten von schwerwiegenden Dekubiti bei Hochrisikopatienten, wie in diesem Fall dem Kläger, ist durch häufige Umlagerungen und weiter Maßnahmen immer vermeidbar. Aus diesem Grund wird allein schon die Entstehung eines Dekubitus auf grobe Pflege- und Lagerungsmängel oder unzureichende ärztliche Anordnungen und Überwachungen zurückgeführt.
Diese Einschätzung steht allerdings im Widerspruch zu früheren Entscheidungen anderer Gerichte. Vergleichend heranzuziehen sind dabei die Urteile des OLG Braunschweig vom 7.10.2008 (1 U 93/07) und OLG Düsseldorf vom 16.6.2004 (1–15 U 160/03), sowie BGH vom 2.6.1987 (VI ZR 174/86).
Auch die jüngere Rechtssprechung geht davon aus, dass die Entstehung eines Dekubitus nicht zwangsläufig mit einer fehlerhaften Patientenbehandlung zusammenhängt. Es gibt durchaus Situationen, in denen ein Druckliegegeschwür nicht vermeidbar ist. Dennoch handeln sich Gesundheitseinrichtungen des Öfteren eine Klage diesbezüglich ein. Was man in einem solchen Fall dagegen tun kann, erklärt Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Großkopf in einem seiner Videos - wissenswert und notwendig für alle Pflegekräfte!
Quelle: RDG 2012, 9(2), S. 84ff.