Bei Patienten mit Risiko für einen Dekubitus sind besondere pflegerische Maßnahmen notwendig.
Bei Patien­ten mit Risiko für einen Dekubi­tus sind beson­dere pflege­ri­sche und medizi­ni­sche Maßnah­men notwen­dig. Bild: Photo 123023599 © Auremar – Dreamstime.com

Die Zahl der Dekubi­tus-Fälle ist zu hoch – so lautete eines der Ergeb­nisse des Pflege-Reports 2018 des Wissen­schaft­li­chen Insti­tuts der AOK (WIdO). Zwar unter­schei­det sich die Risiko­struk­tur von Pflege­be­woh­ner zu Pflege­be­woh­ner, trotz­dem ist es nach Exper­ten­mei­nung durch­aus möglich, dass ein Dekubi­tus durch entspre­chende Pflege vermeid­bar bleiben kann.

Dazu wurde bereits 2004 das erste Mal der Exper­ten­stan­dard „Dekubi­tus­pro­phy­laxe in der Pflege“ des Deutschen Netzwerks für Quali­täts­ent­wick­lung in der Pflege (DNQP) publi­ziert und liegt seit 2017 bereits in 2. Aktua­li­sie­rung vor.

Wichtig: Nicht zwangs­läu­fig ist das Entste­hen eines Dekubi­tus Folge von Fehlver­hal­ten auf Seiten des jewei­li­gen Behand­lers. Von Relevanz ist hierbei grund­sätz­lich die Frage, inwie­weit das Dekubi­tal­ge­schwür in den sogenann­ten vollbe­herrsch­ba­ren Herrschafts- und Organi­sa­ti­ons­be­reich einzu­ord­nen ist. Für die juris­tisch und haftungs­recht­li­chen Details sollte unbedingt ein Blick in dieses Video von Rechts­an­walt Prof. Dr. Volker Großkopf gewor­fen werden, in dem er genau diesen Umstand prägnant und verständ­lich erläu­tert.

Wie die Recht­spre­chung im Falle einer fehler­haf­ten Dekubi­tus­pro­phy­laxe ausfal­len kann, zeigt ein Streit­fall, der 2018 vor dem Oberlan­des­ge­richt Branden­burg ausge­tra­gen wurde (Az.: 12 U 37/17).


Kurz gesagt wurden in diesem Fall zwei grund­le­gende Dinge fehler­haft durch­ge­führt:
  • Der Patient wurde nicht als Hochri­si­ko­pa­ti­ent für das Erlei­den eines Dekubi­tus einge­ord­net. Entspre­chende Behand­lungs­maß­nah­men wurden daher nicht vorge­nom­men.
  • Die Dokumen­ta­tion war lücken­haft, sodass einzelne Behand­lungs­maß­nah­men nicht voll umfäng­lich nachvoll­zo­gen werden konnten.

Zum Hinter­grund

Geklagt hat die Tochter eines verstor­be­nen Patien­ten. Ihrem Vorwurf zufolge wurde ihr Vater während eines Kranken­haus­auf­ent­hal­tes ärztlich und pflege­risch falsch behan­delt, weshalb sie Schadens­er­satz in Höhe von 23.000 Euro geltend machte. Bei ihm handelte es sich um einen demen­ten, multi­mor­bi­den Mann mit einer kardia­len Dekom­pen­sa­tion mit Vorhof­flim­mern, einem Gravis-Syndrom mit wieder­keh­ren­den Blutergüs­sen und entspre­chen­der Blutar­mut, einer chroni­schen Nieren­in­suf­fi­zi­enz im Stadium III, einer Polyneu­ro­pa­thie sowie einer Leber­zir­rhose im Endsta­dium. Er hätte, so die Tochter, als Hochri­si­ko­pa­ti­ent für einen Dekubi­tus einge­stuft werden und entspre­chend behan­delt werden müssen.

Wegen einer Oberschen­kel­frak­tur wurde er am 3. Juli 2012 im beklag­ten Klini­kum aufge­nom­men. Nach der Behand­lung am Folge­tag wurde ein gerin­ges Sturz­ri­siko mit 4 Punkten und ein gerin­ges Dekubi­tus­ri­siko mit 17 Punkten nach der Braden-Skala dokumen­tiert. Eine Dekubi­tus­pro­phy­laxe „zweimal täglich“ wurde in der Pflege­pla­nung dokumen­tiert, aller­dings ohne Nennung der genauen vorge­nom­me­nen Maßnah­men. Vier Tage nach seiner Kranken­haus­auf­nahme wurde vom Spätdienst dokumen­tiert:

„Gesäß gerötet bis lila verfärbt und Spannungs­blase rechte Gesäß­hälfte ca. 1 cm Durch­mes­ser“.

Es folgten eine Antide­ku­bi­tus­ma­tratze, die Lagerung nach einem Lagerungs­plan sowie die Verle­gung auf die Inter­me­diate-Care-Station. Sein Hautzu­stand verschlech­terte sich jedoch und in der Zeit nach seiner Entlas­sung verstärk­ten sich die Dekubi­tus, sodass weitere opera­tive Wundver­sor­gun­gen nötig waren. Wenige Monate später verstarb der Patient.

Die Behand­lungs­feh­ler der Ärzte und Pflege­kräfte waren grob fehler­haft

Anders als das Landge­richt Potsdam, das die Klage abgewie­sen hat, entschied das Oberlan­des­ge­richt Branden­burg zuguns­ten der Kläge­rin. Demnach wurde ihr Vater nicht nach den allge­mein anerkann­ten fachli­chen Standards behan­delt. Aufgrund einer Reihe von Dekubi­tus­ri­si­ko­fak­to­ren handelte es sich bei ihm in der Tat um einen Hochri­si­ko­pa­ti­en­ten.

Gemäß Exper­ten­stan­dard hätte bei ihm am Aufnah­me­tag zeitnah eine Risiko­ein­schät­zung sowie eine Hautkon­trolle erfol­gen müssen. Dass bei ihm ledig­lich ein gerin­ges Dekubi­tus­ri­siko beschrie­ben wurde, war eine Fehlein­schät­zung. Zudem wurden die entspre­chen­den pflege­ri­schen Maßnah­men nicht vollstän­dig dokumen­tiert, sodass vermu­tet werden muss, dass sie nicht getrof­fen worden sind. So oder so musste hier angenom­men werden, dass die für einen Hochri­si­ko­pa­ti­en­ten notwen­di­gen Maßnah­men nicht vorge­nom­men wurden, da er ohnehin schon nicht als solcher einge­stuft worden ist. In diesem Fall lag deshalb die Beweis­last nicht ausschließ­lich beim Patien­ten, sondern beim beklag­ten Kranken­haus. Dieses konnte jedoch keine entspre­chen­den Beweise vorle­gen. Die gemach­ten Eintra­gun­gen zeigten sogar vielmehr, dass die Abstände zwischen den Lagerungs­in­ter­val­len zu groß waren.

Insge­samt wurden die Behand­lungs­feh­ler als grob fehler­haft bewer­tet, da die Ärzte und Pflege­kräfte eindeu­tig gegen bewährte medizi­ni­sche Behand­lungs­re­geln und gesicherte Erkennt­nisse versto­ßen haben.

  • In diesem Fall war daher zu vermu­ten, dass die Behand­lungs­feh­ler auch ursäch­lich für die Verlet­zun­gen waren.
  • Die fehlende Dokumen­ta­tion einer Hautkon­trolle stellte außer­dem ein Befund­er­he­bungs­feh­ler dar.
  • Der Tochter wurde ein Schmer­zens­geld in Höhe von 8.000 Euro zugespro­chen.

Das ausführ­li­che Urteil, einschließ­lich juris­ti­scher Erläu­te­run­gen und hilfrei­cher Prxis­tipps, ist in der Ausgabe Mai/Juni 2019 der Rechts­de­pe­sche für das Gesund­heits­we­sen zu finden.

Quelle: OLG Branden­burg vom 28. Juni 2018 – 12 U 37/17.